Das Fensterbauunternehmen Finstral in Gochsheim hat vor drei Jahren einen Betriebskindergarten eröffnet. Damals wurde ein weiteres Werk der Firmengruppe in Gochsheim gebaut und die Geschäftsleitung entschloss sich, den zweiten Stock und die Dachterrasse zum Betriebskindergarten auszubauen. Es ist der einzige im Landkreis und ein Schritt von vielen hin zu einer familienfreundlichen Unternehmenskultur. Wir sprachen mit dem Standortleiter Andre Mehlhorn und der Assistentin der Geschäftsleitung Jana Hoffmann.
Frage: Wie geht es heute mit dem Betriebskindergarten? Hat sich der Aufwand gelohnt, vor allem in einer Männerdomäne wie dem Fensterbau?
Andre Mehlhorn: Eindeutig ja, wir könnten die Kindergartenplätze heute schon verdoppeln. Alle 22 sind belegt, die Hälfte davon mit Kindern unserer Mitarbeiter, die anderen mit Kindern von außerhalb. Zwei Drittel der Mitarbeiter sind Männer, aber auch die bringen ihre Kinder gerne in unseren Kindergarten. Wir wollen den Familien helfen, stressfrei Familie zu leben. Wir haben auch einen Opa, der bei uns arbeitet und zwei Enkel bringt. Ich erlebe immer wieder, dass Mitarbeiter gedrängt werden, wegen der Kinder ihre Arbeitszeit zu verkürzen oder gar ganz aufzugeben. Dem wirken wir so entgegen. Die Eltern bringen die Kinder frühs und nehmen sie abends mit nach Hause. Sie können sie auch immer in der Mittagspause besuchen. Aber das macht kaum jemand.
Jana Hoffmann: Die Mittagsause wollen die Eltern halt in aller Ruhe lieber mit Kollegen verbringen, sie wissen ihre Kinder ja gut aufgehoben.

Aber so ein Kindergartenbetrieb ist doch teuer, hat sich das auch wirtschaftlich gelohnt?
Mehlhorn: Von den Baukosten her nicht, diese wurden zu 100 Prozent von uns aufgebracht. Während Kommunen und gemeinnützige Träger 80 Prozent der Kosten vom Staat bezuschusst bekommen, mussten wir alles selbst schultern. Bei den laufenden Kosten allerdings werden wir ebenso bezuschusst wie andere Einrichtungen, sodass sich der Kindergarten trägt, obwohl wir unseren Mitarbeitern einen Zuschuss zu den Kindergartengebühren geben. Im Gegensatz zu unserem Werk in Südtirol, wo die Einrichtung eines Betriebskindergartens an enormen Auflagen scheiterte, war ich hier positiv überrascht, die Auflagen waren in Ordnung und das Landratsamt Schweinfurt und seine Mitarbeiter haben uns sehr geholfen und gut unterstützt.
Der Betriebskindergarten ist ein Baustein der Familienfreundlichkeit. Was braucht ein Unternehmen noch, um für junge Arbeitnehmer attraktiv zu sein?
Mehlhorn: Innerhalb der Firma muss eine offene familiäre Atmosphäre herrschen. Man muss kommunikativ miteinander umgehen. Diese Unternehmenskultur haben wir von Anfang an gepflegt und aufgebaut. Dazu gehören auch gemeinsame Feiern. Zur Nikolausfeier des Kindergartens kamen beispielsweise nicht nur Eltern und Großeltern, sondern auch Mitarbeiter, die selbst keine Kinder haben. Wir unterstützen unsere Mitarbeiter auch bei der Wohnungssuche, wenn nötig, oder helfen bei einer Rechtsberatung und einiges mehr.
Gibt es auch eine Grenze für Familienfreundlichkeit, etwas was das Unternehmen nicht leisten kann?
Mehlhorn: Die Grenze ist definitiv das, was heute oft propagiert wird: absolut flexible Arbeitszeiten. Fast alle Mitarbeiter in unserer Verwaltung und Produktion arbeiten Vollzeit. Kein Unternehmen kann funktionieren, wenn Vollzeitkräfte plötzlich nur noch vier Stunden täglich arbeiten wollen. Es ist unmöglich, für die restliche fehlende Arbeitszeit schnell neue Mitarbeiter zu finden und auszubilden, die genau die wegfallende Arbeitszeit ersetzen können und wollen. Auch ein Sabbatjahr mit dem Anspruch, dann wieder auf den alten Arbeitsplatz zurückzukommen, ist nicht machbar. Wenn jemand ein Jahr aussetzt, muss ich die Stelle neu besetzen.
Spüren Sie bereits den viel besungenen Fachkräftemangel?
Mehlhorn: Noch nicht dramatisch. Fachkräfte zu bekommen ist ein bisschen schwieriger geworden, aber nicht unmöglich. Zumal wir ein gemeinsames Projekt mit der Mittelschule Gochsheim angestoßen haben.
Hoffmann: Das MS Go, eine Kooperation zur vertieften Berufsorientierung und zur Stärkung der Ausbildungs-und Berufswahlreife, bei der Schüler ab der siebten Klasse heimische Betriebe kennenlernen.
Mehlhorn: Durch das gegenseitige Kennenlernen können wir einigen Schüler der neunten Klasse schon am Ende des Schuljahrs einen Ausbildungsvertrag anbieten und ersparen ihnen so oft vielfache Bewerbungen und Enttäuschungen. Aktuell haben wir 13 Auszubildende in der Produktion und vier in der Verwaltung, bei 180 Mitarbeitern am Standort.
Welche Wünsche hätten sie an die Politik?
Mehlhorn: Die könnte viel tun, beispielsweise Betriebskindergärten ebenso unterstützen wie die Kindergärten öffentlicher Träger. Das würde mit Sicherheit eine eigene Dynamik entwickeln, mehr Firmen würden eigene Kindergärten bauen und betreiben können, gerade angesichts mangelnder Kinderbetreuungsangebote wäre das gesellschaftspolitisch ein richtiger Weg.
Hat der Mittelstand bei solchen Aktionen gegenüber der Großindustrie Vorteile?
Mehlhorn: Es ist das Schöne an mittelständischen Unternehmen, dass man auch Dinge tun kann, weil man sie tun möchte und weil sie gut und sinnvoll sind, ohne sich strukturellen Zwängen zu unterwerfen und bei jeder Aktion ausschließlich sicherstellen zu müssen, dass sich diese auch rechnet.