Kirchen können Schutz und Heimat bieten, auch Fledermäusen. Allerdings nehmen die Bestände einiger Arten in Bayern deutlich ab, darunter auch die des Grauen Langohrs, das als stark gefährdet eingestuft ist. Um die Gründe dafür zu verstehen und Maßnahmen für einen gezielten Schutz zu entwickeln, lässt das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) in diesem Jahr die Kirchen im Landkreis Schweinfurt kontrollieren. Diplom-Biologe Jürgen Thein ist derzeit im nordwestlichen Landkreis auf den Dachböden von Kirchen unterwegs.
"Erst auf den Boden sehen, dann nach oben", erklärt der Fachmann aus Haßfurt. Was er auf dem Bretterboden im Turm der Obbacher Kirche erblickt, sind einzelne, winzige dunkle Kotpellets. Er geht in die Knie und betrachtet den Fund im Schein seiner Taschenlampe. "Die sind aktuell", meint er und deutet auf die knapp einen Zentimeter langen, schwarzen und glänzenden Exkremente, die er zwischen den Fingern zu Pulver zerreibt. Die längliche, spitz zulaufende Form könnte auf das Graue Langohr hindeuten, meint er.
Auch ein Schmetterlingsflügel in der Nähe könnte ein Hinweis sein, denn diese Fledermausart bevorzugt Falter als Nahrung. Die Flügel beißt sie weg, "da ist ja nichts dran".
Thein sammelt in einem Plastikröhrchen die einzelnen Köttel auf. Die Probe wird für die genetische Untersuchung gebraucht, um festzustellen, welche Fledermausart hier haust. "Im Kot bleiben Darmzellen hängen, da ist die DNA enthalten", erklärt er.

Noch weiß man zu wenig über den Bestand und die Verbreitung des Grauen Langohrs in Bayern, der typischen Dorffledermaus. Weshalb das LfU seit einiger Zeit dieses Projekt zum Schutz des Tieres ins Leben gerufen hat. Man weiß aber, dass diese Fledermaus ruhige Dachstühle als Tagesquartier nutzt und in Gärten, Wäldern und in der Feldflur auf die Jagd geht. Allerdings verschlechtert sich die Lebensgrundlage für die Tiere aufgrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft und der Entwicklung des ländlichen Raums inklusive der Verstädterung vieler Dörfer.
Biologe Jürgen Thein hat vor einigen Jahren bereits die Landkreise Main-Spessart, Miltenberg und Haßberge bearbeitet. Das Ergebnis: "Erfreuliche Funde von Fledermausvorkommen in den Kirchen, auch von Grauen Langohren", sagt er. In diesem Jahr sind in Nordbayern neben Schweinfurt noch Untersuchungen im Landkreis Würzburg geplant sowie in zwei Landkreisen in Südbayern.
Ursprünglich hatte das LfU in der Region Schweinfurt 60 Kirchen im Visier gehabt, Thein wird anhand seiner Kriterien etwa 30 untersuchen, informiert er. Dabei achtet der Biologe darauf, was das Langohr braucht. "Alte dörfliche Strukturen im Ortskern und außen Streuobstgebiete und Hecken auf jeden Fall eine vielfältige Landschaft, in der die Fledermaus jagen kann", erklärt er.

Hier, im nordwestlichen Landkreis, findet er solche Voraussetzungen, etwa in Obbach, Schraudenbach, Schwemmelsbach oder Vasbühl. Zudem hat er aus seinen Kontrollen in Main-Spessart vor allem im dortigen Werntal etliche Exemplare gefunden. Er vermutet, dass in Verlängerung dieser Achse, etwa auch nach Kronungen, weitere Vorkommen sind. "Die fliegen ungern über freie Landschaft", weiß er, "die brauchen solche Bachläufe mit viel Vegetation als Leitlinien."
Zweiter Untersuchungsschwerpunkt wird der Raum um Gerolzhofen sein. Denn sowohl im angrenzenden Kreis Haßberge als auch bei Kitzingen sind Vorkommen des Grauen Langohrs bekannt.
Nach dem Blick auf den Boden im Obbacher Kirchturm sucht Biologe Thein mit der Taschenlampe die Decke ab. Die nur sechs bis sieben Zentimeter großen Tiere mit einer Flügelspannweite von etwa 20 Zentimeter verstecken sich gern in Verzapfungen von Balken und im First, erklärt er. Zu sehen ist hier allerdings nichts.

Eine leicht offen stehende Holztür zum Dachboden über dem Kirchenschiff weist mit weiteren Fledermauskötteln eine neue Spur. "Hier ist es viel wärmer, das brauchen die Weibchen, wenn sie gemeinsam in Gruppen ihre Jungen aufziehen", erklärt der Fachmann. Aber auch hier kann er keine Langohren entdecken.
Allerdings bemerkt er, dass bei der letzten Renovierung der Kirche Insektengitter unter dem Dach angebracht wurden. Und auch die Lüfterziegel im Dach haben zu kleine Löcher, um einer Fledermaus ein Einfliegen zu ermöglichen. "Ich mache auch Vorschläge, was man als Kirchengemeinde für die Tiere tun kann", sagt Thein. "Das ist ja ein Artenhilfsprogramm."
Zurück im Kirchturm erklettert der Biologe noch die höchste Dachluke. Schon beim Öffnen sieht er viel frischen Fledermauskot. Und an der Traufe nimmt er einen Spalt wahr, über den die Tiere ins Innere gelangen könnten.
Um zu verifizieren, ob hier tatsächlich Langohren wohnen, wird Jürgen Thein bei solchen Verdachtskirchen in einigen Wochen nachts kontrollieren, ob hier die gefährdeten Fledermäuse wirklich einfliegen.
