Die 7-Tage-Inzidenz ist die alles entscheidende Größe, wenn es darum geht, in welchem Umfang an weiterführenden Schulen in Präsenz unterrichtet werden kann. Über 100, so die augenblickliche Regel, bleiben sie geschlossen, es findet Distanzunterricht statt. Ab 7. Juni, also nach den Pfingstferien, soll dieser Wert auf 165 nach oben angepasst werden. Ausnahmen gelten unabhängig vom Inzidenzwert für Abschlussklassen, die im Präsenz- beziehungsweise Wechselunterricht bleiben. Das bedeutet für die meisten Realschulen oder Gymnasien aktuell eine überschaubare Schülerzahl im Haus.
In einer Schule wie der Fachoberschule/Berufsoberschule (FOS/BOS) in Schweinfurt stellt sich die Situation völlig anders dar. Von den 741 Schülerinnen und Schülern in 40 Klassen sind nur 69 oder 9,3 Prozent in den drei Vorklassen und damit im Distanzunterricht, rechnet Schulleiter Harald Bauer vor. Die 85 Schülerinnen und Schüler der 13. Klasse sind permanent im Präsenzunterreicht. Die überwältigende Mehrheit der jungen Leute, die an der FOS/BOS einen Abschluss anstreben, besuchen im Wechselunterricht eine 11. oder 12. Klasse.
Wechsel- beziehungsweise Präsenzunterricht für Abschlussklassen, einschließlich der Jahrgangsstufe 11 an Gymnasien und Fachoberschulen, das ist die Regel, die im Moment ab Inzidenz 100 und ab dem 7. Juni ab 165 greift. Eine Regel, die dafür sorgt, dass auch in der Pandemie die FOS/BOS "volles Haus" hat. Harald Bauer hat weiter gerechnet. 378 aller Lernenden, was 51 Prozent entspricht, gehen tatsächlich jeden Tag durch die Schultür.
5000 Selbsttests in gut drei Wochen
Eine echte Herausforderung für die 75 Lehrkräfte und zehn Referendarinnen und Referendare, die im Präsenz und Wechselunterricht eingesetzt sind. Die wurde während der rund 14 Monate währenden Pandemie auch gut gemeistert, denn es wurden nur wenige Corona-Fälle registriert. Das liege zum einen daran, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr bewusst mit Maskenpflicht und Hygieneregeln umgehen, so FOS/BOS-Personalratsvorsitzender Friedemann Müller. Die Schülerinnen und Schüler seien mittlerweile regelrechte Selbsttest-Profis. Dreimal pro Woche testen sich die jeweiligen Präsenzschüler selbst, so kamen alleine zwischen dem 12. April und dem 5. Mai diesen Jahres rund 5000 Tests zusammen – keiner war positiv.

Nach den Pfingstferien beginnen die Abschlussprüfungen, die mündlichen Prüfungen stehen kurz bevor. Das werde auch angesichts der hohen Inzidenzwerte die Situation noch einmal verschärfen, ist sich Schulleiter Bauer sicher. Außerdem gebe es seitens des Kultusministeriums die Anweisung, bei den Prüfungen möglichst nur geimpfte Lehrkräfte einzusetzen. Für den Präsenzunterricht müsse sich ein Schüler testen und verbindlich FFP-2-Maske tragen, bei den Prüfungen sei Letzteres schwer durchzuhalten – man denke zum Beispiel an eine viereinhalbstündige Deutsch-Abschlussprüfung.
Um gut durch die hoffentlich letzte Phase der Pandemie zu kommen und die Herausforderungen im Zusammenhang mit den baldigen Prüfungen zu meistern, sei es jetzt dringend erforderlich den Lehrkräften umgehend ein konkretes Impfangebot zu machen, so Bauer. Bisher sei nur ein kleiner Teil – unter zehn Prozent des relativ jungen FOS/BOS-Kollegiums – geimpft, während an anderen Schulen teilweise schon alle Lehrkräfte zumindest eine Erstimpfung erhalten haben.
Eine Schule, an der 450 Haushalte zusammenkommen
So sieht es auch Rudolf Keil, stellvertretender Landesvorsitzender des Verbandes der Lehrkräfte an beruflichen Schulen (VLB). Ein Impfangebot für FOS/BOS-Lehrkräfte sei aufgrund des im Vergleich mit anderen Schulen deutlich erhöhten Anteils an Präsenzunterricht besonders wichtig. So treffen sich etwa an der Friedrich-Fischer-Fach- und Berufsoberschule in Schweinfurt täglich bis zu 450 Haushalte. Hinzu komme, dass der Inzidenzwert bei den 15- bis 19-Jährigen im Augenblick am höchsten sei – also genau die Altersgruppe, der die meisten Schülerinnen und Schüler im Haus angehören.

Im Hinblick auf die beruflichen Oberschulen laufe bei der Coronapolitik sehr viel falsch, so Keil. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung sei die Schulart FOS/BOS unterrepräsentiert, obwohl dort knapp 50 Prozent der Hochschulzugangsberechtigungen verliehen würden. Dies und der hohe Anteil von Präsenzunterricht werde von der Politik durch die Einordnung der Lehrkräfte in Prioritätsgruppe 3 ignoriert.
"Seit über drei Monaten fordert der VLB ein Impfangebot für Lehrkräfte, die in Präsenz unterrichten. Wenn man möchte, dass die Schulen offen sind, dann muss man auch die Lehrkräfte bestmöglich schützen. Die Kolleginnen und Kollegen an den beruflichen Schulen haben dabei die meisten Kontakte, bei vollem Schulhaus. Sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen", so Keil.
Noch wird im Impfzentrum "Kategorie 2" geimpft
Schulleiter Harald Bauer hat sich mit Mails an Verantwortliche in Rathaus, Landratsamt, Gesundheitsamt und Impfzentrum gewandt. Viel mehr als Hinweise auf das bayerische Impfgesetz, das die Priorisierung eben so und nicht anders vorsieht, hat er bislang nicht für seine Kolleginnen und Kollegen erreicht. Eine erneute Anfrage am Donnerstag an das Impfzentrum Schweinfurt erbrachte, dass man sich beim Impfen noch in der Priorität 2 befinde, was noch zwei/drei Wochen dauern könne.
Für Harald Bauer und sein Kollegium viel zu spät im Hinblick auf die Abschlussprüfungen, selbst wenn man sofort dabei wäre, wenn für Priorität 3 die Tür aufgeht. Schließlich müsse sich ja nach der Erstimpfung erst ein gewisser Schutz im Körper aufbauen. "Wer ist im Präsenzunterricht, wer nimmt an Abschlussprüfungen teil", wären auch für Bauer die entscheidenden Kriterien für eine Priorisierung innerhalb der Lehrerschaft angesichts der Tatsache, dass es zwar die Ankündigung eines Impfangebotes für alle Lehrkräfte gibt, dies aber nicht für alle und sofort in die Tat umgesetzt werden könne.
Das "Impfangebot für alle Lehrer", wie es dieser Tage vom Kultusministerium in Aussicht gestellt wurde, steht für die FOS/BOS-Pädagogen in Schweinfurt zunächst weiter nur auf dem Papier, weil es auf das "Wann?" noch keine Antwort gibt. Ein schnelles "Jetzt" wäre nötig. Angesichts der hohen Inzidenz in der Stadt, hat sich Schweinfurts Oberbürgermister Sebastian Remelé am Freitag mit einem Schreiben an den bayerischen Staatsminister für Gesundheit und Pflege, Klaus Holetschek, gewandt, und um ein Sonderkontingent an Corona-Impfstoff gebeten. Damit könnte auch mehr Lehrkräften, die mit der Abnahme der bevorstehenden Prüfungen betraut sind, ein konkretes Impfangebot gemacht werden.