Schweinfurts Stadttauben leiden – nicht erst, aber vor allem seit Beginn der Pandemie und in den Lockdowns, mahnen Tierschützer in Schweinfurt. Auch einige Stadträte haben sich dem angeschlossen. Ulrike Schneider und Frank Firsching forderten im März in einem Eilantrag, das Fütterungsverbot in der Stadt auszusetzen. Die Mehrheit im Stadtrat lehnte ab. Wieder. Es bleibt bei dem harten Kurs. Lockdown, keine Menschen in der Stadt, kein Krümel, der abfällt, um die Tauben zumindest vor dem Verhungern zu retten. Und jetzt die klirrende Kälte. Tierschützer wie Jasmin Poyotte von der Stadttaubenhilfe "White Angels" sehen die Folgen, und sind entsetzt.
Fünf bis zehn Tiere am Tag, die verletzt oder halb verhungert von den Tierschützern in der Stadt geborgen werden müssen, das sei keine Seltenheit, sondern seit Tagen Realität. "Es regnet Tauben", sagt Poyotte. Die Situation habe sich zugespitzt seit dem Lockdown. Mehr Tauben in Not, schlimmere Verletzungen, extrem abgemagerte Tiere. Die "White Angels" haben alle Hände voll zu tun.
Und die Stadt? Sie verteilt Bußgelder an Menschen, die gegen das Fütterungsverbot verstoßen. Eine "Ordnungswidrigkeit", die mit 130 Euro geahndet wird, plus 25 Euro für den Bescheid und 3,50 Euro für die Auslagen. Das alles für das Auswerfen von zwei bis drei Bechern Körner, wie es in einem Bußgeldbescheid heißt, der der Redaktion vorliegt.

Für Ulrike Schneider (Zukunft./ÖDP) ist das "zumindest aus moralischer Sicht zu verurteilen". Sie fordert weiter eine Aufhebung des Fütterungsverbots in Zeiten der Pandemie. Es sei "beschämend, wie die Stadt auf ihren Paragraphen besteht und die Tauben verhungern lässt". Auch andere Städte würden auf die Ausnahmesituation reagieren, unter anderem hat Nürnberg sein Fütterungsverbot im Lockdown aufgehoben. Letztendlich, so die Stadträtin, gehe man das Problem in Schweinfurt nicht an. So drücke sich die Stadt bis heute vor einer Lösung, die nicht nur Schneider, sondern auch Tierschützer wie Jasmin Poyotte als die Lösung sehen: die Einrichtung eines betreuten Taubenschlags. Auch dazu gab es einen Antrag von Schneider im Stadtrat und sogar einen Vorschlag der Verwaltung für einen Standort. Der Stadtrat lehnte ab.
Warum ein betreuter Schlag das Problem lösen würde
Dabei, so sagt auch Johannes Saal, Vorsitzender des Tierschutzvereins Schweinfurt, hätte ein solcher Schlag nur Vorteile. Er könne nicht verstehen, dass die Stadt das Projekt nicht weiterverfolgt. Denn gerade sie sei für die Stadttauben, die nicht als Wildtiere gelten, zuständig. Für "absolut notwendig" sieht es auch Saal, dass in Schweinfurt "zumindest temporär" das Fütterungsverbot aufgehoben wird. Zumal es die Stadt nichts kosten würde. Die "White Angels" hatten angeboten, sowohl das Füttern zu übernehmen als auch das Futter zu besorgen. Auch einen Schlag würden sie betreuen, füttern, sich um die medizinische Versorgung der Tiere kümmern, Eier austauschen.

"Es ist endlich Zeit, dass etwas passiert", sagt Jasmin Poyotte, für die eines besonders wichtig ist: Die Zusammenarbeit mit der Stadt, denn nur gemeinsam könne man das Problem lösen. Und zwar nicht nur für die Stadttauben. Eine Lösung sei auch wichtig für die Menschen, die in Schweinfurt leben, und sich gestört fühlen. Poyotte kann das verstehen. Doch Vertreiben allein helfe nicht. "Vergrämung verlagert das Prolbem nur" – von einem Haus auf das andere. Ein Taubenschlag könne die Tiere, die nun überall herumfliegen und brüten, an einen festen Ort binden. Und mache es leicht, die Population einzudämmen, indem echte Eier durch falsche ausgewechselt werden.

Die Tiere hungern, doch die Population wächst
Die Tiere nun verhungern zu lassen, verstoße nicht nur gegen den Tierschutz. Die Strategie wirke auch nicht, betont die Tierschützerin. Denn: Tauben sind Stressbrüter. Das heißt, sterben viele, brüten die anderen umso mehr, um die Population aufrecht zu erhalten. Egal, ob es zu wenig Futter gibt und die Tiere hungern. In Schweinfurt sei das deutlich zu sehen, "die Population wächst". Seit März hätten die Stadttauben auch Randgebiete erobert, wo sie sonst eher nicht zu finden waren, sagt Poyotte. Zum Beispiel am Bergl oder im Maintal. Ihr Appell an die Stadt: Jetzt füttern lassen, dabei die Tauben zählen, sehen, wie ihr Gesundheitszustand ist und einen Standort für einen betreuten Schlag finden.

Ulrike Schneider wirbt für eine Unterstützung der Initiative, die Futter und medizinische Versorgung für die Tauben aus eigener Tasche bezahlt. Weil die "White Angels" kein eingetragener Verein sind, habe sich der Verein Freunde für Tiere und Menschen in Not aus Schonungen bereit erklärt, Spenden für die Taubenschützer anzunehmen und an sie weiterzugeben. Wer helfen möchte, kann sich per E-Mail unter Freunde_fuer_Tiere_2014@gmx.de melden.