Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Stadt Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

Schweinfurt: Gartenstadt: Sind Abriss und Neubau der einstigen Arbeitersiedlung die richtige Antwort in der heutigen Zeit?

Schweinfurt

Gartenstadt: Sind Abriss und Neubau der einstigen Arbeitersiedlung die richtige Antwort in der heutigen Zeit?

    • |
    • |
    Platz für modernes Wohnen will der Bauverein in der Gartenstadt schaffen und die alten Reihenhäuschen, wie hier in der Fritz-Soldmann-Straße, abreißen. Der Stadtrat appellierte an die Genossenschaft, die Pläne noch einmal zu überdenken.   
    Platz für modernes Wohnen will der Bauverein in der Gartenstadt schaffen und die alten Reihenhäuschen, wie hier in der Fritz-Soldmann-Straße, abreißen. Der Stadtrat appellierte an die Genossenschaft, die Pläne noch einmal zu überdenken.    Foto: Anand Anders

    Der vom Bauverein geplante Umbau der "alten Gartenstadt" zu einem neuen, modernen Quartier liegt manchen politisch Verantwortlichen schwer im Magen. Nicht nur Ulrike Schneider (Zukunft./ödp) hat seit der Bauausschusssitzung des Schweinfurter Stadtrats, in der grünes Licht für die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans gegeben wurde, Bauchschmerzen. Auch Stefan Funk (CSU) bereitet der beabsichtigte Abriss und Neubau des Quartiers zwischen Fritz-Soldmann-, Benno-Merkle-, Garten- und Bauvereinstraße "Bauchweh". Stefanie Stockinger-von Lackum rumort es ebenfalls heftig im Magen aus Sorge, die "moderne Gartenstadt" könne so "furchtbar hässlich" werden wie die neue Eselshöhe des Bauvereins.

    In der Sitzung des Stadtrates am Dienstag ist der Aufstellungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan mit fünf Gegenstimmen zwar bestätigt worden, vorab aber noch einmal eine intensive Debatte über das Vorhaben des Bauvereins entbrannt. Angestoßen hatte sie Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU), der – wie schon in der Bauausschusssitzung – noch einmal seine Sorge um das kulturelle Erbe der Stadt Schweinfurt deutlich machte. Er habe für das Vorgehen des Bauvereins zwar großes Verständnis, ob der vollständige Abriss der geschichtsträchtigen Bausubstanz aber die richtige Antwort sei, das sollte der Bauverein noch einmal überdenken.

    Stadtheimatpfleger lässt Ensembleschutz prüfen

    Laut Projektplanung sollen die vor 100 Jahren für Mitarbeitende der Industrie gebauten Reihenhäuschen entfernt und durch Flachdachgebäude mit verschiedenen Wohnformen ersetzt werden: dreigeschossige Häuser mit bis zu sechs Wohneinheiten, seniorengerecht und barrierefrei sowie zweigeschossige Doppelhäuser und Reihenhäuser; die beiden letzteren mit privaten Gartenzonen. 

    "Uns geht ein wichtiger Teil der Stadtgeschichte verloren", verwies Ulrike Schneider auf die sozialpolitisch entscheidende Epoche der Gartenstadtbewegung und forderte die Einbindung von Stadtheimatpfleger Dag Schröder. Tatsächlich ist dieser aufgrund der öffentlichen Debatte um die Gartenstadt schon von sich aus tätig geworden. Wie Ordnungsreferent Jan von Lackum verlauten ließ, lässt der Stadtheimatpfleger gerade beim Landesamt für Denkmalpflege prüfen, ob für die Gartenstadt-Siedlung Ensembleschutz besteht.      

    Die alten Häuser wie hier in der Georg-Groha-Straße sollen modernen Flachdachgebäuden weichen.
    Die alten Häuser wie hier in der Georg-Groha-Straße sollen modernen Flachdachgebäuden weichen. Foto: Anand Anders

    Ulrike Schneider brachte zusätzlich noch den Klimaschutz ins Spiel. Sie zitierte aus dem Baukulturbericht, wonach Abriss und Neubau deutlich umweltschädlicher als Sanierung im Bestand seien. "Man muss nicht immer alles abreißen", pflichtete Klaus Rehberger (CSU) bei mit Verweis auf die Augsburger Fuggerei, der ältesten Sozialsiedlung der Welt. 

    Man könnte den Schweinfurter Architekten Stefan Schlicht als Fachmann und Verfechter einer neuen "Umbaukultur" einmal ins Gremium holen, schlug Ulrike Schneider vor. Ihr Antrag, den Tagesordnungspunkt zurückzustellen und sich mehr Zeit für eine "so weitreichende Entscheidung" zu nehmen, fand aber keine Mehrheit.   

    Bezahlbaren Wohnraum schaffen

    Nach langem stillschweigenden Zuhören schaltete sich schließlich Ralf Hofmann in die Debatte ein. Der SPD-Fraktionssprecher ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender im Bauverein und sah sich zu einer Klarstellung veranlasst: "Der Bauverein reißt die Gebäude nicht aus Selbstzweck ab, sondern schaut den Tatsachen ins Auge." Die Wohnhäuser in der Gartenstadt entsprächen weder von Ausstattung und Zuschnitt noch vom energetischen Standard den heutigen Anforderungen. 

    Durch den Abriss der alten Häuser solle der Weg frei gemacht werden für eine moderne, dichtere Bebauung. Denn Auftrag des Bauvereins sei es, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. "Das ist nur möglich mit Abriss und Neubau", sagte Hofmann und bot eine Besichtigung der Gebäude an, um sich davon zu überzeugen. 

    Die Bausubstanz sei zu schlecht für eine Sanierung, sagt der Bauverein. Die alten Häuser sollen deshalb abgerissen und Neubauten errichtet werden.
    Die Bausubstanz sei zu schlecht für eine Sanierung, sagt der Bauverein. Die alten Häuser sollen deshalb abgerissen und Neubauten errichtet werden. Foto: Anand Anders

    Unterstützung für diese Argumentation gab's von Johannes Petersen (SPD): "Wenn man in die Häuser reinschaut, sieht man, dass mit einer Sanierung hier nichts zu machen ist." Auch entstehe nach den Plänen des Bauvereins viel mehr Grün, das zur Aufwertung der Gartenstadt führen werde.

    Auf Flachdächer verzichten

    Zwiegespalten ist Theresa Schefbeck (CSU): Es sei zwar schade, dass man die alten Häuser abreißen müsse, eine Sanierung aber gleichfalls schwierig. Die neuen Pläne greifen ihrer Ansicht nach die alte Struktur im Grundsatz auf. Nun müssten diese so auch umgesetzt werden. In anderen Bereichen sei das nicht passiert, sagte sie mit Blick auf die Eselshöhe. "Da hat der Bauverein sich nicht mit Ruhm bekleckert."

    Rüdiger Köhler (CSU) regte als baulichen Kompromiss an, auf die Flachdächer zu verzichten und die neuen Gebäude mit Satteldächern auszustatten. So bestehe auch die Möglichkeit, Photovoltaik zu nutzen. AfD-Vertreter Sebastian Madeiski tat die Diskussion um den Erhalt der alten Gartenstadt als Nostalgie-Debatte ab und meinte, man solle die Gelegenheit zur Neugestaltung nutzen.  

    "Der Bauverein stellt sich diesem Diskurs", war Ralf Hofmann aber dankbar für die Aussprache in der Stadtratssitzung und sicherte zu, dass der Bauverein die vorgebrachten Einwände prüfen werde. Er stellte aber auch klar, dass der Bauverein in erster Linie die Interessen der Genossenschaft zu wahren habe. "Und das ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum."     

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden