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Oberwerrn: Gasthaus "Zur Eisenbahn" schließt: Französisches Flair am Oberwerrner Bahnhof hat ein Ende

Oberwerrn

Gasthaus "Zur Eisenbahn" schließt: Französisches Flair am Oberwerrner Bahnhof hat ein Ende

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    Erinnerung an 155 Jahre Oberwerrner Lokalgeschichte: Roland und Hildegard Hümmer, zusammen mit Bürgermeisterin Bettina Bärmann sowie Altbürgermeister und Ex-Nachbar Peter Heusinger.
    Erinnerung an 155 Jahre Oberwerrner Lokalgeschichte: Roland und Hildegard Hümmer, zusammen mit Bürgermeisterin Bettina Bärmann sowie Altbürgermeister und Ex-Nachbar Peter Heusinger. Foto: Uwe Eichler

    Großer Bahnhof herrschte im Gasthaus "Zur Eisenbahn": Am Montagabend gab es, drinnen wie draußen, noch einmal so richtig Andrang. Blasmusiker aus Geldersheim sorgten für ein paar spontane Abschiedsständchen im Biergarten.

    Die Traditionswirtschaft schließt am Montag, 19. August, für immer. 54 Jahre lang waren Roland und Hildegard Hümmer Wirtsleute. Nun, mit 78 beziehungsweise 77 Lenzen, ist Schluss mit dem Arbeitsleben. Insgesamt wurde das Haus in fünfter Generation betrieben. Ein landwirtschaftliches Anwesen gehörte lange Zeit zum Familienbetrieb dazu. Sohn Andreas kennt man heute durch die Biogasanlage am Aussiedlerhof, Tochter Stephanie Hümmer-Frank ist Zahnärztin.

    Bärmann: "Dieses Haus hat Geschichte geschrieben"

    "Alles hat seine Zeit": Mit diesen Worten haben die Hümmers das Wirtshaus-Aus bekannt gegeben, in der Niederwerrner Rundschau. Bürgermeisterin Bettina Bärmann schaute nun persönlich vorbei und bedankte sich im Namen der Gemeinde: "Dieses Haus hat Geschichte geschrieben". Auch Altbürgermeister Peter Heusinger zählte zu den Gästen, das Elternhaus liegt nur ein paar Häuser weiter.

    Die Gaststätten-Geschichte ist untrennbar mit dem benachbarten Bahnhof verbunden, der 2008 wiedereröffnet worden ist, 30 Jahre nach der Schließung. Eiserner Vorhang und Kalter Krieg hatten die einstmals rege Verbindung ins heutige Thüringen gekappt.

    Bei den Stammgästen unvergessen: Die Gaststätte Zur Eisenbahn in Oberwerrn schließt.
    Bei den Stammgästen unvergessen: Die Gaststätte Zur Eisenbahn in Oberwerrn schließt. Foto: Uwe Eichler

    Ursprünglich war die Strecke Schweinfurt-Meiningen ein Kind des "Deutschen Kriegs" von 1866 gewesen. Der Waffengang wurde in Bayern vor allem in Mainfranken ausgefochten. Schnelle Truppenverlegung per Eisenbahn hätte dem Königreich (und dem Herzogtum Sachsen-Meiningen) sehr geholfen. 1871 wurde der erste Streckenabschnitt zwischen dem Schweinfurter Hauptbahnhof und Ebenhausen eröffnet. Rasch boomte die zivile Nutzung. Nicht zuletzt war nun der "Besengau", das unterfränkische Vorland der Rhön, an Schweinfurt angeschlossen.

    Schon 1869 erwarb die aus Greßthal stammende Familie Ziegler ein Grundstück an den späteren Gleisen. An gleicher Stelle soll sich das einzige Oberwerrner Anwesen mit jüdischem Besitzer befunden haben, der eigentlich aus Theilheim stammte. Den Start übernahm Gastwirt und Bäcker Kaspar Ziegler (1822-1888). Das Gebäude wurde mit einigen Anbauten erweitert.

    Einst wichtiger Verladeplatz für Zuckerrüben oder Kohlen

    Im Mittelteil war lange ein Tanzsaal. Roland Hümmer erinnert sich an die Geschichten, wonach hier im Ersten Weltkrieg Kriegsgefangene als Feldarbeiter untergebracht waren: Kroaten, Serben und Franzosen. Bei Tante Rosa, der Wirtin, wäre danach eine feine französische Ausdrucksweise völlig normal gewesen, mit "Mademoiselle" und "Monsieur".

    So sah das Gasthaus in der Vorkriegszeit aus. Unterm Dach waren Fremdenzimmer untergebracht.
    So sah das Gasthaus in der Vorkriegszeit aus. Unterm Dach waren Fremdenzimmer untergebracht. Foto: Archiv Roland Hümmer

    Auch sonst war am Bahnhof einiges los, als wichtiger Verladeplatz für Zuckerrüben oder Kohlen. In den Notzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Heizmittel wie schwarzes Gold behandelt und erbittert gegen den "Kohleklau" verteidigt. Gastwirt Karl Ziegler war 1938 verstorben, Schwester Rosa führte den Betrieb durch die harten Kriegsjahre. Eine Zeitlang war hier die Schule untergebracht, das eigentliche Schulgebäude selbst diente als Lazarett.

    Die Industriestadt Schweinfurt und der nahe Flughafen Geldersheim zog Bombenangriffe an. Vor dem Haus rangierte eine Eisenbahnflak, ein Nebengebäude wurde durch eine Brandbombe zerstört. Nach 1945 waren im Haus "Sprenger" untergebracht, zuständig für die gefährliche Munitionsentsorgung am Flugplatz.

    Karl Zieglers zweite Frau, eine geborene Hümmer, stammte aus Geldersheim – 1946 wurde die Gastwirtschaft von Ernst Hümmer übernommen. Der politisch sehr aktive Vater von Roland Hümmer kam 1976 durch einen Absturz nahe Gochsheim ums Leben, bei einem Flug mit Staatssekretär Erwin Lauerbach. Besonders tragisch: Den Weltkrieg hatte der Landwirtssohn als erfahrener Flieger überlebt.

    Wichtiger Treff in Oberwerrn

    Es fehlt aber auch nicht an schönen Erinnerungen. Die Gaststätte "Zur Eisenbahn" entwickelte sich schon in den 1950ern zum "Szenetreff" des Oberwerrner Orts- und Vereinslebens. Hier wurde unter anderem der Siedlerbund gegründet. Der Würzburger Bischof Scheele schaute ebenso vorbei wie Constantin Heereman von Zuydtwyck, Präsident des Deutschen Bauernverbands, oder Irmingard Streibl: Die Ehefrau des bayerischen Ministerpräsidenten weilte dank der Verbindungen des Oberwerrner CSU-Urgesteins Hans Mock einmal einen ganzen Tag vor Ort.

    Roland Hümmer, der mit Ehefrau Hildegard bis zuletzt am Tresen stand, könnte noch so manche Geschichte und Anekdote erzählen. Von den reisenden Meerrettich-Händlerinnen etwa, den Kreefrauen, oder dem Kolonialwarenladen, der sich an gleicher Stelle befunden haben soll.

    "Wir haben das Gasthaus betrieben, weil wir es gerne getan haben", sagen die Hümmers heute, die sich bei den treuen Gästen bedanken. Sieht man genau hin, an die Hauswand auf der Bahnhofsseite, entdeckt man sogar noch ein wenig Lokomotivenruß, aus den "Jahren unter Dampf".

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