Hamster auf der Schulter? Nein, das wäre gegens Reglement, stellt Profi-Slammer und Workshopleiter Ken Yamamoto zu den Regeln der 13. U20-Dichterschlachtschüssel im Stattbahnhof fest. HNO-Erkrankungen sind wiederum ein „No Go“ für Poetry Slam-Moderatoren: Der Wärter des Poetry Slam-Leuchtturms Schweinfurt, Manfred Manger, musste sich 2014 mit der Rolle des Punktezählers begnügen, in Zusammenarbeit mit der fünfköpfigen Publikumsjury. Vergeben wurden ein bis zehn Punkte, die besten und schlechtesten Ergebnis gestrichen.
Ansonsten war – „Du kannst von dem, was du nicht fühlst, nicht reden“ – kurz nach Shakespeares 450. Geburtstag alles erlaubt, was gefällt, zumindest, was gefühlt werden kann. Geboten wurde viel Philosophie. Zwei Tage dauerte der Workshop rund um das Thema: Wie füllt man ein leeres Blatt Papier, nicht mit Worten, sondern Leben? Wie trägt man schon in jungen Jahren sein Innerstes nach außen?
„Gewinnen und verlieren, das macht das Leben aus“, fand Melina Heinisch zum Auftakt, wir sind alle verschieden und doch gleich. „Das Leben ist ein Spiel“, reimte Julia Michalik: Sich bis zum Ende daran zu erfreuen, ist das Ziel. Schon ein alter Poetry Slam-Hase, aber noch in der Altersgruppe: Marilisa befasste sich mit Aufbruch und Vergänglichkeit, japanischer Kirschblüte und dem Gingkobaum, der die Atombombe von Hiroshima überlebt hat, nebst Warnung: „Man sucht sich nicht aus, ob man sich in eine Zeitbombe verliebt“. Zeilen, die 28 Punte ernteten.
Zur Matheparabel unterm Irokesenschnitt griff Punk-Poet Hannes Becker: „Jeder Mensch ist wie ein Kreis. Wer weiß, zu was Kreise in der Lage sind?“ Für soviel Wortgeometrie gab es eine 26er Wertung. Die beste Pointe des Abends hatte Janett Keilholz dabei, über einen Henker, der – Strafe muss sein – am Ende auf dem eigenen Elektrostuhl Platz nimmt, mit der Erkenntnis: „Der Tod ist eine Mischung aus Einbahnstraße und Sackgasse.“
Auch bei Christine Fritz drehte sich alles ums Leben und Ableben: „Ich habe noch Hoffnung.“ Einem endlosen Sprung in gedankliche Tiefe widmete sich Tabea Schleier. Es folgte Aurelia Scheuring, die mit elf Jahren schon tiefgründig über einen Keimling in schwarzer Erde und dessen Furcht davor dichtete, oben, als Blume, gebrochen zu werden: Dafür gab es bereits sehr erwachsene 26 Punkte.
Den zweiten Durchgang begann Vanessa Reuß-Morel mit einer fantasievollen Ballade übers Puppenspiel. „Mein Leben ist eine Party, die keiner besucht“, seufzte Maximilian Lipski, angesichts misslungener Freitagabendplanung. „Wir wissen schon alles, was passiert, aber nichts von dem, was uns interessiert“, klagte Jonathan Auer für eine Generation zwischen den Jahrtausenden, ohne eigene Freiräume. Dafür gab es 27 Punkte. Baha Kirlidokme träumte davon, noch einmal Kind zu sein, mit Pokemon-Helden, aber ohne Verantwortung. Hauptsache, man ist perfekt genug, um glücklich zu sein: Miriam Droste widmete ihr Gedicht einem behinderten Kind.
Neu an Bord: Paula Steiner, bei der es ebenfalls um Perfektionswahn ging. Aber Mädels aus Plastik sind nun mal für die Umwelt schädlich: Dafür gab es 26 Punkte. Die erhielt auch für Justus Lamm, mit zehn Jahren schon ein Landschaftsarchitekt der Poesie: „Baue keine kleinen Hügel, baue Berge aus Freundschaft.“ Durchflossen von Strömen des Vertrauens – wow.
Am Ende wurde es doch etwas komplizierter: Die Besten haben im Juli die Gelegenheit, beim School Out Slam noch ein zweites Gedicht zu verfassen, um, gemäß der neuen Regularien, im September beim deutschlandweiten U20 Slam in Berlin starten zu dürfen. Aufgrund einer Studienfahrt traten zwei Qualifikanten ihren Platz ab: Stadtmeisterin Marilisa und Paula sind auf jeden Fall weiter, Hannes räumte das Feld für Aurelia (bei fast perfektem Punkte-Gleichstand), Jonathan tauschte zu Gunsten von Justus: Der Generationswechsel am Mikrofon ist gelungen.