Im Vergleich zur Alltagsdroge Alkohol, die über die Hälfte der Bevölkerung in suchtartiges Verhalten abrutschen lässt, ist die Zahl der Menschen, die an Glücksspielsucht leiden, relativ klein. Dennoch sind bayernweit rund 33 000 davon betroffen und 35 000 Personen gelten als gefährdet. Das Leid, das sie mit ihrem Suchtverhalten über sich und ihre Angehörigen bringen, ist ebenso groß wie bei anderen Süchtigen.

Mit einem Stand am Georg-Wichtermann-Platz informierte die Suchtberatungsstelle der Diakonie über die Glücksspielsucht. Als Berater Stefan Glos den Stand aufbaut, wird er gleich von Arbeitern in der Nachbarschaft angesprochen. Sie seien aus Würzburg gekommen und hätten auf dem Weg hierher gleich drei Spielhallen gesehen, berichten sie. Obwohl es seit geraumer Zeit ein neues Gesetz gebe, das Mindestabstände zwischen Spielhalle vorschreibe, habe sich an der Anzahl der Hallen nichts geändert, beobachtet Glos. Allein in Schweinfurt ist nach Angaben der Landesstelle für Glücksspielsucht die Zahl der Geldspielgeräte von 98 im Jahr 2000 auf 275 im Jahr 2018 gestiegen. Der Kasseninhalt der Spielhallen stieg im gleichen Zeitraum von 1,8 Millionen auf 8,8 Millionen Euro.
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Für mindestens genauso gefährlich hält Glos die Glücksspiele im Internet. Eigentlich seien diese mit Ausnahme von Sportwetten und der staatlichen Lotterie verboten, aber das Netz sei eben groß und unüberschaubar. Problematisch auch die unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern. So könne sich ein Spieler in Hessen in Spielhallen sperren lassen, in Bayern dagegen nicht. Allerdings sei dies auch "nur ein Feigenblatt", meint Glos, denn der Spieler könne sich jederzeit selbst wieder entsperren lassen.
Im Schnitt haben Spieler in Bayern 25 000 Euro Schulden
Oft löse ein "großer Gewinn" das Suchtverhalten aus. Groß heiße dabei schon, dass man fünf Euro in einen Automaten wirft und 70 Euro herausbekommt. "Dann steckt der Gedanke immer im Kopf, ich könnte noch mehr gewinnen." Die euphorische Erfahrung, gewonnen zu haben, werde nicht auf Zufall und Glück zurückgeführt, sondern auf das eigene Geschick. Das stärke das Selbstbewusstsein der Spielenden und erhöhe ihre Bereitschaft, weiter zu spielen. Die Folge davon: Die Spiele werden häufiger und die Risikobereitschaft größer. Bis schließlich gespielt werden "muss", um die eigenen Schulden zu tilgen. Familie und Freunde geraten ins Hintertreffen, werden oft aus Scham belogen und ausgegrenzt, beschreibt Glos die fatale Entwicklung.
Im Schnitt haben Spieler in Bayern 25 000 Euro Schulden. Glos berichtet von einem Mann, der schon über 300 000 Euro Schulden hatte. Als seine Bank ihm nichts mehr geben wollte, wechselte er zur nächsten. Er erinnert sich an einen Spieler, der in die Privatinsolvenz ging und sich vor dem Tag fürchtete, an dem er wieder Geld zur Verfügung hätte. Seine Angst war berechtigt, erzählt Glos, er landete gleich wieder beim Spielen.
Seit 2001 ist die pathologische Spielsucht auch von den Kostenträgern als Krankheit anerkannt. Bei den Spielern dauere es vier bis neun Jahre, bis sie Krankheitseinsicht haben und eine Beratungsstelle aufsuchen. "Wir sind schon froh, wenn einmal einer kommt, der nur sein Einkommen verspielt hat", erklärt Glos. Dann ist es wie bei anderen Süchtigen auch, das Hilfsangebot reicht von Selbsthilfegruppen über die kostenlose Beratung bis hin zu ambulanten oder stationären Therapien.
Besonders betroffen sind auch die die Angehörigen. Eine Mutter erzählt, ihr Sohn habe die Schule abgebrochen, sitze nur am Computer und spiele. Er sei nicht mehr ansprechbar, lebe "völlig an der Realität vorbei". Auch für die Angehörigen gibt es Selbsthilfegruppen und Beratungsangebote. Wenn möglich, sollten sie dem Spieler kein Geld geben bzw. über die Verfügbarkeit von Geld verhandeln. Aber das sei schwer, so Glos. Die Angehörigen sollten sich deshalb über die Hilfsangebote informieren, das Problem mit dem Süchtigen offen ansprechen und ihn motivieren, diese Hilfen anzunehmen. Bis es dann so weit ist, sei es dennoch für alle Beteiligten oft ein langer und schmerzlicher Weg.