Als Kai K. am 16. Verhandlungstag darum bittet, selbst etwas sagen zu dürfen, ist es ganz ruhig im Sitzungssaal 6 des Landgerichts Schweinfurt. Sein Blick geht direkt zu der jungen Frau, die er zwischen dem 10. und 17. Mai 2023 mehrmals vergewaltigt, geschlagen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben soll. "Mir tut das schrecklich leid, wie das eskaliert ist. Aber wir hatten auch schöne Zeiten", sagt er dann. Die 30-Jährige nimmt die Worte regungslos entgegen und verlässt den Raum.
Vorher musste die junge Frau im Verfahren gegen ihren ehemaligen Lebensgefährten auf Antrag der Verteidigung erneut in den Zeugenstand. Was denn überhaupt der Grund dafür sei, wollte Staatsanwältin Melanie Roth wissen. "Weil sich aufgrund ihrer Ausführungen und der des psychiatrischen Sachverständigen die Notwendigkeit einer ergänzenden Befragung ergeben hat", antwortete Verteidiger Hubertus Werner.

Die Vorsitzende Richterin Claudia Guba wies darauf hin, "nicht dasselbe noch einmal durchzunudeln, nur um schönere Antworten zu bekommen". Die 30-Jährige hatte schließlich schon zu Beginn des Verfahrens, das am 19. Februar gestartet war, eine umfassende, mehrstündige Aussage gemacht, in der sie ihre Version des Geschehenen erzählte.
Verteidigung hatte Fragen zu den ersten Tattagen
Besonders das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen hatte bei der Verteidigung des 42-jährigen Angeklagten Anfang dieser Woche für Unmut gesorgt. Der Gutachter diagnostizierte dem Kopf der Gemeinschaft "Go&Change" eine drogeninduzierte Psychose und eine Substanz-Konsum-Störung, also eine Art Drogenabhängigkeit. Zumindest ab einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt am 16. Mai 2023 sieht der Sachverständige Kai K. als schuldunfähig an. Für die mutmaßlichen Taten davor erfülle er die Kriterien der Schuldunfähigkeit nicht, erklärte der Gutachter.
"Sie labern vor sich hin."
Anwalt Hubertus Werner in Richtung Staatsanwaltschaft
Und so stürzte sich die Verteidigung in der erneuten Befragung der jungen Frau auf den Zeitraum vor jenem 16. Mai 2023. Ob und wann vor diesem Tag Drogen genommen wurden, wollten die Anwälte wissen. Ob sie damals an Kai K.s Sohn herangetreten sei und ihm gesagt habe, sie wolle ihm und dem 42-Jährigen etwas antun. Ob sie das Codewort "Blue Moon" genannt habe, um Kai K. beim Sex zu vermitteln, dass sie nicht mehr wolle. Und ob sie sich an jenem Tag "vergewaltigt gefühlt" habe.
Anwalt fährt aus der Haut
Die Befragung wurde hitziger, Richterin Guba unterbrach die Vernehmung mehrfach. Auch Staatsanwältin Melanie Roth erklärte von der Verteidigung gestellte Fragen immer wieder als bereits beantwortet. Für einen Moment verlor Werner die Selbstbeherrschung, ging Guba und Roth mit lauter Stimme an, wetterte in Richtung Staatsanwältin: "Sie labern vor sich hin." Die Richterin bemühte sich daraufhin um Deeskalation.
Die junge Frau im Zeugenstand forderte Anwalt Werner indes auf, sich bei ihren Antworten "etwas mehr Mühe zu geben". Die entgegnete prompt: "Sie haben keine Ahnung, was es bedeutet, hier zu sitzen."

In der Vernehmung ging es auch um eine Online-Erotik-Plattform, auf der die 30-Jährige gemeinsam mit Kai K. einen Paar-Account gehabt haben soll. Mit diesem soll sie sich zum Sex mit anderen Männern verabredet haben. Während sie behauptete, sie habe sich nie ohne Einwirken ihres Ex-Partners mit Männern getroffen, will die Verteidigung mit den Chats beweisen, dass sie gewaltvollen Geschlechtsverkehr gefordert und "keine Grenzen gekannt" habe, wie es mehrere Zeugen aussagten.
Gericht verliest Chats aus Sex-Forum
Im weiteren Verlauf der Verhandlung verlas das Gericht am Donnerstag mehrere Stunden lang die entsprechenden Chats. Darin ging es vor allem um Sex-Treffen mit anderen Usern aus ganz Nordbayern. Wiederholt wurden dabei Vergewaltigungsphantasien ausgetauscht. Wer die Nachrichten verfasst hat - die 30-Jährige selbst oder der Angeklagte -, ist unklar.
Der Prozess wird am Freitag, 24. Mai, fortgesetzt.