Fünf neue Beweisanträge lagen am Ende des 31. Verhandlungstages am Landgericht Schweinfurt auf dem Tisch. Wieder einmal zielte die Verteidigung darauf ab, die Glaubwürdigkeit der 31-Jährigen, die der angeklagte Kai K. vergewaltigt, geschlagen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben soll, zu mindern. Und wieder einmal ging es an diesem Donnerstag um das Telefon der Nebenklägerin, das in dem Verfahren gegen den Kopf der Gemeinschaft "Go&Change" schon mehrfach Thema gewesen war.
Verteidiger Hubertus Werner will Aufklärung darüber, ob die 31-Jährige Audiodateien von ihrem Handy gelöscht hat. Sie soll mithilfe zweier Apps sowohl sich selbst als auch andere bei Gesprächen aufgenommen haben – möglicherweise auch im mutmaßlichen Tatzeitraum im Mai 2023. Werner zufolge soll sie beabsichtigt haben, "Situationen aufzunehmen, in denen sie die Kontrolle über sich selbst verloren hat".
Verteidiger: Handyauswertung durch Polizeibeamten war "hobbymäßig"
Die entsprechenden Audiodateien habe die 31-Jährige danach gelöscht, behauptet der Anwalt. Denn die Aufnahmen würden ihrer Aussage vor Gericht widersprechen und belegen, dass das Codewort "Blue Moon" nie gefallen sei. Die Gemeinschaft benutzt das Kennwort, wenn sich jemand beim Sex unwohl fühlt und die Situation beenden will.

Erneut kritisierte Werner am Donnerstag die Arbeit der Polizei: Der zuständige Polizeibeamte habe das Telefon "hobbymäßig" ausgewertet und nicht nach Aufzeichnungs-Apps gesucht. Er beantragte, eine erneute Auswertung durch "Fachleute" vornehmen zu lassen, die die Löschung der Audiodateien belegen könnten.
Der Polizist soll Werner zufolge der Gemeinschaft "Go&Change" vermittelt haben, er habe "nicht die Absicht, Entlastendes" für Kai K. zu ermitteln. Die Vorsitzende Richterin Claudia Guba bremste den Anwalt aus. Sie hält dies für eine mögliche "Interpretation der Gemeinschaft".
Gutachten zu Text- oder Sprachnachrichten der Nebenklägerin gefordert
Der Verteidiger forderte außerdem, dass das Gericht eine "fallanalytische Kommunikationsanalyse" mit Text- oder Sprachnachrichten der Nebenklägerin in Auftrag gibt. Fachleute des Bundeskriminalamts könnten daraus Rückschlüsse auf die Persönlichkeit ziehen. Werner erwartet von dieser Untersuchung, dass bei der Frau eine "emotional instabile Persönlichkeit" nachgewiesen werde.

Zur "Beurteilung der Glaubwürdigkeit" der Frau sei dies notwendig, sagte Werner. Staatsanwältin Melanie Roth sieht hingegen das Gericht in der Lage, die Glaubwürdigkeit auch ohne dieses forensische Gutachten einschätzen zu können.
Anwalt der Nebenklägerin spricht sich gegen alle Anträge aus
Auch zwei Personen, die die Nebenklägerin unmittelbar nach der mutmaßlichen Tat angerufen haben soll, sollen als weitere Zeugen geladen werden, beantragte der Verteidiger. Und er will, dass die Nebenklägerin ein drittes Mal im Gerichtssaal aussagt. Aus Chatnachrichten zwischen der 31-Jährigen und Kai K., die Werner rund eine Stunde verlesen hatte, würden sich Widersprüche zur bisherigen Beweislage ergeben.
So soll es die Frau gewesen sein, die den Kopf der Gemeinschaft mit Drogen versorgt habe und nicht – wie bisher von Zeuginnen und Zeugen vorgebracht – umgekehrt. Zudem bezeichnet sich die Nebenklägerin in einer Nachricht selbst als "chronische Lügnerin", sie habe eine "Borderline-Störung" bei sich erkannt.

Staatsanwältin Roth sprach sich ausdrücklich gegen den Antrag aus. Auch der Anwalt der Nebenklägerin, Jürgen Zillikens, hält eine erneute Vernehmung seiner Mandantin für "absolut unnötig und nicht zumutbar". Ihm zufolge sollen alle fünf Anträge zurückgewiesen werden. Nun muss die Kammer darüber entscheiden.
Der Prozess wird am 4. November um 9 Uhr fortgesetzt.