Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Stadt Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

Schweinfurt/Aschaffenburg: Grüne machen Schlachthof-Skandale in Unterfranken zum Thema im Landtag: Wurde bei Kontrollen nicht genau hingesehen?

Schweinfurt/Aschaffenburg

Grüne machen Schlachthof-Skandale in Unterfranken zum Thema im Landtag: Wurde bei Kontrollen nicht genau hingesehen?

    • |
    • |
    Nach den Schlachthofskandalen in Aschaffenburg und im Landkreis Miltenberg gibt es Kritik am System der staatlichen Kontrollen (Symbolfoto).
    Nach den Schlachthofskandalen in Aschaffenburg und im Landkreis Miltenberg gibt es Kritik am System der staatlichen Kontrollen (Symbolfoto). Foto: Getty Images

    Die mutmaßlichen Tierschutzverstöße im Schlachthof Aschaffenburg und in einem Betrieb in Hobbach (Lkr. Miltenberg) werden zum Thema im Bayerischen Landtag. Die Grünen stellen gleich drei schriftliche Anfragen, die der Redaktion vorab vorliegen, an die Staatsregierung. Darin stehen mehr als 60 Einzelfragen - unter anderem zum Schlachten von kranken Tieren und zu möglichen Fehlern der zuständigen Kontrollbehörden.

    Co-Initiator der Anfragen ist der Schweinfurter Abgeordnete Paul Knoblach. Er spricht mit Blick auf die Schlachthofskandale in Unterfranken von "Systemversagen" und wirft dem Ministerpräsidenten selbst Versäumnisse vor: "Dass mit Tieren in zu vielen Schlachtbetrieben grausam umgegangen wird und dass dort seit Jahren anhaltend unbeschreibliches Tierleid herrscht", sei die Schuld von Markus Söder (CSU), sagt der Politiker und Biolandwirt. "Die Wurzeln dieser unseligen Kumpanei reichen zurück in die Zeit eines Franz Josef Strauß."

    Kritik von Grünen-Politiker Paul Knoblach: "Wurstsemmelshows" der Staatsregierung

    Alle Verbesserungsvorschläge der Grünen seien "rigoros abgelehnt" worden, kritisiert Knoblach.  "Wann versteht die Ministerriege endlich, dass es um Lebewesen und nicht um Holzscheite geht? Die Verantwortlichen in der Staatsregierung haben nichts verstanden, jede Wurstsemmelshow auf der Bühne ist der Beweis dafür."

    Der Grünen-Abgeordnete Paul Knoblach aus Garstadt (Lkr. Schweinfurt).
    Der Grünen-Abgeordnete Paul Knoblach aus Garstadt (Lkr. Schweinfurt). Foto: Martina Müller

    Ende Juli waren Vorwürfe gegen den Schlachthof Aschaffenburg bekannt geworden. Videoaufnahmen der Tierschutzorganisation "Soko Tierschutz", die aus dem Betrieb stammen sollen, zeigen, wie Mitarbeiter Schweine und Rinder mit Elektroschockern traktieren und offensichtlich noch lebende Tiere auseinandernehmen. Die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) hatte den Betrieb des Schlachthofs daraufhin bis auf Weiteres untersagt.

    Betrieb soll vorab vor Kontrollen gewarnt worden sein

    Eine Amtsveterinärin soll den Schlachthof vor Kontrollen der Behörde gewarnt haben. Die Abläufe bei der Überprüfung seien daraufhin "choreografiert" worden, hieß es nach Bekanntwerden des Skandals im Aschaffenburger Stadtrat. Von einem "perfekten System der Täuschung" war die Rede.

    Auch darauf zielen die Grünen ab. Die Fraktion spricht in ihren Anfragen davon, dass das "Problem der Weitergabe von Informationen durch Mitarbeitende die Kontrolltermine betreffend" schon seit 2016 bekannt sei. Sie bezieht sich dabei auf einen Fall im Schlachthof Landshut vor sieben Jahren.

    Wer für die Kontrollen zuständig ist und wer vorher von den Terminen weiß

    Wie eine Sprecherin des von den Freien Wählern geführten Ministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz erklärt, seien für "Durchführung und Organisation der Kontrollen in den Schlachthöfen" die jeweiligen Kreisverwaltungsbehörden zuständig. Größere Betriebe mit Schlachtzahlen ab 1500 Großvieheinheiten pro Jahr, also etwa 1500 Rinder, kontrolliert die KBLV. "Da sowohl Kreisverwaltungsbehörde als auch KBLV Überwachungsaufgaben in Betrieben erfüllen, erfolgt eine gegenseitige, verwaltungsinterne und vertrauliche Information, um die Durchführung gemeinsamer Kontrollen zu ermöglichen", bestätigt die Ministeriumssprecherin.

    "Die entsprechenden Kontrollen waren und sind grundsätzlich unangekündigt durchzuführen", heißt es aus dem Ministerium weiter. Und: Die "unbefugte Weitergabe von Dienstgeheimnissen an Dritte ist unzulässig". Aber, so die Sprecherin: Eine "hundertprozentige Sicherheit" könne es "nicht geben". Inzwischen wird gegen eine Aschaffenburger Amtsveterinärin wegen des Verdachts des Geheimnisverrats ermittelt, gegen einen der Geschäftsführer des Schlachthofs unter anderem wegen Anstiftung zum Geheimnisverrat.

    Schlachthof Aschaffenburg: Haben die KBLV-Kontrolleure richtig hingeschaut?

    Darüber hinaus stellt sich der Grünen-Politiker Knoblach, der in Garstadt selbst viele Jahre einen Schweinemastbetrieb führte, die Frage, ob die Kontrolleurinnen und Kontrolleure der KBLV bei ihren letzten Besuchen im Schlachthof Aschaffenburg genau hingeschaut haben. Er fordert von Umwelt- und Verbraucherschutzminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) eine gesetzlich verankerte Videoüberwachung in allen bayerischen Schlachthöfen.

    Für den Abgeordneten zeigen Bilder der Organisation "Soko Tierschutz", die den Skandal aufgedeckt hat, dass die Betäubungsbucht für Rinder mangelhaft gewesen sei, es keine funktionierende Kopffixierung gegeben habe und das Bolzenschussgerät völlig ungeeignet gewesen sei. "Das macht fassungslos", sagt Knoblach, "Fachpersonal bei der KBLV hätte das erkennen müssen." Die Mängel an technischen Gerätschaften habe man bei Kontrollen nicht kaschieren können.

    "Aussagen zu Dunkelziffern wären spekulativ und können daher nicht getroffen werden."

    Eine Sprecherin des Verbraucherschutzministeriums

    Vor Bekanntwerden der Missstände war der Betrieb nach Angaben der KBLV zuletzt im April 2023  kontrolliert worden. Es seien "keine schwerwiegenden tierschutzrechtlichen Verstöße" festgestellt worden. Dabei kontrollieren die Behörden laut dem Verbraucherschutzministerium neben der "grundsätzlichen Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorgaben" auch "die baulichen Voraussetzungen" sowie "die für den Tierschutz relevanten Bereiche Anlieferung, Wartestall, Zutrieb zur Betäubung, Ruhigstellung, Betäubung und Entblutung".

    Skandale in Unterfranken: Nur die Spitze des Eisbergs?

    Sind die Vorfälle in den Betrieben in Aschaffenburg und Hobbach also nur die Spitze des Eisbergs? Werden Tierschutzverstöße und technische Mängel übersehen? Laut der KBLV-Jahresstatistik wurden im vergangenen Jahr 309 von bayernweit 385 Unternehmen aus den Bereichen Geflügelbetriebe, Rinderhaltungen, Schweinehaltungen, Schlacht- und Zerlegebetriebe sowie Eierpackstellen vor Ort kontrolliert.

    Die "Zahl der Betriebe mit Verstößen" gibt die KBLV mit 232 an. Dabei wurden 146 Verstöße gegen den Tierschutz gezählt.

    Ob diese hohen Zahlen die ganze Realität wiedergeben, will das Verbraucherschutzministerium nicht bewerten. "Aussagen zu Dunkelziffern wären spekulativ und können daher nicht getroffen werden", so eine Sprecherin auf Nachfrage.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden