Ein glückliches Ego in einem BMI-genormten, wohlgeformten Körper: Heute ist so was keine Gnade der Natur, sondern fast schon ein gesellschaftliches „Muss“. Es ging um zwanghafte Esstörungen, als David Müller, Bassist der Band „Luxuslärm“ und Jana Crämer zur Konzertlesung in die Disharmonie einluden: ein atmosphärisch dichtes, sensibles Verschmelzen virtueller und realer Welten.
Müller tritt hier unter dem Namen „Batomae“ auf, Crämer („meine beste Freundin“) gehört zum Management von „Luxuslärm“. Ihr Roman „Das Mädchen aus der 1. Reihe“ ist stark autobiografisch geprägt. Im Video zum Titelsong „Unvergleichlich“ demonstriert Jana Crämer die Folgen ihrer Krankheit: Den Selbsthass und -überdruss, wenn man im Spiegel sieht, zu was der Heißhunger der Bulimie den eigenen Körper, das eigene Ich verformt. Hardrock und Heavy Metal auf der Waage. Die Versteckspiele und Hassattacken der Anderen, aber auch die Momente, in denen echte Anteilnahme und Mitmenschlichkeit alle Qualen von Leib und Seele besiegen.
Lea heißt die Hauptfigur im Buch, die nach Liebe hungert und buchstäblich ihre Probleme in sich hineinfrisst. Die Pizza erweist sich als mächtiger als als alle „Schlank im Schlaf“- Diäten. Sie ist gewichtig wie der Papa, der an der Flasche hängt und auf dem Sofa Erdnüsse in sich hineinstopft: „Die ganze Wut, die ganze Abscheu, die ich vor mir selber hatte, spiegelte ich zusätzlich auf ihn“, sagt Lea. Einziger Lichtblick sind die Konzertbesuche, zusammen mit der schlanken Freundin Jule. Wo sie Ben anhimmelt, Teenieschwarm und Bandleader.
Wann er zur Gitarre greift, sorgt auch Batomae für die dazugehörige Stimmung – mit Klassikern, von Billy Idol über Justin Bieber bis zu Joe Cocker und Sting. Mit „Fields of Gold“, „You are so beautiful“ oder „Rebel Yell“, Leas Lieblingsstück. Dazu gesellen sich eigene Songs der Band, mit Titeln wie „Endlich Ich“ oder „Lass uns verrückt verloren sein, hier in Reihe 1“. Denn Ben erwidert durchaus die Gefühle der schüchternen Lea, was bald zu Hass und Neid bei den Freundinnen führt.
Was nach der Klischeewelt jugendlicher Emos klingen könnte, entwickelt rasch eine eigene Spannung: in einem Wechselbad der Gefühle, auf dem durchaus harte Ironie schäumt und manche Seifenblase jäh zerplatzt. Auf dem Abiball wird es dramatisch, als das Mobbingopfer erst abgefüllt, dann abgeschleppt wird, bis die Rettung naht, in Form von Ben, dessen Welt auch nicht so heil ist, wie es scheint.
Ein paar Zugeständnisse an den Zeitgeist gibt es doch, wie das Abschlussfoto mit dem Selfie Stick vor nicht ganz vollem Saal. Aber bei „Batomae-Unvergleichlich“ geht es auch gar nicht um Perfektion. Sondern um das Gefühl der Verbundenheit, darum, den Anderen so anzunehmen, wie er ist: auch diesen merkwürdigen, manchmal wirklich einfach nur abscheulichen Fremden da im Spiegel.