Seit rund 20 Jahren liegt eines der ältesten erhaltenen Häuser in Gerolzhofen in einer Art Dornröschenschlaf. Das leerstehende Gebäude am Marktplatz, das im Kern ins späte 15. Jahrhundert zurückreicht, ist gemeinhin als "Betty-Stumpf-Haus" bekannt, benannt nach seiner letzten Bewohnerin. Seit wenigen Wochen gehört es Kerstin und Thomas White. Das Paar aus Sömmersdorf möchte das Haus sanieren. Zwei Wohnungen sollen entstehen und vermietet werden.
Für die 51-jährige Angestellte und den 56-jährigen Vertriebsingenieur eines Schweinfurter Industrieunternehmens ist es ihr erstes Baudenkmal. Einen mittleren fünfstelligen Betrag haben sie dafür eigenen Angaben nach der Stadt Gerolzhofen bezahlt. Diese hatte das Haus in den 2000er-Jahren der katholischen Kirchenstiftung abgekauft, als diese das Haus von Betty Stumpf geerbt hatte und selbst nichts damit anzufangen wusste.

Die neuen Besitzer erwecken nicht den Eindruck, als ob sie das denkmalgeschützte Haus blauäugig gekauft hätten, oder, was bei Baudenkmälern immer wieder vorkommt, als reine Kapitalanlage mit guter Abschreibemöglichkeit. "Wir lieben das Flair des Alten", sagt Kerstin White, der Gerolzhofen mit den Alleen entlang der Stadtmauer und dem Altstadtkern gut gefällt. Ihr Mann stimmt bei und ergänzt: Sie wollten hier ein historisches Haus auf Dauer erhalten, und womöglich für sich selbst einen Altersruhesitz schaffen. "Wir gehen davon aus, dass das klappt."
Bauherr findet Vorbilder in der eigenen Familie
Thomas White hat eine enge familiäre Verbindung zu Gerolzhofen. Seine Eltern leben hier. Er selbst ist hier aufgewachsen. Seine Schwester und ihr Mann haben in den zurückliegenden Jahren ganz in der Nähe des Marktplatzes, in der Weiße-Turm-Straße, ein ebenfalls stadtgeschichtlich bedeutsames Haus saniert, das Anwesen der früheren Glaserei Hümpfner.

Gerade dieses Vorhaben hätten ihn und seine Frau ermutigt, selbst Vergleichbares zu stemmen, sagt Thomas White. "Dort haben wir gesehen: Es geht." Zugleich weiß er: Das Haus muss dringend saniert werden. Erst jüngst wurden weitere Schäden in der Statik festgestellt. Das Dach ist stellenweise undicht.
Mit Thomas Buchholz aus Prichsenstadt haben er und seine Frau einen Architekten an ihrer Seite, der nicht nur die Denkmalsanierung seiner Schwester und seines Schwagers fachlich geleitet hat. Der Architekt hat sich schon vor Jahren mit dem "Betty-Stumpf-Haus" und einer möglichen Nutzung beschäftigt, die die Interessen des Denkmalschutzes und die Ansprüche an modernes Wohnen übereinbringt.
Fachleute sind vom historischen Wert begeistert
Denn genau hier liegt ein Knackpunkt des Vorhabens. Das "Betty-Stumpf-Haus" ist aus Sicht der Denkmalpflege ein Kleinod. Es gilt als eines der zehn wertvollsten erhaltenen Häuser in ganz Nordbayern. "Ein Haus dieses Bautyps, mit einer solch gut erhaltenen Ausstattung, das ist etwas Besonderes", stimmt Jarah Urak bei. Die für den Landkreis Schweinfurt zuständige Referentin des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (LfD) sagt: Landkreisweit – und wohl darüber hinaus – gebe es nichts Vergleichbares.

Allein über die Punkte, die das Herz der Fachleute höher schlagen lässt, ließe sich eine eigene Abhandlung verfassen. Herausgepickt seien zwei Umstände, die das Besondere dieses Hauses auch Laien deutlich macht: Laut Untersuchungen sind vom ursprünglichen, um das Jahr 1489/90 errichteten Bau ein Gewölbekeller und Teile der Erdgeschossmauern erhalten. Und nicht nur das.
Auch manche der im Haus vorhandenen Holzbalken gehen in die Zeit zurück, als Christoph Kolumbus aufbrach, um Amerika und die Neue Welt zu entdecken. Der Grund: Balken wurden hier wiederverwendet, also erneut als Dach- und Fachwerkbalken eingebaut, als das Haus in späterer Zeit mehrfach um- und wiederaufgebaut wurde.
Erhalten haben sich auch große Teile der originalen Ausstattung. Türen im Obergeschoss, inklusive deren Schlösser, stammen beispielsweise aus dem 17. Jahrhundert. Manche Wände sind in den zurückliegenden fast 400 Jahren nur drei- oder viermal mit einem Kalkputz gestrichen worden. Darunter schlummern noch immer die reichhaltigen Wandbemalungen aus der Zeit der Renaissance.

Seit 200 Jahren wurde im Haus kaum etwas verändert
Allein dies ist in Wohnhäusern äußerst selten anzutreffen. Normalerweise werden Häuser – falls sie überhaupt so lange stehen – alle paar Jahrzehnte umgebaut und massiv verändert. Wände verschwinden, Decken werden erneuert. Nicht so im "Betty-Stumpf-Haus". Dort wurde ab dem 19. Jahrhundert fast nichts verändert. So befinden sich darin bis heute auch keine Toiletten und Bäder.

Der Erhalt des Überlieferten, der Ausstattung aus vergangenen Epochen stehe für das LfD "an erster Stelle", sagt Urak. Dies bedeute jedoch nicht, dass künftige Bewohnerinnen und Bewohner in einer Art Heimatmuseum leben müssten. Der Bestand werde etwa auch dann erhalten, wenn historischer Wandschmuck unter frischem Putz konserviert ist, bestätigt Urak.
Dennoch sei es wünschenswert, an geeigneten Stellen "Zeitfenster" zu schaffen, quasi Gucklöcher, die die noch vorhandenen alten Elemente sichtbar machen. Dies biete sich in diesem Fall laut Urak bei den alten Türen und Türstöcken an, die aufbereitet werden und an Ort und Stelle weiter ihren Dienst versehen könnten.

Kompromiss ermöglicht modernen Standard im Gemäuer
In genau diese Richtung gehen die Pläne von Kerstin und Thomas White und ihres Architekten. Um die vorgesehenen Wohnungen – eine mit circa 110 Quadratmetern im Erdgeschoss und eine mit 120 Quadratmetern im Obergeschoss – zu verwirklichen, müssten die Grundrisse der vorhandenen Zimmer nur marginal verändert werden, sagen die Besitzer. Das Dachgeschoss werde nicht ausgebaut.

Der Kompromiss mit der Moderne sieht beispielsweise so aus, dass die Außenwände eine Innendämmung erhalten. Auch alte Bodenfliesen sollen ausgebaut und auf einem gedämmten Betonboden neu verlegt werden. Vorhandene neuzeitliche Fenster werden ersetzt, die historisch wertvollen Fenster dagegen saniert und weiterverwendet. Darunter befindet sich auch ein altes Schiebefenster. Den zurückhaltenden Eingriff in die Bausubstanz begrüßt die LfD-Vertreterin. Das vorliegende Konzept der Bauherren gefällt ihr.

Unter diesen Voraussetzungen bestehen gute Aussichten, die Sanierung mit Geld aus dem sogenannten Entschädigungsfonds der Denkmalpflege zu fördern. Urak schätzt, dass die zuständigen Gremien frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2025 über das Projekt in Gerolzhofen entscheiden werden.

Kerstin und Thomas White hoffen, dass sie insgesamt die Hälfte ihrer erwarteten Baukosten von 1,6 Millionen Euro über Zuschüsse, auch solche der Städtebauförderung, ersetzt bekommen.