Schnell mehr bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen, ist angesichts des hohen Bedarfs ein Anliegen der Politik. Ein Mittel dazu ist der Paragraph 13b Baugesetzbuch, der ein beschleunigtes Verfahren für Wohnungsbau am Ortsrand vorsieht. Jetzt aber hat das Bundesverwaltungsgericht diesen Paragraphen als unvereinbar mit EU-Recht beurteilt. Was in zahlreichen Gemeinden im Landkreis Schweinfurt für Unmut und Ratlosigkeit sorgt.
Gemeinderatssitzung Wasserlosen, die erste nach der Sommerpause: Eigentlich wollte an diesem Abend das Gremium die Satzung für den Bebauungsplan "Burghausen Nord" beschließen, erläutert Bürgermeister Anton Gößmann. Drei neue Bauplätze soll es am Rand des Gemeindeteils geben, seit 2021 läuft bereits das Planungsverfahren. "Wir sind schon in der vierten Runde mit der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange".
Jetzt wird es noch länger dauern, bis endlich gebaut werden kann. Denn das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 18. Juli hat das Vorhaben erst einmal gestoppt.
Was ist der Paragraph 13b?
Der Paragraf 13b Absatz 1 hat es Städten und Gemeinden ermöglicht, Flächen von bis zu 10.000 Quadratmetern (ein Hektar) angrenzend an eine Siedlung für den Wohnungsbau in einem beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfung und ohne Ausgleichsmaßnahmen zu überplanen. Was Zeit und Kosten spart. Paragraph 13b wurde 2017 zunächst befristet bis Ende 2019 eingeführt und dann mit dem Baulandmobilisierungsgesetz der Ampel-Regierung 2021 verlängert. Verfahren konnten bis Ende 2022 eingeleitet und sollten bis Ende 2024 abgeschlossen werden.
Welche Gemeinden im Landkreis Schweinfurt sind betroffen?
Nach Auskunft des Landratsamts Schweinfurt wurden Bebauungspläne nach Paragraph 13b Baugesetzbuch in 21 Gemeinden aufgestellt oder befinden sich noch im Verfahren: Sulzheim, Stadtlauringen, Wasserlosen, Dingolshausen, Donnersdorf, Werneck, Euerbach, Schonungen, Frankenwinheim, Geldersheim, Grafenrheinfeld, Grettstadt, Poppenhausen, Heidenfeld, Kolitzheim, Michelau, Niederwerrn, Gerolzhofen, Üchtelhausen, Waigolshausen und Wipfeld.
Wie urteilt nun das Bundesverwaltungsgericht?
Die Umweltvereinigung BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) hatte im Weg der Normenkontrolle gegen den beschleunigten Bebauungsplan der Gemeinde Gaiberg in Baden-Württemberg geklagt. Zunächst war der Antrag vom Verwaltungsgerichtshof in Mannheim abgewiesen worden. Das Bundesverwaltungsgericht aber hob das Urteil auf und erklärte den Bebauungsplan für unwirksam. Denn Paragraph 13b sei nicht mit der von der EU vorgeschriebenen Strategischen Umweltprüfung (SUP) vereinbar. Diese müsse für alle Pläne, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, erstellt werden.
Eine typisierende Betrachtung oder eine Pauschalierung reichen demnach nicht aus. Dass im Laufe des Bebauungsplanverfahrens die Träger öffentlicher Belange, die Behörden und Organisationen, auch im Bereich Natur- und Umweltschutz beteiligt wurden, zählt ebenfalls nicht.
Sind auch bereits abgeschlossene Bebauungspläne betroffen?
Noch steht die schriftliche Urteilsbegründung aus, sagte Wasserlosens Bürgermeister Gößmann; sie soll bis Anfang Oktober vorliegen. Dann will das Bundesbauministerium den Kommunen Handlungsempfehlungen geben. Informiert wurden die Landkreisgemeinden über den aktuellen Sachstand bereits durch ein Rundschreiben des Bayerischen Bauministeriums, teilt das Landratsamt mit.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betrifft neben laufenden Bebauungsplanverfahren auch bereits abgeschlossene. In der Gemeinde Wasserlosen wurden nach Paragraph 13b bereits in Greßthal und in Brebersdorf zwei Baugebiete geplant. Allerdings ist dort die einjährige "Rügefrist" gegen den Bebauungsplan wohl schon vorbei, so Gößmann.
Ist die Umweltprüfung nur nachzuholen?
Wie es nun weitergeht, weiß man auch in der Gemeinde Poppenhausen nicht genau. Dort wurde im Gemeindeteil Hain für eine Ortsabrundung mit drei Bauplätzen ein Bebauungsplan "Krumbachweg" nach 13b erstellt. "Weil dort auch bereits die Anschlüsse der Versorgungsleitungen liegen", wie Bürgermeister Ludwig Nätscher erklärt. "Die Leute warten auf die Bauplätze." Für den Bebauungsplan ist der Satzungsbeschluss vom Gemeinderat bereits gefasst, "aber noch nicht veröffentlicht", informiert Bauamtsleiterin Katharina Wirsching.
Unklar ist derzeit noch, ob die Umweltprüfung nur nachgeholt und der Bebauungsplan dann "geheilt" werden kann, sagt sie. Oder ob das komplette Verfahren nachgeholt werden muss. Wenn das der Fall wäre, also mit dem Aufstellungsbeschluss begonnen werden müsste, brauche dies mindestens sechs Monate bis ein Jahr, schätzt die Bauamtsleiterin.
Die Dauer und die Kosten einer Umweltprüfung kann sie gar nicht abschätzen: "Dafür braucht man spezielle Planungsbüros, die aktuell nicht gerade auf Aufträge warten", meint sie.
Wie sehen die Bürgermeister das Urteil?
Für Bürgermeister Nätscher ist die aktuelle Hängepartie schwierig: "Wenn man als Bürgermeister agieren muss und an der Basis ist, dann verlässt man sich auf die Rechtslage", sagt er. Die aktuelle Situation aber "bringt einen ins Schleudern".
Noch deutlicher wird seine Amtskollegin in Euerbach. "Wir gestalten nicht mehr, wir verwalten nur noch", ärgert sich Bürgermeisterin Simone Seufert. Ihr Gemeinderat plant sowohl in Euerbach "Am Steigholz" als auch in Sömmersdorf "Am Weihergraben II" neue Bauplätze auszuweisen, für die drängende Nachfrage aus der eigenen Gemeinde.
"Es geht nur noch darum, alles rechtssicher zu machen," sagt Seufert seufzend. Aber auf diese Weise werde Bauland noch teurer gemacht.