Seit einiger Zeit stehen die Telefone in den Hausarztpraxen in Gerolzhofen nicht mehr still. Nicht nur, weil Patientinnen und Patienten einen Termin vereinbaren wollen. Immer häufiger möchten die Menschen am Hörer wissen, ob sie künftig dort behandelt werden können. Vor drei Wochen hatte Dr. Werner Weigand (69) auf Anfrage dieser Redaktion mitgeteilt, dass er seine Hausarztpraxis nach 30 Jahren Ende September aus Altersgründen aufgibt, weil er keinen Nachfolger gefunden hat.
Es herrscht aktuelle eine große Verunsicherung bei vielen seiner rund 1000 verbliebenen Patientinnen und Patienten, die sich fragen: Wie geht es jetzt weiter? In welcher Praxis werde ich künftig medizinisch versorgt und bekomme ich überhaupt einen Hausarzt in der Nähe, der mich behandelt?
Pausenlos Anfragen von verzweifelten Patienten
"Wir haben ständig Anfragen dazu", berichtet Dr. Susanne Schmitt vom Ärztezentrum. Auch Hausarzt Dr. Holger Herrmann erhält reichlich Anrufe besorgter Menschen, ebenso Dr. Heidi Kempf, die eine weitere Hausarztpraxis führt. Besonders seit der Veröffentlichung der Praxisaufgabe registriert Dr. Kempf eine gewaltige Zunahme der Anfragen, von teilweise "verzweifelten Patienten, die auf der Suche nach einer neuen hausärztlichen Anlaufstelle sind." Eigentlich, das weiß auch Schmitts Kollege Holger Blum vom Ärztezentrum, könne man schon aus ethischen Gründen niemanden ablehnen.
Die Allgemeinmediziner in Gerolzhofen wissen allerdings auch: Die personellen Kapazitäten für die Behandlung zusätzlicher Patienten sind in ihren Praxen begrenzt, sie reichen bei weitem nicht aus für einen derartigen Ansturm im vierstelligen Bereich. Schon allein die "Flut der täglichen Anfragen" sei kaum zu bewältigen, so Dr. Kempf.

Ärztezentrum appelliert: Bis zuletzt bei Dr. Werner Weigand bleiben!
Jetzt aber gibt es einen Hoffnungsschimmer für alle 1000 Betroffenen. Das Ärztezentrum in der Schwarzenbergstraße wird demnächst sein Personal aufstocken. Darüber haben die Mediziner diese Redaktion informiert. "Wir haben Kapazitäten und können die Patienten aufnehmen, wenn Dr. Werner Weigand aufhört", teilt Dr. Susanne Schmitt zusammen mit Dr. Tobias Weigand und Holger Blum in einem Gespräch mit. Die drei Mediziner leiten gemeinsam das Ärztezentrum.
Bei aller Verunsicherung und Ungeduld bittet das Ärztezentrum alle Interessenten um eines: Solange Dr. Werner Weigand seine Hausarztpraxis noch geöffnet hat, sollen sie sich bei ihm behandeln lassen. Ab Oktober können Patientinnen und Patienten aus dessen Praxis, die es wünschen, dann ins Ärztezentrum wechseln. "Bitte kommen Sie nicht sofort, sondern bleiben Sie bitte bis zuletzt bei Dr. Werner Weigand", lautet der eindringliche Appell.
Alle Interessenten, betont Dr. Tobias Weigand, seien zwar herzlich willkommen, allerdings erst ab Herbst, wenn zusätzliches Personal im Ärztezentrum vorhanden ist. Selbstverständlich aber könne man sich bis dahin in die Patientenkartei aufnehmen lassen.

Im Herbst drei Neuzugänge im Ärztezentrum
Auslöser für die Aufstockung des Personals ist eine "glückliche Fügung", wie es Dr. Tobias Weigand, der weder verwandt noch verschwägert mit Dr. Werner Weigand ist, formuliert. In den vergangenen Wochen haben sich drei Ärztinnen beworben. Und alle drei wollen im Herbst ihre Stelle antreten.
Damit wird das Team, zu dem auch Fachärztin Astrid Sauer gehört, von vier auf sieben Mediziner anwachsen. Genug, um notfalls viele oder sogar alle 1000 verbliebenen Patienten von Dr. Werner Weigand ab Oktober mitversorgen zu können – zusätzlich zu den eigenen über 4000. "Jetzt aber wäre das nicht zu stemmen", so Dr. Weigand.

Die künftigen Neuzugänge Günay Muradova und Maja Vukobrat kennen die Praxis bereits und kehren nach Gerolzhofen zurück, um ihre Facharzt-Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin abzuschließen. Muradova wird ihre Prüfung im September ablegen und danach als Fachärztin für Allgemeinmedizin arbeiten. Als Dritte im Bunde kommt Ina Feuerbach im Herbst. Die Unterspiesheimerin wird sich nach ihrer Elternzeit ebenfalls zur Allgemeinmedizin-Fachärztin weiterbilden.
Zusätzlich will das Ärztezentrum sein medizinisches Fachpersonal aufstocken, das derzeit aus 13 Mitarbeitenden besteht. Im September werden außerdem zwei von ihnen ihre Weiterbildung zur "Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis" (VERAH) abschließen, sodass künftig vier derartig qualifizierte Kolleginnen im Team die Mediziner unterstützen können.
Dr. Heidi Kempf: Nicht drängeln und alle paar Tage nachfragen!
Dr. Tobias Weigand ist aus diesen Gründen zuversichtlich, obwohl er eine immense Kraftanstrengung auf sein Team zukommen sieht. Mit der Verstärkung könnten neue Patientinnen und Patienten mitversorgt werden. Aber eben nur unter der Bedingung, dass nicht alle Interessenten sich jetzt schon, sondern erst ab Oktober im Ärztezentrum behandeln lassen. "Das ist unsere wichtigste Bitte an alle verunsicherten Patienten", betont Dr. Weigand.
Nur im begrenzten Umfang werden die beiden anderen Hausarztpraxen in der Stadt weitere Patienten aufnehmen können. Man habe reichlich zu tun und nur geringe freie Kapazitäten, sagt Dr. Holger Herrmann auf Anfrage. Ebenso ergeht es Dr. Heidi Kempf. Beide nehmen zunächst vorrangig Angehörige ihrer Stammpatienten auf, teils sogar nur im Verwandtschaftsverhältnis ersten Grades (Praxis Kempf).
Eines ist der Allgemeinmedizinerin besonders wichtig: Sie bittet die Suchenden darum, nicht "alle paar Tage nachzufragen", weil es ihr Team von der Arbeit abhalte. Dr. Kempf verweist nochmals darauf, dass der scheidende Hausarzt Dr. Weigand seine Patienten bis Ende September versorgt.
Und selbst ab 1. Oktober sollten die verbliebenen Praxen nicht "gestürmt" werden. Wer einen medizinischen Grund habe, könne sich dann gerne um einen Termin bemühen. Man werde alles tun, um dem Versorgungsauftrag gerecht zu werden, so Dr. Heidi Kempf. "Also bitte nicht drängeln - das wäre in der angespannten Situation absolut kontraproduktiv."