Am Ende, nach dem Tod, steht die Hymne auf das Leben. „Gracias á la vida“, das Lied von Violetta Parra, das bei uns durch Joan Baez bekannt wurde, löst die beklemmende Spannung. Isabel Allende hat sich von ihrem sterbenden Kind verabschiedet und es dabei neu gewonnen, für die Ewigkeit. „Leb wohl Paula, meine Tochter. Sei gegrüßt, Paula Geist“, das ist ihr letzter Satz nach dem „Ave Maria“.
Monatelang hat die berühmte Autorin („Das Geisterhaus“) endlose Stunden am Krankenbett ihrer im Koma liegenden Tochter verbracht und ihr dabei einen Brief geschrieben, in dem sie ihr Bangen, ihr Hoffen, ihre Verzweiflung festhält und gleichzeitig die Geschichte ihrer Familie nacherzählt. Dieser Brief war nie für die Veröffentlichung vorgesehen und ist deshalb von einer ungeheueren Intensität und ungeschützten Offenheit. Inzwischen gibt es ihn als Buch („Paula“), das in der deutschsprachigen Ausgabe seltsamerweise als Roman vorgestellt wird.
Sophie von Kessel liest daraus im Theater der Stadt Schweinfurt ein Dutzend Passagen, begleitet von Ruth Kirchner (Gesang) und Bernd Lhotzky (Klavier) mit südamerikanischen Liedern eines Astor Piazzolla oder Ernesto Nazareth. Sie kommentieren die Lesung, greifen die Stimmung auf, verstärken die Emotionen und nehmen sie auch wieder zurück. Sophie von Kessel, schwarzer Hosenanzug, rote Bluse, streng zum Pferdeschwanz gebundenes Haar, sitzt an einem einfachen Tisch, wirkt ein wenig müde, manchmal etwas abwesend und ist dann doch sehr präsent. Ihre Stimme ist klar, greift die Gefühle der Briefautorin, ihre wechselnden Stimmungen auf, gleitet jedoch nie ins allzu Pathetische ab.
Es beginnt mit der Familiengeschichte. Mit der Mutter, die mit einem Diplomaten verheiratet war, der das Leben sehr leicht, die Familie nicht so wichtig nahm. Am Ende der Passage spricht Allende die Tochter direkt an, kommt auf die Krankheit, das Leid zu sprechen. Das Prinzip wiederholt sich immer wieder. Isabels Kindheit in Santiago, die erste Liebe, die Geburt der beiden Kinder, der Putsch gegen Salvador Allende, den Onkel, mit denen die Chilenen und die demokratische Linke weltweit so große Hoffnungen verbanden. 17 Jahre im Exil in Venezuela, die ersten drei Bücher.
Obwohl das Ende bekannt ist, hält sich ein starker Spannungsbogen, dem das Schweinfurter Schauspielpublikum gebannt folgt. Das löst sich erst zum Schluss im begeisterten Applaus – für eine großartige Schauspielerin und zwei kongeniale Musiker.