Nach nur drei Jahren als Leiter der Hofkapelle verlässt GMD Hans Urbanek (61) Meiningen. Die kurze Zeit des gebürtigen Wieners am Südthüringischen Staatstheater war eine Zeit der Konsolidierung des Orchesters und der Balance zwischen Tradition und Aufbruch. Die Erfolge des Musiktheaters mit der „Elektra“- und der „Parsifal“-Inszenierung stehen dabei an erster Stelle.
Frage: Sie ziehen sich nicht in den Ruhestand zurück, oder?
Hans Urbanek: Ich will Ihnen sagen, dass mich zu diesem Schritt auch die Dichte der Aufgaben bewegt hat. Also, in Meiningen müssen Sie als GMD, meiner Meinung nach, wirklich Ihre ganze Zeit diesem Haus widmen können. Das heißt, von Montag, 9 Uhr früh, von der Direktionssitzung, bis zur Vorstellung am Sonntagabend.
Es gibt ja Dirigenten, die sich wundersam verdoppeln können.
Urbanek: Je größer das Opernhaus ist, umso leichter ist das. Wenn ich dort Chefdirigent bin, hab ich ganze Abteilungen für Dramaturgie, ich hab ein Orchesterbüro – es wird mir vieles abgenommen. Hier, in Meiningen, ist die personelle Ausstattung doch sehr überschaubar, sodass ich mich auch noch zusätzlich um viele Dinge kümmere – und ich kümmere mich gern darum, aber es ist sehr zeitaufwendig.
Ihre größte Herausforderung in Meiningen?
Urbanek: Es gibt in Meiningen eine ungeheure Tradition, es gibt eine Vergangenheit, aber mir war unheimlich wichtig, dass man eine Gegenwart lebt, kreiert und ausfüllt. Und es ist mir ein sehr großes Anliegen zu sagen, dass die Zusammenarbeit mit Ansgar Haag, mit Klaus Rak als Operndirektor und Planer und mit Verwaltungsdirektorin Regina Schwabe von Anfang an eine hervorragende war. Wir haben uns gut verstanden, wir haben unsere Argumente und unsere Ideen respektiert und durchgesetzt.
Und wie kamen Sie mit den gemeinhin als eigensinnig geltenden Orchestermusikern zurecht?
Urbanek: Also, die Zusammenarbeit mit der Meininger Hofkapelle war die ganze Zeit eine wahnsinnig erfreuliche – auf der musikalischen Ebene, auf der menschlichen, auf der Ebene der Zusammenarbeit mit dem Orchestervorstand und dem Orchesterbüro. Alles Problematische wurde gemeinsam gelöst.
Ist Ihnen hier auch etwas sauer aufgestoßen?
Urbanek: Traurig stimmt mich natürlich die Situation in Eisenach. Das ist eine kulturpolitische Katastrophe. Und ich bewundere den Mut unseres Intendanten, der immer noch hofft, das beleben zu können. Ich sehe im musikalischen Bereich – und ich will ausschließlich darüber reden – keine Chancen, absolut keine Chancen.
Keine Chancen wofür?
Urbanek: Musikkultur für diese Stadt zu verwirklichen, für die Geburtsstadt Bachs! Es ist ein Selbstschuss gewesen, das Orchester derartig zu amputieren.
Ganz ehrlich: Sind Kritiken für Sie wichtig?
Urbanek: Es wäre verlogen zu sagen, dass sie mich nicht interessieren. Ich will da zwei Dinge eitel in die Diskussion werfen: Natürlich war es uns allen eine große Freude und eine große Ehre, als unsere „Elektra“ unter die letzten Drei für den FAUST-Preis kam. Und es ist schon etwas, wenn unser „Parsifal“ in der Kritikerumfrage der „Opernwelt“ zweimal genannt wird. Wo also 50 Kritiker sehr, sehr viele Aufführungen gesehen haben. Und darunter ist „Tristan und Isolde“ an der MET und irgendeine unbekannte Händeloper in einem kleinen Theater. Jetzt kann man sagen: „Ja, wenn Herr Barenboim an der MET für ,Tristan und Isolde' gelobt wird, ist es toll, aber an der MET muss es ja auch toll sein. Und wenn man für eine unbekannte Oper, wo die Vergleichsmöglichkeiten fehlen, gelobt wird, ist es auch schön. Aber wenn Sie für „Parsifal“ in Meiningen gelobt werden – das hat mich schon sehr gefreut.
Die Ehe auf Zeit zwischen Ihnen und der Meininger Hofkapelle geht also nach drei Jahren zu Ende, weil . . . ?
Urbanek: Ehe auf Zeit – dazu will ich Ihnen sagen: Meine Frau arbeitet in der Schweiz, und zwischen der Schweiz und Meiningen sind 600 Kilometer. Ich fand es ehrlich zu sagen: Das waren drei wunderbare Jahre für mich. Und die Frage, ob‘s noch drei Jahre sein sollten, die konnte ich für mich nicht mit einem Ja beantworten. Ich muss ja meine Lebenszeit in irgendeiner Form kalkulieren. Ich sag Ihnen ein Beispiel: Ich hab über den Entschluss, wegzugehen, erst den Intendanten informiert und dann, nach der Parsifalpremiere, das Orchester. Und hab den Satz gesagt: „Ich werde nur die nächste Spielzeit noch da bleiben, weil ich dann aufhöre zu dirigieren.“ Und als dieser Satz gesagt war, hab ich mir gedacht: „Halt, Moment!“ (lacht)
Haben Sie diesen Satz in der Öffentlichkeit korrigiert oder nur für sich?
Urbanek: Für mich. Schauen Sie, angenommen, es käme ein Angebot aus Sidney, ich könnte dort im Frühjahr „Hänsel und Gretel“ einstudieren – natürlich würde ich dorthin fahren.
Letzte Frage: Sind Musiker bessere Menschen?
Urbanek: Nein, absolut nicht, aber es gibt viele, die ich wahnsinnig gerne getroffen hätte. Ich hätte gern mit Mozart Billard gespielt und mich mit Verdi über seine Werke unterhalten. Mit Wagner, glaube ich, hätte ich mich nicht gerne unterhalten, so sehr ich seine Musik schätze.
Hans Urbanek wird am Sonntag, 27. Juni, noch einmal Wagners „Tannhäuser“ am Originalschauplatz dirigieren, auf der Eisenacher Wartburg. Beginn 18 Uhr. Weitere Informationen über 03696-451 222. www.das-meininger-theater.de