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Schweinfurt: "Ich schäme mich zutiefst": Schweinfurter Orthopäde gesteht vor Gericht, Frauen heimlich gefilmt zu haben

Schweinfurt

"Ich schäme mich zutiefst": Schweinfurter Orthopäde gesteht vor Gericht, Frauen heimlich gefilmt zu haben

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    Ein Orthopäde muss sich vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten. Er soll sexuelle Handlungen an Patientinnen vorgenommen und von ihnen und seinen Mitarbeiterinnen unbefugt intime Bildaufnahmen angefertigt haben.
    Ein Orthopäde muss sich vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten. Er soll sexuelle Handlungen an Patientinnen vorgenommen und von ihnen und seinen Mitarbeiterinnen unbefugt intime Bildaufnahmen angefertigt haben. Foto: Daniel Löb, dpa

    Die Szene auf dem Weihnachtsmarkt ist ein Schlüsselerlebnis für die junge Frau. Für sie war die Bewegung, die ihr Chef machte, als man sich locker und heiter offenbar über Hunde unterhielt, nicht nachvollziehbar. Seine Hand habe ihre linke Brust berührt, erzählt die 28-Jährige vor Gericht, "und das war keine streifende Bewegung". Auch ihre Kolleginnen hätten den Vorfall gesehen. Entschuldigt habe er sich nicht und auch sonst nicht darauf reagiert, was gerade passiert sei.

    Sechs Jahre später sitzt ihr ehemaliger Chef, ein Orthopäde, vor dem Landgericht Schweinfurt. Geht es nach der Staatsanwaltschaft, ist der Vorfall auf dem Weihnachtsmarkt im Winter 2017 nämlich nicht der einzige Übergriff des 59-Jährigen. In der Anklageschrift ist die Rede von acht Frauen und einem Tatzeitraum von 2017 bis 2020. Der Vorwurf: Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, sexuelle Belästigung.

    Mitarbeiterinnen berichten von unangemessenen Kommentaren

    Der Arzt trägt zunächst einen Kapuzenpullover, eine Maske und eine Sonnenbrille. Erst als die Verhandlung beginnt, setzt er schließlich auch die Maske ab, lässt die letzte Hülle fallen, die seine Identität verstecken sollte. Dass er sich hier vor Gericht verantworten muss, ist dem 59-Jährigen sichtbar unangenehm. Der Orthopäde darf zwar weiter praktizieren, allerdings vorläufig keine Frauen behandeln.

    Gemerkt hatte von den mutmaßlichen Vorfällen lange Zeit niemand etwas. Seine ehemaligen Mitarbeiterinnen berichten vor Gericht zunächst von einem "normalen Arbeitsverhältnis" in der Praxis, es habe Spaß gemacht, dort zu arbeiten. Aber sie erzählen auch davon, dass der Chef immer viel Privates über sie wissen wollte. Und von unangemessenen Kommentaren seinerseits über Patientinnen. Von ständigen Blicken aufs Dekolleté bei Frauen; wie er Patientinnen "angeglotzt" habe.

    Orthopäde soll Helferinnen von Behandlungen ausgeschlossen haben

    Und sie berichten, dass er ihnen selbst unangenehm nah gekommen sei. Auch um Behandlungen der Patientinnen nach den Sprechstunden geht es. Behandlungen, bei denen die Helferinnen ausdrücklich nicht in den Behandlungsraum kommen sollten. Ein nicht übliches Angebot, wie eine der Mitarbeiterinnen berichtet. Man habe sich unter den Kolleginnen schon darüber gewundert. Einmal habe ihr Chef ihr angeboten, dass sie seine Badewanne benutzen könne, wenn sie mal wieder baden wollen würde, berichtet eine andere und sagt: "Völlig unangemessen."

    "Ich war schockiert. Das hätte ich nicht gedacht."

    Ehemalige Mitarbeiterin des Arztes

    Dass ihr Chef auf der Personaltoilette eine Kamera installiert und sie beim Toilettengang gefilmt haben soll, erfahren die Frauen im Sommer 2020 von der Kriminalpolizei. Die Beamten zeigten ihnen Bilder, eine Kosmetiktasche, eine Uhr, einen Schal. Und die Frauen erkannten sich und ihre Gegenstände, heimlich gefilmt auf der Personaltoilette. "Ich war schockiert. Das hätte ich nicht gedacht", sagt eine von ihnen. Als die Kammer die Videos auf der großen Leinwand abspielt, dreht sich der Angeklagte mit seinem Stuhl weg. Er will das offenbar nicht sehen.

    Täter-Opfer-Ausgleich könnte in der Urteilsfindung eine Rolle spielen

    In der Anklageschrift geht es auch um Behandlungen bei Patientinnen, die immer nach dem gleichen Muster abgelaufen sein sollen: Die Frauen sollten sich obenrum ausziehen, auf die Behandlungsliege setzen oder legen. Der Arzt habe dann vorgegeben, einen wichtigen Anruf entgegennehmen zu müssen. Tatsächlich soll er aber dann Fotos und Videos der Frauen aufgenommen haben. 

    Der 59-Jährige räumt vor Gericht ein, die Frauen heimlich fotografiert oder gefilmt zu haben. "Ich schäme mich zutiefst und entschuldige mich ausdrücklich dafür", lässt er gleich zu Beginn von seinem Verteidiger verlesen und wiederholt diese Worte auch später noch einmal gegenüber einer Patientin. Zu den anderen Vorwürfen macht er zu dem Zeitpunkt keine Angaben. 

    Er habe sich um Schadensbegrenzung bemüht, sagt sein Verteidiger. Was er damit meint: Es habe einen Täter-Opfer-Ausgleich zwischen ihm und zwei seiner ehemaligen Mitarbeiterinnen gegeben. Es handelt sich dabei um eine Art der außergerichtlichen Konfliktbewältigung. Die Geschädigten der Straftat erhalten einen finanziellen Ausgleich, für den mutmaßlichen Täter dürfte sich dieses Nachtat-Verhalten positiv in der Strafzumessung auswirken. Damit sei das Thema für sie "erledigt", sagt eine der Frauen.

    Die Verhandlung wird am Dienstag fortgesetzt. Dann sollen weitere Frauen und ein medizinischer Gutachter zu Wort kommen.

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