31 Neuinfektionen meldet das Robert-Koch-Institut alleine am Freitag für die Stadt Schweinfurt. Auch deshalb setzt sich die Entwicklung der vergangenen Tage fort und lässt die Sieben-Tage-Inzidenz auf 142,3 steigen. Dadurch kehrt die Stadt ab Samstag in den Lockdown zurück. Doch nicht nur die Schließung vieler Geschäfte, die Kontaktbeschränkung und die nächtliche Ausgangssperre sorgen nun für kontroverse Diskussionen. Vielen Bürgern stellt sich die Frage: Was steckt hinter dem aktuell rasanten Anstieg der Corona-Zahlen?

Oberbürgermeister Sebastian Remelé hatte bereits zu Beginn der Woche mitgeteilt, dass man sich den zunächst rapiden Abfall und nun den rasanten Anstieg der Inzidenzwerte nicht erklären könne. Auch Ordnungsreferent Jan von Lackum betonte, dass die Kontaktnachverfolgung bei Infizierten zu keiner klaren Antwort führe. Dies liege jedoch nicht etwa an Personalmangel im Gesundheitsamt. Vielmehr würden die Getesteten selbst oftmals ihre Kontakte nicht mehr offenbaren. Auch aus Angst vor Konsequenzen wie Quarantäne. Man gehe dennoch davon aus, dass das Infektionsgeschehen vor allem auf private Treffen und die Nichteinhaltung der Hygienevorgaben zurückzuführen ist. Problematisch seien auch "Grüppchenbildungen" in der Öffentlichkeit.
Eine aktuelle Nachfrage bei der Stadt Schweinfurt ergab, dass man weiterhin von einem "diffusen Infektionsgeschehen" spreche, vor allem im häuslichen Bereich. Es gebe keinen Ausbruchsherd, insbesondere sei auch kein Pflegeheim betroffen, teilte Pressesprecherin Kristina Dietz mit.
Schöll zu neuem Lockdown: "Das verstehe ich einfach nicht"
Besonders betroffen von den hohen Inzidenzwerten ist ab Samstag der Einzelhandel. Bis auf "Läden des täglichen Bedarfs", zu denen nun auch Buchläden, Gärtnereien, Blumenläden, Baumschulen sowie Bau- und Gartenmärkte gezählt werden, muss der Einzelhandel wieder schließen. Der Kreisvorsitzende des bayerischen Handelsverbands, Axel Schöll, freut sich zwar für jeden, der weiterhin sein Geschäft öffnen darf. Warum der übrige Handel, etwa im Bereich der Leder- und Textilwaren aber zumachen muss, "das verstehe ich einfach nicht". Erneut wünscht er sich Gleichbehandlung, entweder alle oder keiner.
"Höhere Testzahlen an sich können natürlich auch mitursächlich für einen Anstieg der Inzidenzwerte sein, aber nur kurzfristig."
Kristina Dietz, Pressesprecherin der Stadt Schweinfurt
Zwar weiß auch Schöll, dass die neuen Einschränkungen für den Einzelhandel auf Verordnungen des Freistaats zurückgehen. "Trotzdem müsste sich Schweinfurt als Kommune endlich mal bewegen." So könnte die Stadt etwa Sondergenehmigungen für Geschäfte erlassen, die Ware mit besonderem Interesse anbieten. Ein Antrag eines Schweinfurter Kollegen, der eine Genehmigung für "Click&Collect" beantragte, da das Anprobieren von Schulranzen einen wichtigen Bedarf decke, sei von der Stadt abgelehnt worden. Auch Schöll selbst hat einen Antrag gestellt, der bislang noch unbeantwortet sei.
Ist die Sieben-Tage-Inzidenz der richtige Maßstab?
In einem Brief forderte Schöll zudem den Oberbürgermeister dazu auf, dem Beispiel Rosenheim zu folgen. Die Stadt habe bei der Regierung von Oberbayern beantragt, den Grenzwert von 100 auf 130 zu verschieben, um damit unter anderem dem Einzelhandel eine Erleichterung zu verschaffen. Auch wenn man dort scheiterte, habe man zumindest ein Signal gesetzt, so Schöll.

Zum aktuellen Inzidenzwert äußerte sich Schöll ebenso: "Irgendetwas stimmt da doch nicht, solch eklatante Amplituden nach oben oder nach unten beobachte ich sonst nirgendwo", sagt der Kreisvorsitzende und fordert von Stadt und Landratsamt entschiedeneres Handeln. Außerdem, so Schöll, sei der Inzidenzwert nicht mehr der angebrachte Maßstab, um über Lockerungen oder Verschärfungen zu entscheiden. "Wenn jetzt mehr Leute getestet werden, dann werden natürlich auch mehr Leute positiv getestet." Laut Schöll sollte man deshalb lieber die Zahl der positiv getesteten der Zahl der negativ getesteten gegenüberstellen.
"Höhere Testzahlen an sich können natürlich auch mitursächlich für einen Anstieg der Inzidenzwerte sein, aber nur kurzfristig", sagte Pressesprecherin Dietz. Mittel- und langfristig zahlten sich mehr Tests aus und der Inzidenzwert sinke dadurch sogar. Denn durch mehr Tests könnten Infektionsketten viel früher unterbrochen werden. Eine Gesamtübersicht der absolvierten Tests gebe es jedoch nicht, weil neben dem Testzentrum etwa auch Ärzte oder Krankenhäuser testen würden. Hinzu kämen diverse Schnelltestangebote.

Impfstelle in Gerolzhofen soll kommende Woche laufen
Ernst aber nicht ganz so angespannt wie im Stadtgebiet ist die Lage im Landkreis Schweinfurt. Dort meldete das Robert-Koch-Institut am Freitag einen Inzidenzwert von 69,3. Im Vergleich zum Vortag kamen hier 19 neu gemeldete Corona-Fälle hinzu. Im Gegensatz zur Stadt gelten im Landkreis mildere Einschränkungen, Geschäfte etwa dürfen nach Terminvereinbarung für ihre Kunden öffnen. Unabhängig vom Wohnort jedoch dürften viele Menschen gespannt auf die Entwicklung der Impfmöglichkeiten blicken.
Sowohl am Impfzentrum Schweinfurt als auch an der Impfstelle Gerolzhofen kam es aufgrund des Impfstopps von Astrazeneca zur kurzfristigen Absage von Impfterminen. "Nach aktuellem Stand ist davon auszugehen, dass ab kommenden Montag wieder in Gerolzhofen geimpft werden kann", teilte nun das Landratsamt mit. In welchem Umfang die Impfungen wieder aufgenommen werden können, hänge aber davon ab, in welchen Mengen welcher Impfstoff für die kommende Woche geliefert werde. Stadt und Landratsamt müssten noch auf weitere Informationen des Staatsministeriums warten.
Insgesamt wurden in Stadt und Landkreis Schweinfurt seit Impfbeginn 21 347 Impfungen verabreicht, davon 14 605 Erstimpfungen. Die Impfquote liegt laut Angaben des Landratsamtes bei den Erstimpfungen bei rund 8,6 Prozent, Zweitimpfungen bei vier Prozent.
