Eigentlich sollte an diesem Donnerstag der Prozess gegen den Kopf der Gemeinschaft "Go&Change" zu Ende gehen. Zumindest war dieser 29. Verhandlungstag der letzte, den das Landgericht Schweinfurt terminiert hatte. Doch am Donnerstag begannen die Anwälte von Kai K. dort, wo sie zuletzt aufgehört hatten: mit neuen Beweisanträgen. Und die zwangen die Kammer, sich über die Mittagspause hinaus mehrere Stunden zur Beratung zurückzuziehen.

Am Vormittag, an dem die Hoffnung auf ein Ende der Beweisaufnahme bestanden hatte – woraufhin es zu den Plädoyers gekommen wäre –, trug stattdessen Verteidiger Hubertus Werner seine Anträge vor: Es ging um Audiodateien, die man auf dem Telefon der 31-jährigen Nebenklägerin gefunden hatte und um Nachrichten, die sie mit Kai K. und anderen Gemeinschaftsmitgliedern ausgetauscht hatte.
Verteidiger liest mehrere Stunden aus Chats und Aktenvermerken
Und – wie schon so oft – um die sexuellen Vorlieben der Frau. Damit wolle man erneut beweisen, dass sie sich selbst Treffen zu gewaltvollem Sex mit anderen Männern organisiert habe und damit vor Gericht nicht ehrlich gewesen sei, als sie behauptete, sie habe all das nie ohne Kai K.s Einwirken gemacht. Außerdem beantragte die Verteidigung, die junge Frau erneut zu laden – was die Kammer schon am vorangegangenen Verhandlungstag abgelehnt hatte.

Das Verfahren gegen den 42-jährigen K. läuft bereits seit 19. Februar. Der Vorwurf: Vergewaltigung in vier Fällen, gefährliche Körperverletzung in drei Fällen und vorsätzliche Körperverletzung in 33 Fällen. Dass die Geduld einiger Prozessbeteiligter am Ende ist, zeigte sich auch am Donnerstag wieder: Während Verteidiger Werner mehrere Stunden Chatnachrichten und Aktenvermerke verlas – einige waren bereits Thema im Prozess –, ermahnte ihn die Vorsitzende Richterin Claudia Guba, nichts zu verlesen, was schon Teil der Akte sei. Irgendwann sei auch mal "Schluss mit lustig".
Anwalt hält Polizei für unqualifiziert, Handydaten auszuwerten
Der Anwalt entgegnete, er wolle, dass auch die Schöffen wissen, worum es gehe und fuhr mit dem Verlesen fort. Außerdem beantragte er, der Verteidigung solle eine Sicherung der Handydaten der Frau übergeben werden. Und überhaupt solle der Prozess für 14 Tage ausgesetzt werden, um eine forensische Auswertung des Mobiltelefons vornehmen zu lassen. Die Polizei sei nämlich "nicht qualifiziert" gewesen, das ordentlich zu tun.
Staatsanwältin Melanie Roth war der Meinung, das Verlesen vieler Nachrichten "hätte man sich sparen können" und es sei offenbar dazu da gewesen, "wieder eine Stunde zu schinden". Er fühle sich veräppelt, so Nebenklagevertreter Jürgen Zillikens und sprach von "Zeitverschwendung". Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Nebenklage forderten, die Anträge der Verteidigung abzulehnen.
Nach einer mehrstündigen Beratung hinter verschlossenen Türen beraumte das Gericht schließlich vier weitere Verhandlungstage an, der letzte ist für den 4. November terminiert.