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Oberschwarzach: "Die Kinder haben ihren Vater sterben sehen": Rentner nach Unfall auf B 22 wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Oberschwarzach

"Die Kinder haben ihren Vater sterben sehen": Rentner nach Unfall auf B 22 wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

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    An der Kreuzung auf der B 22 bei Siegendorf ist es in den vergangenen Jahren immer wieder zu schweren Unfällen gekommen.
    An der Kreuzung auf der B 22 bei Siegendorf ist es in den vergangenen Jahren immer wieder zu schweren Unfällen gekommen. Foto: Michael Mößlein (Archivbild)

    Es ist der Nachmittag des 21. Mai 2023. Ein heute 79-Jähriger aus Bamberg ist mit seiner Ehefrau auf der B 22 aus Richtung Neuses am Sand in Richtung Handthal unterwegs. Ein Ausflug, wie schon öfter. Auch die Strecke fährt er nicht zum ersten Mal. An der Kreuzung zwischen Oberschwarzach und Siegendorf will der Rentner links abbiegen. Dabei übersieht er ein entgegenkommendes Fahrzeug, es kommt zur Kollision.

    Das entgegenkommende Auto wird auf einen Acker geschleudert, überschlägt sich mehrmals und kommt erst nach 75 Metern zum Stehen. Der 23-jährige Fahrer ist sofort tot, drei Kinder im Alter zwischen drei und 13 Jahren und eine Frau, die mit im Auto sind, kommen mit Verletzungen davon. Fast zwei Jahre später, vor dem Amtsgericht Schweinfurt, sagt der 79-Jährige mehrmals: "Es war eine Sekunde, in der ich nicht aufgepasst habe." Er habe das Auto nicht gesehen, nur einen "schwarzen Schatten", dann habe es geknallt.

    Emotionaler Prozess mit vielen Tränen

    Vor Gericht muss sich der Rentner wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen verantworten. Es ist ein emotionaler Prozess mit vielen Tränen, die Familie des Getöteten ist anwesend, sie tragen T-Shirts mit einem Foto des 23-Jährigen drauf. Ein Anwalt vertritt die beiden Kinder des Mannes. "Sie haben Depressionen, können sich in kein Fahrzeug setzen", sagt die Mutter. "Und sie können nicht über den Vater sprechen."

    Die Schwester des Getöteten, ihr Sohn war auch mit im Auto, ergänzt: "Die Kinder haben gesehen, wie ihr Vater gestorben ist." Die Familie sei an dem Unfall zugrunde gegangen. Man wolle, dass der Angeklagte "hinter Gittern" komme und eine "gerechte Strafe" kriege. Doch was ist in so einem Fall die gerechte Strafe?

    Hinter dem Rentner reiht sich an jenem Sonntagnachmittag im Mai 2023 ein 60-Jähriger auf der Abbiegerspur ein. Das Auto des 79-Jährigen sei vor ihm gestanden und dann langsam losgerollt, sagt der Zeuge vor Gericht: "Es hat auch nicht den Anschein gemacht, als ob er noch Gas geben wollte." Er habe noch zu seinen Mitfahrern gesagt: "Achtung, es kracht gleich, das schafft der nicht." Unerklärlich sei es ihm gewesen, wie es dazu kommen konnte, sagt der Zeuge. Das entgegenkommende Auto habe man "meilenweit" gesehen. 

    Auto kommt nach 75 Metern auf einem Acker zum Stehen

    Auch ein Gutachter spricht vor Gericht von einer "guten Sicht" auf der "geraden, langen Fahrstrecke". Der 23-Jährige sei mit einer Geschwindigkeit zwischen 115 und 145 Kilometern pro Stunde (km/h) auf der Bundesstraße unterwegs gewesen, der Rentner mit 15 bis 20 km/h abgebogen, sagt der Sachverständige. Der Fahrer des entgegenkommenden Autos habe noch versucht, auszuweichen. Der Gutachter betont auch: Selbst wenn der 23-Jährige mit den erlaubten 100 km/h gefahren wäre, wäre es zur Kollision gekommen. Dann wäre er möglicherweise in die Beifahrerseite gefahren, wo die Frau des Rentners saß. 

    Es sei ein Verkehrsversagen, "was jedem passieren könnte", sagt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. "Meistens geht es gut, in diesem Fall nicht." Er fordert für den Rentner eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 40 Euro. Er könne den Wunsch der Nebenklage, dass der 79-Jährige ins Gefängnis müsse, nachvollziehen. Dennoch sei sein Verschulden, dass er "eine Sekunde nicht aufgepasst" hat und dafür müsse man ihn nicht ins Gefängnis stecken.

    Eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten, zur Bewährung ausgesetzt, fordert der Anwalt der Nebenklage. Der Angeklagte habe nicht aufgepasst, sagt er. Aber: "Von Reue habe ich hier heute nichts gesehen." Dabei sei es nicht so, dass es dem Angeklagten an Reue fehle, sagt dessen Anwalt, der eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen als ausreichend empfindet, in seinem Plädoyer. Sein Mandant habe ebenfalls sehr schwer an dieser Geschichte zu tragen, sei in psychologischer Behandlung. 

    Rentner entschuldigt sich bei Familie

    In seinem letzten Wort entschuldigt sich der Angeklagte bei der Familie. Die Angehörigen winken ab. "Wenn ich es ändern könnte, würde ich es tun", sagt der 79-Jährige. "Am besten wäre es gewesen, wir wären damals auch gestorben."

    Das Gericht spricht den Angeklagten schuldig der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung in drei Fällen. Die Strafe: 120 Tagessätze à 40 Euro, wie es der Staatsanwalt gefordert hatte. Außerdem darf er drei Monate kein Auto fahren und muss die Kosten des Verfahrens und die Auslagen der Nebenklage tragen.

    Die Folgen des Unfalls seien erheblich, für die Familie "vernichtend", sagt der Richter in seiner Begründung. "Aber diese Verfahren sind für alle Beteiligten sehr, sehr, sehr schlimm." Man habe keinen "Verbrecher" auf der Anklagebank sitzen, der vorsätzlich eine Straftat begangen habe. Stattdessen handele es sich um ein "Momentversagen", das jeden treffen könne. Auch wenn die Strafe für manche vielleicht nicht nachvollziehbar sei, halte er sie für angemessen, sagt der Richter.

    Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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