Vor kurzem hat auch in Bayern die Schule wieder begonnen. Viele Kinder freuen sich auf ein regelmäßiges Wiedersehen mit ihren Mitschülern. Aber oft sind es nicht wenige Kinder und Jugendliche, die auch mit Bangen in ein neues Schuljahr gehen. Noten und Übertritt in weiterführende Schulen bereiten Sorgen, oft auch den Eltern. Ein Thema, das Engelbert Schmid beschäftigt. Seit sechs Jahren ist der Schweinfurter der Bundesvorsitzende der Aktion Humane Schule. Er war lange Jahre Schulleiter an der Mittelschule in Haßfurt und später bis zu seiner Pensionierung Schulamtsdirektor in Miltenberg.
Seit fast einem halben Jahrhundert bemüht sich die Aktion Humane Schule, Veränderungen im Schulsystem zu bewirken. Es soll die Eigenverantwortlichkeit der Schüler beim Lernen gestärkt werden und so die Schulzeit sinnerfüllter und vor allem stressfreier gestaltet werden. Gegründet wurde diese Aktion, die heute etwa 700 Mitglieder zählt, 1974 von Theologieprofessor Walter Leibrecht. Den Anlass dazu gab der Suizid eines Schülers.
Gangbare Wege finden, um den Druck zu nehmen
"Ich habe schon während meiner Lehrertätigkeit in Haßfurt immer versucht, trotz des bestehenden Schulsystems für Kinder und Eltern gangbare Wege zu finden, um Druck zu nehmen", erklärt Schmid. Konkret sieht er zwei Möglichkeiten, eine humane Schule ansatzweise zu etablieren: Wegfall der Hausaufgaben in der Grund- und Mittelschule sowie beim Übertritt in eine weiterführende Schule nach Beratung durch die Lehrkräfte die Entscheidung den Eltern zu überlassen.
"Ziel der Aktion Humane Schule ist es, dass die Kinder und Jugendlichen freiwillig und gerne zur Schule gehen", so sollte das Schulsystem umgestaltet werden. Engelbert Schmid erinnert daran, dass Erstklässler sich auf die Einschulung freuen und stolz sind, Schulkinder zu werden - aber sich oftmals nach einiger Zeit bei manchem Unwillen gegenüber dem schulischen Lernen einstelle.
Deshalb müsste in der Schule mehr die Einzigartigkeit eines jeden Kindes gesehen werden und der Lernstoff sowie die Lernzielkontrolle individuell angepasst werden. Unter dieser Voraussetzung könnten die Schulen auch wirkliche Inklusion von behinderten und nichtbehinderten Schülern leisten. "Es ist wichtig, dass in der Schule Persönlichkeitsbildung erfolgt, wozu die Fächer Musik, Kunst, Religion und Sport erheblich beitragen", meint er. Beim Beurteilen von Leistungen sollte berücksichtigt werden, dass nicht jedes Kind zur gleichen Zeit das Gleiche können müsse.
Die Schule der "freilaufenden Kinder"
Als Beispiel führt der Bundesvorsitzende die Gemeinschaftsschule in Wutöschingen in Baden-Württemberg an, die von der ersten bis zur 13. Klasse führt. Anstelle von Klassenzimmern stehen den Schülern neben einer Aula Räume zur Verfügung, die für das Lernen aufgesucht werden können. Jedes Kind hat dort ein eigenes iPad, auf dem der mit einem Lernbegleiter oder einer Lernbegleiterin seiner Jahrgangsstufe zusammengestellter Lernplan festgehalten ist. "Ich nenne es die Schule der freilaufenden Kinder", scherzt Engelbert Schmid. Lernzielkontrollen können selbständig festgesetzt werden, wobei die Kinder auch sehr voneinander lernen und der Lernbegleiter schon darauf achtet, dass die Schüler Lernfortschritte machen, die in einem Lerntagebuch festgehalten werden. Diese Schule bietet Haupt-, Real- und Abiturabschluss an.
Einen Ansatz im jetzigen Schulsystem die Ziele der Aktion Humane Schule umzusetzen, sieht Engelbert Schmid in den Lernentwicklungsgesprächen, die teilweise die Noten in der Grundschule ersetzen. "Das Allerwichtigste in der Schule ist es, die Lernfreudebei Kindern zu erhalten und zu fördern", so seine Sicht.
Das Bündnis Gemeinschaftsschule, dem die Aktion Humane Schule als Gründungsmitglied angehört, lädt am 25. September ab 19 Uhr zu einer Online-Veranstaltung ein. Nach dem Vortrag "Gemeinschaftsschule: Begründung – Entwicklung – Realität: Bayern darf die pädagogische Innovationskraft der Gemeinschaftsschule nicht verpassen" folgt eine politische. Gesprächsrunde. Anmeldung unter buendnis-gemeinschaftsschule-bayern.de