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Grafenrheinfeld: Kita-Neubau in Grafenrheinfeld: Überdimensioniert oder zukunftsgerichtet?

Grafenrheinfeld

Kita-Neubau in Grafenrheinfeld: Überdimensioniert oder zukunftsgerichtet?

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    So soll das neue Betreuungszentrum für Krippen-, Kindergarten- und Schulkinder in Grafenrheinfeld aussehen. 
    So soll das neue Betreuungszentrum für Krippen-, Kindergarten- und Schulkinder in Grafenrheinfeld aussehen.  Foto: hjparchitekten PGmbB

    Die Kritik an dem geplanten Bau einer neuen, großen gemeinsamen Kindertagesstätte für Krippen-, Kindergarten- und Schulkinder in Grafenrheinfeld reißt nicht ab. Mit einem "dringenden Appell" wandte sich in einer Gemeinderatssitzung die dreiköpfige Fraktion der Grünen an die übrigen Mitglieder des Gremiums, den weiteren Planungsschritten nicht zuzustimmen. Sie wurden dennoch beschlossen. Das Projekt befindet sich nun in der Genehmigungsplanung. Bürgermeister Christian Keller und Planer Jürgen Hauck erklären in einem Gespräch mit dieser Redaktion, warum sie keine Alternative zu dem geplanten Neubau sehen.

    Bürgermeister Christian Keller (rechts) und Planer Jürgen Hauck sehen keine wirtschaftliche Alternative zum Neubau der Kindertagesstätte.  
    Bürgermeister Christian Keller (rechts) und Planer Jürgen Hauck sehen keine wirtschaftliche Alternative zum Neubau der Kindertagesstätte.   Foto: Anand Anders

    Frage: Braucht Grafenrheinfeld einen 20-Millionen-Euro-Kindergarten mit 18 Gruppen?

    Bürgermeister Christian Keller:  Wir brauchen einen Kindergarten für den Bedarf, den wir haben. Und wir brauchen eine zukunftsfähige Lösung. Deshalb sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir diese Gesamtkindertagesstätte bauen werden.

    Professor Jürgen Hauck: Wir bauen ja nicht einen Kindergarten für 20 Millionen Euro, exakt sind es im übrigen 19,5 Millionen Euro, sondern wir bauen eine Kinderkrippe, einen Kindergarten und eine Ganztagsbetreuung für die Schulkinder. Das wird oft vergessen. Allein die Ganztagsbetreuung umfasst sechs Gruppen, was sechs Millionen Euro der Kosten ausmacht. Wenn man das abzieht, bauen wir einen Kindergarten für wesentlich weniger als 19,5 Millionen Euro.

    Es bleiben immer noch 13,5 Millionen Euro und zwölf Gruppen. Nochmal: Braucht eine 3500-Einwohner-Gemeinde wie Grafenrheinfeld so einen großen Kindergarten? 

    Keller: Wir haben momentan sechs Regelgruppen, aufgeteilt auf zwei Gebäude, und erhöhen im neuen Gebäude auf sieben. Das ist gerade eine Gruppe mehr. Wir haben drei Krippengruppen und erhöhen auf fünf. Das ist zukunftsgerichtet. Denn die drei Gruppen sind rappelvoll. Wir haben ganz frisch das Neubaugebiet Erleinsweg erschlossen, und wir haben ein Neubaugebiet am Kapellenweg mit 40 Wohneinheiten in der Erschließung. Auch an der Lehmgrube ist in Zukunft Entwicklungsmöglichkeit gegeben. Vor diesem Hintergrund kann ich keine Überdimensionierung erkennen.

    Was ist mit der Schulkindbetreuung? Braucht es hier sechs Gruppen?

    Keller: Unser Schulgebäude hat acht Klassenzimmer und ist baulich auf zirka 180 Kinder ausgelegt. Und ab 2026 gibt es einen gesetzlichen Betreuungsanspruch für jedes Kind. Wir sind also verpflichtet, diese Betreuungsplätze vorzuhalten. Bei der Planung haben wir intensiv mit der Kindergartenaufsicht am Landratsamt Schweinfurt und der Regierung von Unterfranken zusammengearbeitet, sogar das Staatsministerium in München einbezogen. Verantwortlich ist letztlich die Gemeinde selbst. Wir haben dann nach bestem Wissen und Gewissen versucht, eine vernünftige Lösung zwischen aktueller Kinderzahl und absehbarer künftiger Entwicklung zu finden und 140 Plätze festgelegt. Der Gemeinderat hat hier sehr gründlich abgewogen.

    Hauck: Bei der Schulkindbetreuung ist es wie früher mit den Krippen. Es hat klein angefangen, nun gibt es eine gesetzliche Pflicht, und mittlerweile bauen viele Gemeinden Krippen an ihre Kindergärten an. Das wollen und können wir vermeiden. Deshalb haben wir den Neubau so konzipiert, dass spätere, teurere Anbauten vermieden werden.

    Bürgermeister Christian Keller zeigt auf der Landkarte, wo aktuell die Betreuungseinrichtungen für die Kinder im Ort verteilt sind. 
    Bürgermeister Christian Keller zeigt auf der Landkarte, wo aktuell die Betreuungseinrichtungen für die Kinder im Ort verteilt sind.  Foto: Anand Anders

    Warum findet die Ganztagsbetreuung nicht in der Grundschule statt?

    Hauck: Das ist erstens nicht zulässig. Zweitens ist die Grundschule komplett ausgelastet.

    Keller: Zur Zeit sind zwar zufälligerweise Gruppenräume frei, die werden aber von Krippenkindern belegt. Die Auslastung ist hier jedes Jahr anders. Heuer steht es Spitz auf Knopf, weil wieder eine Schulklasse geteilt werden musste und so ein zusätzlicher Raum benötigt wurde. Wir haben auf keinen Fall Kapazitäten frei, um eine Ganztagsbetreuung zur Verfügung zu stellen.

    Der gesetzliche Betreuungsanspruch ab 2026 gilt zunächst nur für Erstklässler und wird in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet. Die Gemeinde hätte also Zeit bis 2029. Muss man da gleich mit sechs Gruppen vorpreschen?

    Hauck: Man kann doch nicht jedes Jahr eine neue Gruppe anbauen. Das wäre ja Geldvernichtung. Schon jetzt werden die aktuell 40 Plätze von Kindern aus allen vier Jahrgangsstufen genutzt, teilweise sogar ausgelost, weil mehr Bedarf als Platz da ist. Da können wir doch bei einem Neubau nicht sagen, jetzt dürfen nur noch die ersten Klassen rein. Ergo muss die Gemeinde festlegen, wieviel Plätze sie  perspektivisch zur Verfügung stellen will.

    Keller: Wir sollten auch nicht mit der Hoffnung planen, dass möglichst wenig Kinder da sind. Ganztagsbetreuung ist ein großes Thema. Das wird jetzt an Fahrt aufnehmen. Der Gesamtneubau bietet die einmalige Chance, die kommunale Pflichtaufgabe "Kindertagesbetreuung" für die Zukunft in einem Zug zu lösen. 

    Kritiker sagen, es gäbe in ganz Bayern keine Gemeinde vergleichbarer Größe mit so einer riesigen Betreuungseinrichtung. Ist der Neubau nicht doch überdimensioniert? 

    Hauck: Die Größe ist mit der Regierung von Unterfranken und dem Landratsamt erarbeitet worden. Da lagen die Einwohnerzahl und die Geburtenstatistik zugrunde. Daraus wurde dann das Raumprogramm entwickelt. Und das hat die Regierung abgesegnet.

    Keller: Im Bescheid der Regierung steht es schwarz auf weiß: In Grafenrheinfeld besteht für den Ersatzneubau ein  Bedarf an 60 Krippen-, 175 Kindergarten- und 140 Hortplätzen. Das sind fünf, sieben und sechs Gruppen, ergibt insgesamt 18 Gruppen. Und es wäre völlig unseriös, die Ganztagsbetreuung jetzt beim Neubau nicht mitzuberücksichtigen.

    Bürgermeister Christian Keller zeigt den geplanten Standort der neuen Kindertagesstätte. Die Fahrradhalle und das ehemalige Lehrerwohnhaus dahinter sollen abgerissen werden. Dadurch muss keine neue Fläche versiegelt werden.
    Bürgermeister Christian Keller zeigt den geplanten Standort der neuen Kindertagesstätte. Die Fahrradhalle und das ehemalige Lehrerwohnhaus dahinter sollen abgerissen werden. Dadurch muss keine neue Fläche versiegelt werden. Foto: Anand Anders

    Gab es einen Kostenvergleich zwischen Neubau und Erweiterung der bestehenden Kindergärten? 

    Keller: Wir haben alle Optionen untersucht. Die Situation ist Folgende: Der Kindergarten Bühl, in dem um 1900 erbauten Sandsteingebäude, entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Er hat nur noch eine übergangsweise Betriebserlaubnis. Er ist auch nicht sanierungs- und schon gar nicht erweiterungsfähig. Er müsste also sowieso an anderer Stelle neu und größer gebaut werden. Und dazu kämen noch die Räume für die Ganztagsbetreuung der Schüler mit Küche und Speiseraum.

    Hauck: Das wurde von der Regierung von Unterfranken geprüft. Sie kam zu dem Ergebnis, dass eine Sanierung teurer käme als ein Neubau. Und der Bedarf wäre dann noch nicht einmal abgedeckt. Wegen der fehlenden Wirtschaftlichkeit gäbe es deshalb keine Förderung.

    Keller: Auch die Kita Fröschloch ist mittelfristig sanierungsbedürftig und hat seit Jahren Kapazitätsprobleme. Deshalb wurde schon 2015 ein Anbau beschlossen. Noch während der Bauphase hat sich damals abgezeichnet, dass die Kapazitäten trotz Erweiterungsbau nicht ausreichen werden. Letztlich kam der Schimmelschaden hinzu, so dass der Anbau überhaupt nicht nutzbar war. Wollte man die Fröschloch-Kita zukunftsfähig machen, müsste nun ein erheblicher Teil des Gebäudevolumens neu gebaut werden. Auch das ist nicht wirtschaftlich. Deshalb hat der Gemeinderat einstimmig den Bau einer einzigen Kinderbetreuungseinrichtung beschlossen.

    Es gibt ja den Vorwurf, die Entscheidung für den Neubau sei schnell noch vor den Kommunalwahlen durchgedrückt worden. Im neuen Gremium sind die Grünen vertreten, die den Neubau ablehnen. War das Taktik? 

    Keller: Nein. Die Angelegenheit war schlicht und ergreifend entscheidungsreif. Wir sind froh um jeden Monat, den wir dadurch gewonnen haben. Im Übrigen wäre der Beschluss für den Neubau auch im neuen Gremium gefällt worden, es hätte dann halt drei Gegenstimmen gegeben.

    Im neuen Kindergarten sind alle Einrichtungen zur Betreuung von Kindern bis zum Alter von zehn Jahren zentralisiert. Birgt das in Zeiten der Corona-Pandemie nicht höhere Infektionsgefahren? 

    Hauck: Wir bauen zeitgerecht, also mit entsprechender Lüftungsanlage. In den bestehenden Kindergärten gibt es diese nicht. 

    Keller: Zum Zeitpunkt der Entscheidung war Corona zudem kein Thema. Das hat uns während der Planungsphase eingeholt. Überall haben wir jetzt Diskussionen mit den Lüftungsgeräten. Gerade das spricht noch mehr für einen Neubau.

    Waldkindergärten, wie in Schonungen, stellen eine Alternative zum Regelkindergarten dar und brauchen keine neuen Gebäude. Warum verfolgt Grafenrheinfeld nicht dieses Konzept? 

    Keller: Wir haben eine andere Kindergartenstruktur und uns dafür entschieden, eine Kinderbetreuung nahe am Bürger in der Ortschaft zu realisieren. Wir setzen auf Werkstattpädagogik. Das ist eine Form der offenen Kindergartenarbeit. Es werden sogenannte Werkstatträume geschaffen, in denen die Kinder kreativ tätig sein können. Auch die Natur wird mit einbezogen. Der Standort liegt ja unmittelbar an Seen und Wiesen. Die Nähe zur Natur ist also voll und ganz gegeben.

    Da soll er hinkommen: Hinter dem alten Baumstand an der Grundschule wird der Neubau der Kindertagesstätte errichtet.
    Da soll er hinkommen: Hinter dem alten Baumstand an der Grundschule wird der Neubau der Kindertagesstätte errichtet. Foto: Anand Anders

    Manche prognostizieren durch den Standort des Neubaus an der Kulturhalle eine zusätzliche Verkehrsbelastung für den Altort. Gibt es ein Verkehrskonzept?

    Keller: An diesem Thema sind wir dran. Aber wir haben auch jetzt schon Verkehrsflüsse. Momentan sind unsere Kinder ja an vier Standorten untergebracht: Neben den Kindergärten Fröschloch und Bühl gibt es die Bewegungsräume im Keller der Bücherei und die Krippenräume in der Schule.

    Hauck: Die Lage an der Schule haben wir auch deshalb favorisiert, damit der Ganztagsbereich nah an der Grundschule ist. Das ist eine berechtigte Forderung der Regierung von Unterfranken.

    Wird es ausreichend Parkplätze für so eine große Betreuungseinrichtung geben?

    Hauck: Im Eingangsbereich wird es drei sogenannte "Kiss and Ride"-Stellplätze geben, und hinten am ehemaligen Wendeplatz sind weitere 20 Stellplätze vorgesehen. Für das Personal stehen Parkmöglichkeiten an der Kulturhalle und Schule zur Verfügung.

    Hat man über die Nachnutzung der dann leerstehenden Kindergartengebäude nachgedacht?

    Keller: Eine Nachnutzung steht außer Frage. Im Detail wissen wir aber noch nicht, was wir machen werden. Freie Flächen im Ort sind Perlen für eine Gemeinde. Uns fehlt zum Beispiel eine Einrichtung für Tages- und Kurzeitpflege. Oder Möglichkeiten für altengerechtes Wohnen. Auch Wohnanlagen für junge Menschen fehlen hinten und vorne. Für eine Nachnutzung sehe ich überhaupt kein Problem. Es stellt sich nicht die Frage, ob wir was machen, sondern was wir machen. Der Kita-Neubau schafft Platz für Neues. Er eröffnet hierfür ungeahnte Möglichkeiten. 

    Zurück zu den Kosten: 19,5 Millionen Euro sind ein großer Brocken. Die fetten Jahre mit den sprudelnden Steuereinnahmen aus dem Kernkraftwerk sind vorbei. Kann sich Grafenrheinfeld diese Ausgaben leisten?

    Keller: Wir können es uns in jedem Fall nicht leisten, einen nicht sanierungs- und nicht erweiterungsfähigen Kindergarten Bühl zu sanieren und dafür keine Förderung zu erhalten. Und wir können es uns auch nicht leisten, einen von Schimmel befallenen Fröschloch-Anbau neu zu bauen, im Bestand zu sanieren und zusätzlich noch einen dritten Standort mit fehlenden Kapazitäten zu eröffnen.

    Wie hoch ist die Förderung für den Neubau? 

    Hauck: Das wissen wir nicht. Das kriegt man erst mitgeteilt von der Regierung von Unterfranken, wenn man den Förderantrag gestellt hat.

    Keller: Wir wollen auch zusätzliche Fördermittel durch den KfW-Standard generieren und noch einen Bonus über barrierefreies Bauen abschöpfen. Und natürlich den großen Fördertopf der Ganztagsbetreuung anzapfen. Hier warten wir noch auf die konkrete Förderkulisse. Hier ist meine Forderung an die Politik, nun schnell das Förderprogramm auszuarbeiten.

    Wieviel Geld hat Grafenrheinfeld auf der hohen Kante?

    Keller: Wir haben 12,7 Millionen Euro in den Rücklagen.

    Reicht das oder muss man einen Kredit aufnehmen? 

    Keller: Das müssen wir prüfen.

    Wie sieht der Zeitplan aus?

    Keller: Angedacht ist der Baubeginn im Herbst 2022, die Fertigstellung 2024.

    Angesichts manch kritischer Stimmen: Kann das Projekt nochmal kippen? 

    Keller: Aus meiner Sicht nicht. Tatsächlich äußern aber viele Eltern diese Befürchtung.

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