Drei steinerne Hunde bewachen den Eingang, unzählige Vögelchen umschwirren die Futterstellen in den Fenstern, drinnen bellt Rapunzelchen zur Begrüßung – vermutlich hätte es Wilhelm Kohlhoff gefallen, dass das Grüne Haus heute nicht nur seinem Spätwerk, sondern auch Tieren und einer Tierschutzorganisation eine Heimat gibt. Kohlhoff war nicht nur ein ungemein fleißiger und in den Anfangsjahren in Berlin auch sehr erfolgreicher Maler, er war auch ein großer Tierfreund. Er hat Johanna Wothke, die heute im Grünen Haus lebt und arbeitet, auf den Weg zum Tierschutz geführt, sagt sie.
In den vergangenen Jahren war es still geworden um das dominante Gebäude in den Wehranlagen, letztes Überbleibsel der Gademann'schen Farbfabrik. Die aktuelle Ausstellung Wilhelm Kohlhoff „Impression –Expression“ in der Kunsthalle legt zwar ihren Schwerpunkt auf das Frühwerk des Malers, bringt aber unweigerlich auch seine späten Jahre in Schweinfurt wieder ins Bewusstsein. Und damit auch das „Grüne Haus“, obwohl er selbst dort nie gelebt hat.
Seine zweite Frau Moy Kohlhoff, geborene Fehn, ist nach seinem Tod 1971 dort eingezogen und hat eine Art Memorial-Atelier eingerichtet, wie es Erich Schneider, Leiter der Museen und Galerien formuliert. Und sie hat immer wieder nach Gemälden ihres Mannes geforscht und die Sammlung durch Ankäufe erweitert. 1988 beispielsweise hat Moy Kohlhoff, wie aus einem Artikel aus dem Archiv dieser Zeitung hervorgeht, das Gemälde „Mein Sohn Peter“ aus dem Jahr 1923 erworben. Peter ist 1942 bei Kämpfen im Kaukasus ums Leben gekommen.
Schneider erinnert sich noch gut, wie er als junger Kunsthistoriker im Sommer 1981 – da war er gerade zwei Wochen als Mitarbeiter seines Vorgängers Adolf Pahl im Amt – das erste Mal bei einer Besprechung im Grünen Haus war, in der es um eine Ausstellung aus Anlass des zehnten Todestages von Kohlhoff ging. Später besuchte er immer wieder Moy Kohlhoff und ihre Schwester Elisabeth Siemens, die das Werk des Malers verwalteten und der Stadt ihre Räume für kleine Empfänge zur Verfügung stellten.
Dann traf man sich also in der Bibliothek, auch Rittersaal genannt, jenem beeindruckenden Raum im Erdgeschoss, der auch heute noch von einem langen Holztisch, den der Maler entworfen hat und seinem riesigen Gemälde „Augias-Stall“ dominiert wird. Unmittelbar nach 1945 entstanden, hatte dieses Gemälde, auf dem eine Herde Pferde machtvoll einem engen Ausgang zustrebt, auch eine eindeutige politische Aussage, sagt Schneider. Heute hängt der „Augias-Stall“ ein wenig schief über dem langen Tisch, an dem Johanna Wothke, die Tochter von Elisabeth Siemens und ihre Tochter Natascha oft arbeiten.
Aber noch einmal zurück in die 1970er und 80er Jahre, als die Damen Kohlhoff und Siemens zu Salons und kleinen Gesellschaften einluden. Sie hatten einen regen Freundeskreis, erzählt Johanna Wothke. Auch die Schweinfurter Autorin Karin Schaffner erinnert sich an die Zeiten, als sie ihre Geburtstage im Grünen Haus begehen durfte. „Meine Gäste konnten sich frei durch alle Räume bewegen, die überwältigenden Bilder betrachten und in den vielen Mappen mit Zeichnungen blättern.“
Angefangen hat die Geschichte freilich viel früher, mit der engen Freundschaft zwischen Wilhelm Kohlhoff und Johanna Wothkes Vater, Christian Siemens, einem Schriftsteller und Dramaturgen, der in Hof lebte. Vermutlich kannten sich die beiden Männer schon bevor der Maler 1949 in die kleine Stadt zog. Jedenfalls prägten die beiden das kulturelle Leben von Hof, sagt Johanna Wothke. Noch heute hängen Kohlhoffs Bilder in städtischen Einrichtungen.
1953 baute sich der Maler ein Haus mit Atelier in Hof-Krötenhof und hielt dort viele Tiere, auch Pferde, die er sehr liebte. Johanna Wothke, 1940 geboren, war immer wieder auf diesem Hof und sagt, dass Wilhelm Kohlhoff auch ein Herz für geplagte Geschöpfe gehabt habe und sie quasi auf den Weg zum Tierschutz führte.
1957 starb Christian Siemens. Seine Frau Elisabeth zog zu ihrer Schwester Moy Fehn nach Schweinfurt. 1970 heirateten der Maler und Moy Fehn. Ein Jahr darauf starb Wilhelm Kohlhoff und die beiden Frauen zogen ins Grüne Haus und richteten sich mit den Gemälden und Zeichnungen, aber auch mit den Möbeln ein, die der Maler entworfen hatte. 1990 starb Moy Kohlhoff. Elisabeth Siemens blieb im Grünen Haus, bis sie 2004 im hohen Alter von 94 Jahren starb – in den letzten Jahren betreut von ihrer Tochter Johanna Wothke.
Die heute 71-Jährige hatte 30 Jahre lang als Volksschullehrerin gearbeitet und 1985 die Tierschutzorganisation „Pro Animale“ gegründet. Das ist zwar eigentlich eine andere Geschichte, aber in diesem Zusammenhang von Bedeutung, weil der Verein nach dem Tod von Elisabeth Siemens das Grüne Haus in Erbpacht von der Stadt erworben und hier sein Büro eingerichtet hat.
Seit einem Jahr wird das Haus, das doch ziemlich in die Jahre gekommen ist, komplett saniert: Dach, Heizung und Installationen. Büro- und Wohnräume werden getrennt. Auf jeden Fall soll es einen Ausstellungsraum für die Bilder von Wilhelm Kohlhoff geben, die auf Anfrage auch besichtigt werden können.
Geschichte des Hauses
Das Grüne Haus in den Wehranlagen ist das einzige noch existierende Gebäude der Bleiweiß- und Buntfarbenmühle, die Johann Martin Schmidt 1783 in den Wehranlagen errichtet hat. 1823 kaufte Johann Georg Gademann die Mühle und erweiterte sie zur Fabrik, in der ab 1880 auch die Weißfarbe Lithopone produziert wurde, ein ungiftiges Pigment. 1964 wurde das Werk geschlossen und die Anlage als Freizeitgelände umgestaltet. Von den Gebäuden blieb nur das Grüne Haus, das vermutlich Büros beherbergte, stehen.
Das Gelände um die Farbenfabrik zählte bis vor wenigen Jahren zu den am schwersten mit Arsen und Schwermetallen belasteten Flächen in der Stadt. Mit dem Grundwasser floss täglich rund ein Kilogramm Arsen in den Saumain. 2009 wurde das 1,8 Hektar große Areal mit einer Dichtwand umschlossen.