Freitag, den 16. August 2024, haben viele Menschen aus der Region noch gut im Gedächtnis: Es ist der Tag, an dem die Kühltürme am stillgelegten Kernkraftwerk Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) gesprengt wurden. Mehrere tausend Menschen waren vor Ort, um das Spektakel zu erleben. Und sie mussten sich gedulden, da sich die Sprengung um eineinhalb Stunden verzögerte: der Pro-Atomkraft-Aktivist Andreas Fichtner aus Karlsruhe war auf einen Strommast in der Nähe der Kühltürme geklettert, um gegen die Sprengung zu protestieren.
Welche strafrechtlichen Folgen hatte das nun für ihn? In verschiedenen Gruppen in den Sozialen Medien gab es in den vergangenen Wochen die Behauptung, die Ermittlungen gegen den 37-Jährigen seien eingestellt worden. Dem widerspricht der Sprecher der Schweinfurter Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Markus Küstner, auf Nachfrage dieser Redaktion.
Es erschließe sich ihm nicht, woher derartige Gerüchte kommen. "Tatsächlich dauern die kriminalpolizeilichen Ermittlungen noch an, sodass sich bislang für die Staatsanwaltschaft die Frage nicht stellte, in welcher Form das Ermittlungsverfahren abgeschlossen werden kann", so Küstner. Sobald die Kriminalpolizei die Akten übergeben habe, werde die Staatsanwaltschaft prüfen, ob sie Anklage erheben wird oder nicht.
Im Raum stehen unter anderem Nötigung, Hausfriedensbruch und ein Verstoß gegen die Allgemeinverfügung des Landratsamtes Schweinfurt, die unter Androhung eines Bußgeldes von bis zu 1000 Euro ein Betretungsverbot für die Sperrzone rund um das Kernkraftwerk während der Sprengung der Kühltürme erlassen hatte.
Landratsamt wartet die polizeilichen Ermittlungen ab
Nach Auskunft von Andreas Lösch, Sprecher des Landratsamtes, hat das Amt schon im August 2024 Strafantrag gestellt. Gleichwohl gebe es noch keinen Bußgeldbescheid, da man "zunächst die Ergebnisse der Ermittlungen der Polizei und die Prüfung der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die strafrechtlichen Aspekte" abwarte.

Offen ist neben den strafrechtlichen Ermittlungen auch die Frage, ob der Betreiber des Kraftwerks, Preußen Elektra, sowie die Polizei mögliche Mehrkosten für den Einsatz zivilrechtlich einklagen. Der Pro-Atomkraft-Lobbyist hatte sich nach eigener Aussage vor der Sprengung und während der Sperrung "im Wald hinter einem Baum versteckt", der direkt neben den Strommasten in Sichtweite der Kühltürme liegt. Von dort aus war er gegen 17 Uhr auf den ersten Mast geklettert, zunächst aber nicht von der Polizei gesehen worden.

Erst einige Zeit später hatten ihn Polizisten bemerkt. Zeitgleich hatte Fichtner einen Bekannten beauftragt, die Polizei zu informieren. Der Mann wurde dann von Einsatzkräften der Polizei mit einem Hubwagen der Spreng-Firma vom Mast geholt. Zuvor war auch die Höhenrettung der Polizei aus Nürnberg alarmiert worden, die dann aber doch nicht gebraucht wurde.
Aktivist hält Kernkraft für klimaneutral und würde daran festhalten
Andreas Fichtner betont auf Nachfrage, er würde eine solche Aktion wieder in Erwägung ziehen. Er sei überzeugt davon, dass der Atomausstieg der Bundesrepublik falsch sei und habe deshalb auch ein Zeichen setzen wollen. Unter anderem schrieb Fichtner im April 2023 gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern einen offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz, in dem er forderte, die damals noch laufenden Kernkraftwerke nicht abzuschalten.
Er kritisiert, dass Deutschland in Europa mit die höchsten Strompreise habe, hohe Milliardensummen in die sogenannte EEG-Umlage investiert würden, "wir aber gleichzeitig weiterhin wertvolle Energieinfrastruktur in Form unserer Atomkraftwerke zerstören". Bezüglich der Ermittlungen gegen ihn erklärte Fichtner, sein Anwalt habe bisher keine Akteneinsicht bekommen, da der Fall noch nicht bei der Staatsanwaltschaft sei.