Keine drei Wochen vor der Bundestagswahl befindet sich das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in heftigen politischen Turbulenzen: Mehr als ein halbes Dutzend bekannter Mitglieder aus Bayern haben mittlerweile ihren Austritt erklärt, berichtet der "Spiegel". Darunter ist der Schweinfurter BSW-Bundestagskandidat und Stadtrat Robert Striesow.
Neben Striesow, der auf Platz zwölf der bayerischen BSW-Landesliste steht, haben demnach auch die früheren Schweinfurter Linken-Politiker Kerstin Reichert und Sinan Öztürk das Bündnis verlassen. Auf Nachfrage dieser Redaktion dementieren die drei die Meldung von ihren Austritten nicht. Man wolle sich "zum jetzigen Zeitpunkt" aber nicht dazu äußern, heißt es ohne weitere Begründung.
Robert Striesow will erst nach der Bundestagswahl reden
Striesow, der im BSW-Landesvorstand als Beauftragter für Unterfranken tätig war, schreibt in einer Nachricht, er wisse nicht, wie der "Spiegel" an das Austrittsschreiben gekommen sei. Nach der Bundestagswahl am 23. Februar könne man gerne miteinander reden.
Derweil bestätigt René Hähnlein, der Landesgeschäftsführer des BSW, auf Nachfrage die Richtigkeit des "Spiegel"-Berichts. Striesow, Reichert, Öztürk und ihre Mitstreiter hätten sich als ehemalige Linke im BSW "wohl verlaufen", so Hähnlein. Der BSW-Landeschef, der Schweinfurter Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst, reagierte bislang nicht auf eine Rückruf-Bitte dieser Redaktion.

Auf den Stimmzetteln am 23. Februar steht der Name Striesow indes nicht. Er war nicht als BSW-Direktkandidat für die Erststimme nominiert. Und auf der Zweitstimmen- oder Parteienliste sind auf den Stimmzetteln lediglich die Bewerberinnen und Bewerber für die Positionen eins bis fünf namentlich erwähnt. Ein Problem ergäbe sich nur für den wenig wahrscheinlichen Fall, dass das BSW in Bayern zwölf Parlamentssitze gewinnt. Dann wäre Striesow trotz seines Parteiaustritts im nächsten Bundestag dabei.
BSW-Position im Bundestag zu Migrationspolitik gab wohl Ausschlag
Der bayerische BSW-Geschäftsführer betont derweil: Es ist wohl vor allem die Position der BSW-Bundestagsgruppe zur Migrationspolitik, an der sich die drei Schweinfurter inhaltlich reiben. Statt eine sachliche Debatte über Fluchtursachen zu führen, erlebe man eine "populistische Zuspitzung, die unnötige gesellschaftliche Spaltungen fördert und Gefahr läuft, sich rhetorisch am rechten Rand zu bedienen", zitiert der "Spiegel" aus dem Austrittspapier.
Den letzten Ausschlag, die Partei zu verlassen, hat offenbar das Abstimmungsverhalten des BSW zum Zustrombegrenzungsgesetz gegeben. Tatsächlich hatten unter anderem Parteigründerin Sahra Wagenknecht und auch BSW-Landeschef Klaus Ernst in der vergangenen Woche im Bundestag gemeinsam mit Union, FDP und AfD für die umstrittene und letztlich gescheiterte Initiative von CDU-Chef Friedrich Merz votiert.

René Hähnlein kann die Kritik der Schweinfurter "nicht nachvollziehen". Das BSW sei schließlich angetreten, um eine andere Flüchtlingspolitik als SPD, Grüne und Linke durchzusetzen: "Wir wollen Migration steuern."
BSW-Veranstaltung mit Klaus Ernst in Schweinfurt findet nicht statt
Die Querelen in der Wagenknecht-Partei kommen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Seit Wochen verliert das BSW in den Umfragen an Zustimmung. Mit dem Überschreiten der Fünf-Prozent-Hürde könnte es bei der Bundestagswahl am 23. Februar knapp werden. Eine für diesen Freitag geplante Wahlkampfveranstaltung in Schweinfurt findet nicht statt. Der als Hauptredner vorgesehene Klaus Ernst sei in Berlin unabkömmlich, heißt es beim Landesverband.