Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Landkreis Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

OBERWERRN: Langfristig droht ein medizinisches Desaster

OBERWERRN

Langfristig droht ein medizinisches Desaster

    • |
    • |
    Seit 30 Jahren Seite an Seite: Karoline Treutlein und Klaus Helmerich.
    Seit 30 Jahren Seite an Seite: Karoline Treutlein und Klaus Helmerich. Foto: Fotos: Waltraud Fuchs-Mauder/Thinkstock

    Die Zeiten, in denen ein Hausarzt mit der Schreibmaschine seine Rechnungen auf eine Karteikarte geschrieben hat, sind lang vorbei. Heute wird jeder Patient, je nach Alter und Krankenkasse, unterschiedlich abgerechnet: Wenn er 50 ist, zahlt er etwas anderes als wenn er 60 ist. Wenn er bei der Techniker Krankenkasse versichert ist, läuft es anders als bei der AOK. „Da ist es schon ein Vorteil, wenn man eine Arzthelferin über lange Jahre an seiner Seite hat“, sagt Klaus Helmerich, Hausarzt in Oberwerrn.

    Die Rede ist von Karoline Treutlein. Die 47-Jährige begann im Februar 1984 – also vor 30 Jahren – in der Praxis von Klaus Helmerich ihre Lehre zur Arzthelferin (heute: medizinische Fachangestellte). Damit ist sie fast von Anfang an dabei, nur wenige Monate vorher ist die Praxis eröffnet worden. Treutlein hat mit ihrem Chef alle Entwicklungen durchgemacht – von der Schreibmaschine zum Computer, von der Karteikarte zur elektronischen Chipkarte. Dazu ist sie über die vielen Jahre unverzichtbar für die Praxis geworden. „Sie kennt fast jeden Patienten persönlich mit Namen und beherrscht alle Praxisabläufe im Schlaf“, lobt Helmerich die „gute Seele der Praxis“. Nicht zuletzt durch sie sei es über Jahre gelungen, Patienten an die Hausarztpraxis zu binden und eine wohnortsnahe medizinische Grundversorgung zu gewährleisten. Treutlein ist in der Gemeinde und Umgebung anerkannt und beliebt.

    Karoline Treutlein würde auch heute wieder diesen Beruf ergreifen, sagt sie. „Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß, ich wohne nur fünf Minuten entfernt – das passt.“ Wenn sie früher mit heute vergleicht, kommt allerdings schon etwas Wehmut auf. „Heute ist es einfach viel mehr Bürokratie.“ Früher habe man einfach eine Abrechnung gemacht, zusammengefasst und fertig. „Heute ist alles viel komplizierter. Es gibt quasi für jede Kasse eine andere Abrechnungsart.“ Der ganze Praxisalltag sei deutlich komplexer geworden, sagt Treutlein. Doch das sei gar nicht das eigentliche Hauptproblem.

    Vielmehr mangelt es an Nachwuchs bei den Hausärzten. Das bestätigt auch ihr Chef Helmerich. Noch arbeiten in der Region Schweinfurt-Nord, Niederwerrn, Poppenhausen, Obbach und Geldersheim sieben Allgemeinmediziner mit eigener Praxis. Die Betonung liegt auf „noch“: Zwei der Hausärzte sind über 60 Jahre alt, Helmerich selbst ist 65, und ein Arzt habe sogar schon die 65 Jahre überschritten. „Alle diese Praxen sind überdurchschnittlich groß. Wenn eine Praxis wegfällt, kann keine andere Praxis die Patienten übernehmen“, klagt Helmerich. In der Region wohnen rund 18 000 Menschen, laut Helmerich droht deshalb langfristig ein medizinisches Desaster.

    2011 schrieb Ex-Minister Erwin Huber: „Die hervorragende medizinische Versorgung vor Ort ist Markenzeichen des Gesundheitslands Bayern. Das muss auch so bleiben. Die Gesundheitsversorgung vor Ort muss zukunftsfit bleiben.“ Also entstand das „Kommunalbüro für ärztliche Versorgung“ oder „Die Bayerische Gesundheitsagentur“. Das Interesse an der Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin nimmt jedoch stetig ab. „Heute gibt es kaum noch junge Ärzte, die selbstständig eine Allgemeinarztpraxis führen wollen“, sagt Helmerich. Dazu kommt die generelle Umkehr der Geschlechterverhältnisse. Heute studieren deutlich mehr Frauen Medizin als noch vor wenigen Jahren. „Die werden dann schnell schwanger und fallen aus.“

    Auch über die Krankenkassen ärgert sich der Oberwerrner Hausarzt: „Die lesen die Statistiken so, wie sie sie lesen möchten.“ Denn die Krankenkassen verweisen regelmäßig auf eine medizinische Überversorgung in Bayern – durchschnittlich gerechnet. Das gehe vollkommen am Problem vorbei, sagt Helmerich. Denn die hohen Hausarzt-Zahlen in der Stadt würden den drastisch voranschreitenden Verlust an Praxen auf dem Land kaschieren. Helmerich beklagt, dass die Kassen nur langfristig denken, dabei bedürfe es sofortiger Hilfen. „Alle bisherigen Maßnahmen zur Erhaltung der hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum werden erst in mehr als zehn Jahren zur Wirkung kommen.“

    Noch „lebt“ die Praxis Dr. med. Klaus Helmerich in der Franz-Gößmann-Straße in Oberwerrn. Noch läuft es für Karoline Treutlein wie gewohnt. Aber ihr Chef ist 65. „Irgendwann will ich auch meinen Lebensabend genießen“, sagt er. Potenzielle Nachfolger: keine.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden