Betrüblich sei es, sagt Diana Schmeltzer, Betreiberin des Programmkinos "KuK" in Schweinfurt. Seit Corona bleiben ihre beiden Kinosäle oft so gut wie leer. Gerade einmal 60 Prozent der Besucherinnen und Besucher seien nach der Pandemie ins KuK zurückgekehrt. "Auf Dauer ist das einfach zu wenig. Für einen wirtschaftlichen Betrieb ist das mehr als schwierig", sagt sie.
Und mit dem ausbleibenden Publikum kämen auch die Zweifel. "Man fragt sich natürlich: Was mache ich falsch? Was kann ich besser machen oder was machen andere besser?", sagt Schmeltzer. Das einzig vermeintlich "Tröstliche": Das KuK steht mit dieser Entwicklung nicht alleine da.
Laut der Filmförderungsanstalt (FFA) besuchten im ersten Halbjahr 2022 38 Prozent weniger Menschen eine Kinovorstellung als im gleichen Zeitraum 2019. Programmkinos wie das KuK, die meist nur ausgewählte Filme abseits der großen Blockbuster zeigen, verkauften laut FFA sogar knapp 50 Prozent weniger Tickets als im Jahr vor der Pandemie.

Schweinfurter Kulturbetriebe in Sorge um die Zukunft
Eine Entwicklung, die auch Schweinfurter Kulturbetriebe mit Sorge beobachten. "Das ist keine Schweinfurter Besonderheit – das ist ein deutschlandweiter Trend. Wie soll man dagegen als Einzelner ankämpfen?", fragt Diana Schmeltzer. "Das deprimiert natürlich", sagt sie.
Aber nicht nur Kinos haben mit ausbleibendem Publikum zu kämpfen. Auch in Theatern, bei Lesungen, im Kabarett und bei kleineren Konzerten waren die Zuschauerzahlen jüngst verhalten. "Auch wir haben noch immer leere Plätze bei Veranstaltungen, die vor der Pandemie besser besucht waren", sagt Jürgen Dahlke, Geschäftsführer der Schweinfurter Kulturwerkstatt "Disharmonie".
Zwar hätten sich die Zahlen seit der Sommerpause etwas verbessert, vom Niveau vor der Pandemie sei man jedoch nach wie vor weit entfernt. Hatten 2019 noch rund 24.000 Menschen die Disharmonie besucht, waren es 2022 bislang gerade einmal halb so viele.
60 Prozent Auslastung im Schweinfurter Stadttheater – vor Corona waren es über 80
Und auch in großen Häuser bemerkt man die Zurückhaltung der Kulturfans. "Wir spüren, dass eine gewisse Verhaltenheit da ist", sagt Christof Wahlefeld, Leiter des Theaters der Stadt Schweinfurt. Aktuell liege das Stadttheater in seiner neuen Ersatzspielstätte im Evangelischen Gemeindehaus bei einer Auslastung von knapp 60 Prozent. Vor Corona seien es im Schnitt über 80 Prozent gewesen.

"Das Schlimmste, das wir hatten, war eine Vorstellung mit 25 Zuschauern", sagt der Intendant – bei einer Saalkapazität von 400. Doch nicht alles laufe so schlecht. Besonders populäre Titel zögen nach wie vor Publikum an und die Kindervorstellungen seien beinahe durchweg ausverkauft.
Dass Kinderstücke gut ankommen, merkt auch das Kleine Stadttheater in Gerolzhofen. Die Vorstellungen des Kinderstücks "Frau Holle" seien nahezu vollständig ausverkauft, sodass sogar eine Zusatzvorstellung anberaumt wurde, freut sich Leiterin Silvia Kirchhof. Dennoch blicke auch sie mit Sorge in die Zukunft.

"Natürlich haben wir auch ein bisschen Angst, was passiert, wenn die Besucherzahlen nachlassen. Wir sind ein kleiner Amateurtheaterverein, wir haben keinen großen Puffer", sagt sie. Wegen der immensen Heizkosten habe man sich deshalb trotz der guten Besucherzahlen entschieden, das Theater im Januar und Februar geschlossen zu halten.
Was hält die Menschen aus der Region Main-Rhön von den Kulturbetrieben fern?
Corona, die Energiekrise, Inflation – die Vermutungen in der Branche darüber, was die Menschen aus den Sälen fernhält, sind vielfältig: "Ich denke, es ist einfach die Summe der Unsicherheiten. Das Ausgehverhalten hat sich verändert. Wir im Programmkino haben zudem ein eher älteres Publikum, die sind mit Corona noch etwas vorsichtiger", sagt Diana Schmeltzer.
"Corona ist sicherlich ein kleiner Teil der Begründung. Was ich aber auch mitbekomme ist, dass die Leute erst die Strom- und Gasnachzahlung abwarten wollen. Sie sagen ganz klar: Theater ist Teil meiner Freizeitgestaltung und damit etwas, woran ich sparen kann", sagt Christof Wahlefeld. Speziell beim Stadttheater käme zudem eine allgemeine anfängliche Skepsis gegenüber der Ersatzspielstätte und der neuen Leitung hinzu, vermutet der Intendant. "Das ist etwas, wo ich persönlich noch Überzeugungsarbeit leisten muss."

Zudem hätten sich viele während der Lockdowns an Abende vor dem Fernseher statt im Kino und Theater gewöhnt, heißt es aus der Kulturszene. "Die Leute sind einfach entwöhnt. Zwei, fast drei Jahre kein Kulturbetrieb – das hat natürlich Auswirkungen. Das Alltagsleben sieht jetzt anders aus", sagt Jürgen Dahlke.
Neue, noch unbekannte Künstlerinnen und Künstler haben es schwer
Während Auftritte etablierter Künstlerinnen und Künstler zum Teil "fast so wie früher, vor der Pandemie" laufen, leiden gerade neue, noch unbekanntere Kulturschaffende unter der Zurückhaltung, meint Dahlke.
"Die Leute sind vorsichtiger. Vielleicht auch, weil sie das Geld nicht mehr so haben", mutmaßt er. Für junge Künstlerinnen und Künstler werde es dadurch immer schwieriger. "Welcher Veranstalter nimmt denn noch Newcomer ins Programm, wenn er weiß, die fangen gerade erst ganz klein an?", fragt Dahlke. Viele kleine Läden könnten sich diese Unsicherheit kaum noch leisten.
"Wenn es über zwei, drei Jahre oder noch länger immer weiter bergab geht, dann stirbt das Kulturleben. Das muss den Leuten bewusst sein"
Jürgen Dahlke
Sollte der Trend anhalten, könnte das für die Kulturlandschaft gravierende Folgen haben, befürchtet er. "Neue Trends entstehen in den kleinen Läden. Sie stehen für Innovation in der Kulturszene. Wenn es über zwei, drei Jahre oder noch länger immer weiter bergab geht, dann stirbt das Kulturleben. Das muss den Leuten bewusst sein", sagt er.
Kulturbetriebe ziehen Konsequenzen
Um dem entgegenzuwirken, ziehen die Kulturbetriebe bereits erste Konsequenzen. Ein zum Teil reduziertes Angebot, vermehrt bekannte Titel und etablierte Kunstschaffende im Programm, mehr Marketing und neue Formate sollen die Zuschauenden zurück in die Säle bringen. Und die Hoffnung auf Mund-zu-Mund-Propaganda.
Vorstellungen wegen geringer Auslastung abzusagen, käme deshalb kaum in Frage. "So lange wir es uns leisten können, sollten wir die Zuschauer, die kommen und uns damit helfen, nicht im Stich lassen. Man hat sonst ganz schnell einen schlechten Ruf weg und das muss man gerade jetzt unbedingt vermeiden", sagt Christof Wahlefeld.

Man versucht durchzuhalten doch die Sorge wächst. "Wir haben noch Atem. Aber wenn der Umsatz auf Dauer so niedrig bleibt und die Leute nicht zurückkommen, dann steht natürlich irgendwann die Schließung im Raum", sagt Diana Schmeltzer. "Wir haben sehr gedarbt die letzten 2,5 Jahre und die Kulturbranche hat es immer noch schwer. Aber die Szene muss vielseitig bleiben", sagt Silvia Kirchhof.