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SCHWEINFURT (UE): Lieber Hünen statt Haftschalen

SCHWEINFURT (UE)

Lieber Hünen statt Haftschalen

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    Spiel, Kleiner: Achim Hofmann, Zarah Leander und Silvia Kirchhof  auf der Bühne der Disharmonie.
    Spiel, Kleiner: Achim Hofmann, Zarah Leander und Silvia Kirchhof auf der Bühne der Disharmonie. Foto: FOTO Uwe Eichler

    Gleich zu Beginn gibt es Probleme: Wie kommt man mit langem, engen Dreißiger Jahre-Rock auf die Bühne der Disharmonie?

    Silva Kirchhof meistert die Situation souverän. „100 Jahre Zarah Leander“ stand auf dem Programm des Gerolzhöfer Nostalgie-Duos Silvia Kirchhof (Gesang) und Achim Hofmann (Piano) alias „Café Sehnsucht“. Wurde die lebende Legende Leander doch am 15.März 1907 als Sara Stina Hedberg im schwedischen Karlstad geboren.

    Außer den richtigen Hobbys (Porzellandosen Sammeln, Saufen) hatte die Göttliche aus Karlstad vor allem die passende Stimme zur Diva: Kontra-Alt, ein rauchiger, tiefer, faszinierender „Frauen-Bariton“ – von Silvia Kirchhof natürlich nicht kongenial, aber mit dem richtigen Flair und kraftvoll interpretiert.

    Ansonsten war der kuhäugige Ufa-Star vor allem schwer kurzsichtig, körperlich wie politisch: Sie sei halt ein „politischer Vollidiot“ gewesen, meinte die angebliche „Nazi-Sirene“ nach dem Krieg lapidar: Neunzig von hundert ihrer Lieder hätten sich in Hitler-Deutschland um die Liebe gedreht, weil sich neunzig von hundert Menschen nun mal mehr für die Liebe als für Politik interessieren würden.

    Bei ihren Auftritten ließ sich die fast blinde Leander von zwei germanisch blonden Hünen auf die Bühne führen: „Ich brauch für sowas Haftschalen“, seufzt Silvia Kirchhof ironisch. In einem Film tanzt hinter ihr gar die „Leibstandarte Adolf Hitler“, als Statisten in Frauenkleidern („Die Große Liebe“, 1942).

    Süffisant zeichnet Achim Hofmann die Rolle der schönen Schwedin in einer Zeit nach, die nicht wirklich von der Liebe geprägt war , vergisst aber auch Zarah Leanders subversive Seite nicht. Ihr berühmtester Schlager „Davon geht die Welt nicht unter, sie wird ja noch gebraucht“ war 1942, im Bombenhagel, durchaus doppeldeutig zu verstehen: eine Auftragsarbeit von Joseph Goebbels, für die Freund Michael Jary den Komponisten eigens aus dem KZ holen musste. Die bestverdienende Kunstschaffende des „Dritten Reichs“ war die Sängerin und Schauspielerin dennoch.

    Aber all zu sehr verstrickte sich Zarah Leander, die sich 1943 ins neutrale Schweden verabschiedete, in das System nicht. In Ufa-Filmen wie „Es war eine rauschende Ballnacht“ oder „La Habaera“, die fast immer an exotischen Orten spielten, verguckte sich die Diva regelmäßig in den Falschen, musste ausgiebig leiden, bevor sie - „Kann denn Liebe Sünde sein?“ - am Ende dem Richtigen in die Arme sank. In „Zu neuen Ufern“ von 1937 landet sie, zur Nummer degradiert, in einem australischen Gefangenenlager: Ein Schuft, wer da im Deutschland der Dreißiger (nicht) an den eigenen fatalen Flirt mit gewissen Verführern dachte.

    Nach 1945 in der Heimat Schweden geächtet, gab es für die dreimal verheiratete Zarah Leander dann noch mal ein Comeback – unter anderem als „Diva der Schwulen“. 1981 starb sie in Stockholm, nachdem sich für sie bei manchen Auftritten der Vorhang bis zu 147mal gehoben hatte. „Café Sehnsucht“ muss in Schweinfurt zwar mit weniger Zugaben auskommen - ihre liebevoll-neckische Hommage an Zarah Leander hatte dennoch Stil und Witz.

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