An diesem Donnerstagabend ist Halbfinale – und bei Familie Marcato, Inhaber der Pizzeria Ai Due Galli in Grafenrheinfeld, ist azurblauklar, für welche Mannschaft die Herzen schlagen. Auch wenn der gebürtige Padovaner Tiziano „Tizi“ Marcato seit 40 Jahren in Grafenrheinfeld lebt und „fränkelt“ wie ein echter „Rafelder“ – beim Fußball ist dann doch Schluss mit dem lustigen deutschen Dolce Vita.
Da ist „Tizi“ nämlich mit Leib und Seele Italiener. Im Visier hat er natürlich das Finale und den EM-Titel für Italien. Auch Sohn Mario, Dank Mutter Doris streng genommen ja nur ein halber Italiener, drückt fest die Daumen für die Azurri und deren Trainer Cesare Prandelli. Und damit das auch der Letzte kapiert, hat Mario sich die italienische Flagge ins Haar gefräst und mit den landestypischen Farben weithin sichtbar gemacht. Auch Ehefrau Doris ist eingeschworen: sie ist unparteiisch, erklärt „Tizi“ grinsend und alles andere würde ihr wohl auch nicht so gut bekommen bei zwei eingefleischten Italienfans in der Familie.
Noch ein paar Stunden, dann bricht in der grün-weiß-rot dekorierten Scheune der Marcatos das Fußballfieber aus. Halbfinalgucken mit etwa 40 geladenen Freunden und Bekannten ist angesagt, die natürlich auch dann kommen dürfen, wenn sie bei deutschen Toren jubeln. Die Pizzeria am Kirchplatz ist dafür ab 20 Uhr geschlossen, auf den sogenannten „Public Viewing“-Stress hat der Gastwirt keine Lust und auf allzu übereifrige Patrioten und schon gehörte Sätze wie „Spaghettifresser fahrt heim“ schon gar nicht.
Bei solchen Sprüchen sieht der 52-Jährige rot. Wer nicht Spaß und Fairness praktiziert, kann bleiben „wo der sprichwörtliche Pfeffer wächst“, sagt Tizi. Er weiß wovon er spricht, hat er doch viele Jahre selbst als Trainer von Apollonia Schweinfurt, Spieler in Grafenrheinfeld und überzeugter Inter-Mailand-Fan, den Fußball von allen Seiten kennengelernt.
Und wie geht das Halbfinale nun aus? Auch da sind sich die Marcatos einig: Italien gewinnt natürlich. Tizi tippt 3:1, die anderen zwei 2:1. Mario ist dabei etwas gnädiger und meint, dass sich das Spiel erst in der Verlängerung entscheidet.
Die Statistiken sprechen ja auch für einen italienischen Sieg, doch ganz will sich Tizi darauf nicht verlassen und hat neben dem neuen EM-Trikot auch schon seine „italienische Glücksunterhose“ parat gelegt. Und wenn die nun nicht hilft und Deutschland sich ins Finale kickt? Dann ist Tizi im Endspiel doch ein Deutscher und drückt die Daumen für seine zweite Heimat. Egal, wie es nun heute Abend ausgeht: für Familie Marcato heißt es am Sonntag mitfiebern, bangen und vielleicht den Sieger bejubeln – so oder so.