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Gochsheim: Nach harscher Kritik des DGB: Jetzt meldet sich Edeka Vorstandschef Sebastian Kohrmann zu Wort

Gochsheim

Nach harscher Kritik des DGB: Jetzt meldet sich Edeka Vorstandschef Sebastian Kohrmann zu Wort

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    Wehrt sich gegen die Kritik der Gewerkschaft im laufenden Tarifstreit: Sebastian Kohrmann, Vorstandssprecher von Edeka Nordbayern in Rottendorf.
    Wehrt sich gegen die Kritik der Gewerkschaft im laufenden Tarifstreit: Sebastian Kohrmann, Vorstandssprecher von Edeka Nordbayern in Rottendorf. Foto: Thomas Obermeier

    Der Streik im Edeka-Zentrallager in Gochsheim wurde bis zum Wochenende verlängert. Seit Wochen fehlen Waren in den Edeka-Märkten in der Region. Kürzlich kritisierte DGB-Bayernchef Bernhard Stiedl Edeka deutlich. Dagegen wehrt sich nun Vorstandssprecher Sebastian Kohrmann im exklusiven Gespräch mit dieser Redaktion.

    DGB-Bayernchef Bernhard Stiedl nannte im Zusammenhang mit der Tarifauseinandersetzung das Verhalten von Edeka als Arbeitgeber „unverschämt“. Wie reagieren Sie auf diesen Vorwurf?

    Sebastian Kohrmann: Alleine diese Formulierung zeigt, wie aufgeheizt diese Debatte inzwischen geführt wird. Zu einer echten Verhandlung gehören immer zwei Seiten. Leider stellt Verdi seit April unverändert die gleiche Tarifforderung und es kam bislang noch zu keiner Annäherung. Fakt ist, dass wir den tariflichen Frieden als Edeka Nordbayern leider nicht selbst in der Hand haben. Hierfür braucht es den Flächentarifabschluss des Arbeitgeberverbands mit Verdi. Wir haben in der Tarifkommission des Arbeitgeberverbands nur eine von rund 15 Stimmen und forcieren mit unserer Stimme schon lange eine zweistellige Tariferhöhung für 2023/24.

    Edeka zahlt rückwirkend ab Juli eine Prämie an die Mitarbeitenden und hat der Gewerkschaft einen Vorschalttarifvertrag mit einem Gehaltsplus von 10,5 Prozent für die Edeka-Beschäftigten angeboten. Gab es auf dieses Angebot eine Reaktion der Gewerkschaft? Halten Sie dieses Angebot aufrecht?

    Kohrmann: Da sich die Flächentarifverhandlung so lange hinzieht, sind wir sogar mehrfach auf Verdi mit dem Vorschlag für einen Vorschalttarif nur für die Edeka Nordbayern zugegangen. Leider kam keinerlei Reaktion auf unser Verhandlungsangebot. Daher haben wir nun all unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Tariferhöhung von plus 10,5 Prozent in zwei Schritten im Rahmen einer Gesamtzusage verbindlich zugesichert.

    Ist das Vorgehen der Gewerkschaft überzogen?

    Kohrmann: Wir halten den Fokus von Verdi auf unser Unternehmen für unverhältnismäßig. Die folgenden Zahlen verdeutlichen das Missverhältnis: Bis 4. August sind in unseren vier fränkischen Lägern rund 15.000 Manntage Arbeitskraft durch die wochenlangen Streikaufrufe ausgefallen. Zum Vergleich: Bei dem am zweitmeisten bestreikten Mitglied der Tarifkommission des Arbeitgeberverbandes, welches eine vergleichbare Anzahl an Lagermitarbeitern hat, sind es laut unseren Informationen nur rund 300 Manntage. Wir werden also um den Faktor 50 stärker bestreikt.

    "Wir halten den Fokus von Verdi auf unser Unternehmen für unverhältnismäßig."

    Sebastian Kohrmann.

    Wie kann aus Ihrer Sicht der Konflikt zwischen den Tarifparteien im Handel gelöst werden?

    Kohrmann: Wir hoffen auf einen Durchbruch bei der Flächentarifverhandlung am 28. August in München. Wir werben mit unserer Stimme in der Tarifkommission der Arbeitgeber auch weiterhin für das Angebot einer zweistelligen Tariferhöhung für 2023/24. Gleichzeitig hoffen wir, dass sich auch Verdi bewegt und wie sonst üblich, einen Tarifabschluss von 24 Monaten möglich macht. Am Ende geht es um Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten.

    Wie sind die Arbeitsbedingungen aus Ihrer Sicht? Fühlen Sie sich durch die teils harsche Gewerkschaftskritik an den Pranger gestellt?

    Kohrmann: Fakt ist, dass wir in unserer Logistik bereits jetzt übertarifliche Leistungen bieten, die es oftmals woanders nicht gibt. Ein Frische-Kommissionierer oder ein Lkw-Fahrer des Lagers Gochsheim verdient zum Beispiel im Durchschnitt rund 3400 Euro brutto pro Monat, da wir umfangreiche Prämien, Zulagen und Zuschläge bezahlen. Wir machen aber noch viel mehr für unsere Beschäftigten, so wird beispielsweise in unserer Kantine ein vollwertiges Essen für nur 1,50 Euro stark subventioniert, es gibt jederzeit kostenlos Wasser und frisches Obst. Aber auch die Möglichkeit, Dieselfahrzeuge günstiger zu betanken, wird bei den aktuellen Spritpreisen gerne in Anspruch genommen.

    "Am Ende geht es um Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten."

    Sebastian Kohrmann

    Wie stehen Sie dazu, dass das Zentrallager in Gochsheim bis 13. August weiter bestreikt wird, wenn erst am 28. August die nächste Verhandlungsrunde ansteht?

    Kohrmann: Was uns am meisten bedrückt ist, dass einzelne Vertreter von Verdi durch eine sehr einseitige Kommunikation in WhatsApp-Gruppen versuchen, einen Keil in unsere Belegschaft zu treiben. Der Großteil der rund 8500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Konzern der Edeka Nordbayern kann die Massivität der Streikaufrufe nicht nachvollziehen. Wir erleben derzeit eine unglaubliche interne Solidarität. Mittlerweile unterstützen mehr als 450 Beschäftigte aus der Verwaltung, dem Außendienst und dem Einzelhandel die nicht Streikenden in den Lagern. Allen, die den Laden derzeit am Laufen halten, gilt mein großer Dank und Respekt.

    Edeka ist nur eines von 15 Handelsunternehmen in Bayern in der Tarifkommission. Warum wird ausgerechnet Ihre Firma so intensiv bestreikt?

    Kohrmann: Die gleiche Frage haben wir Verdi auch schon gestellt.

    Mit welchen Einschränkungen müssen die Kunden in den betroffenen Märkten in Unterfranken rechnen? Welche Sortimente sind betroffen?

    Kohrmann: Die Belieferung mit Obst und Gemüse sowie den Frischeprodukten läuft weiterhin reibungslos. Im ungekühlten Trockensortiment sowie dem Tiefkühlbereich gibt es zunehmend Regallücken, je länger die Streiks andauern. Die Kundinnen und Kunden werden trotzdem weiterhin ihre Einkäufe bei uns ordentlich erledigen können. Wir müssen aber leider um Verständnis und Flexibilität bei der Produktauswahl werben.

    Die Auswirkungen des Streiks im Logistikzentrum in Gochsheim sind derzeit für Kundinnen und Kunden in den Edeka-Märkten der Region sichtbar.
    Die Auswirkungen des Streiks im Logistikzentrum in Gochsheim sind derzeit für Kundinnen und Kunden in den Edeka-Märkten der Region sichtbar. Foto: Thomas Obermeier

    Wie reagieren die Kundinnen und Kunden auf den Streik und das teilweise eingeschränkte Sortiment?

    Kohrmann: Die Streiksituation stößt bei unserer Kundschaft zunehmend auf Unverständnis. Unsere selbstständigen Edeka-Kaufleute trifft es hart – es geht hier wirklich an die Substanz.

    Wie hoch ist der monetäre Schaden für Edeka und wie viele Streiktage waren es?

    Kohrmann: Wir beziffern den Schaden durch die rund 240 Streiktage mittlerweile auf einen zweistelligen Millionenbetrag.

    DGB-Bayernchef Stiedl kritisierte auch das Verhalten Edekas im Zentrallager in Gochsheim gegenüber den Mitarbeitenden, die streiken. Ist diese Kritik gerechtfertigt?

    Kohrmann: Die Aussage, dass Edeka Nordbayern ein Inflations- und Krisengewinner sei, geht völlig an der Realität vorbei. Eine aktuelle Studie der CRA zur Einkaufs- und Verkaufspreisentwicklung bestätigt dies. Auch unser Geschäftsbericht 2022 zeigt, dass wir die Verkaufspreise deutlich weniger stark als eigentlich nötig angehoben haben. Wir haben 2022 mehr als 30 Millionen Euro Ertragsrückgang zum Wohle der Verbraucher in Kauf genommen, um die Inflationsauswirkungen zu bremsen. Unser operatives Ergebnis ging in der Folge im Jahr 2022 um mehr als 43 Prozent zurück.

    Bernhard Stiedl sprach von einem drohenden „Großkonflikt“, wie kann man den verhindern?

    Kohrmann: Für uns fühlen sich die durchgängigen Streiks mit einer Dauer von bald neun Wochen schon jetzt nach einem großen Konflikt an. Ich kann nur an beide Tarifparteien appellieren, dass sie bei der Tarifverhandlung am 28. August in München positiv aufeinander zugehen. Kompromisse statt Ideologie sind gefragt. Gleichzeitig gilt unser zuvor genanntes Gesprächsangebot an Verdi natürlich auch noch immer.

    Edeka NordbayernSeit 2010 ist Sebastian Kohrmann (40) bei Edeka, seit 2018 im geschäftsführenden Vorstand, wo er unter anderem Vorstandssprecher ist. Die Edeka  Unternehmensgruppe Nordbayern-Sachsen-Thüringen mit Sitz in Rottendorf ist eine von sieben regionalen Unternehmensgruppen des Edeka-Verbundes. Es werden gut 900 Einzelhandelsmärkte in Franken, der Oberpfalz, Sachsen, Thüringen und dem nördlichen Baden-Württemberg beliefert, der Konzernumsatz betrug 2022 gut 4,4 Milliarden Euro.In Gochsheim ist das größte Logistik-Zentrum von Edeka Nordbayern-Sachsen-Thüringen. Hier werden über 44.000 Artikel abgewickelt und pro Woche 1,9 Millionen Kunden in rund 700 Märkten versorgt. Vor zwei Jahren wurde es für 25 Millionen Euro erweitert.Quelle: Edeka/Schweinfurter Tagblatt

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