Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Stadt Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

Schweinfurt: Nachsommer: Beifallsstürme für Dota und Band und ihre großartige Reverenz an die Dichterin Mascha Kaléko

Schweinfurt

Nachsommer: Beifallsstürme für Dota und Band und ihre großartige Reverenz an die Dichterin Mascha Kaléko

    • |
    • |
    Dota Kehr und Band begeisterten beim Nachsommer in Schweinfurt, gleichzeitig ihr Tournee-Auftakt .
    Dota Kehr und Band begeisterten beim Nachsommer in Schweinfurt, gleichzeitig ihr Tournee-Auftakt . Foto: Heiko Becker

    Ein außergewöhnlicher Abend. Das "Nachsommer"-Publikum im ausverkauften Fresenius-Forum erlebte das imaginäre Zusammentreffen zweier Berliner Künstlerinnen: Zwar durch ein Jahrhundert getrennt - doch darf man die Sängerin und Liedermacherin Dota und die Lyrikerin Mascha Kaléko (1907-1975) wohl als Schwestern im Geist bezeichnen. Beide erzählen in ihren Texten vom Alltag der kleinen Leute, von ihren Erfolgen, Betrübnissen und Niederlagen. Und diese schlichten unpathetischen Worte und Gedanken gewinnen schnell unser Herz.

    Da ist einmal Dota (Kehr), die ihre ersten musikalischen Erfahrungen mit Straßenmusik machte. Sie studierte in Berlin Medizin und machte 2010 ihren Abschluss. Doch ihre Liebe zur Musik gewann: Ein Stipendium für einen Auslandsaufenthalt führte sie nach Brasilien, wo sie mit bekannten Gitarristen musizierte.

    Einladungen des Goethe-Institutes führten sie und ihre Band 2006 nach Russland, 2009 nach Neuseeland. Heute ist die preisverwöhnte Künstlerin Dota mit ihrer großen Fangemeinde ein Begriff für ihre eigenwilligen Geschichten über den Alltag und die Liebe, aber auch für ihre Gesellschaftskritik.

    Als Texte für Dotas Vertonungen passen die pointierten Alltagsskizzen von Mascha Kaléko wie angegossen. Umgekehrt findet Kalékos Poesie in Dota eine sensible Interpretin, die den Ton der Verse zum Leuchten bringt. In "Großstadtliebe" erzählt sie von den Problemen der Liebespaare im Berlin der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. "Man küsst sich auf dem Paddelboot", und "Erotik muss sich auf den Sonntag beschränken, weil man zuhause möbliert wohnt". Am Ende heißt es: "Und hat man genug von Weekendfahrt und Küssen, lässt man es einander durch die Reichspost wissen. Per Stenographschrift ein Wörtchen: "Aus". Dota ergänzt nach dem Song "Heute würde man das per SMS machen".

    Kalékos Begeisterung für das Leben

    In "Sozusagen grundlos vergnügt" beschreibt Kaléko in berührenden Worten ihre Begeisterung für das Leben: "Ich freue mich, dass ich mich an das Schöne und an das Wunder niemals ganz gewöhne. Ich freue mich – dass ich mich freu". Danach erklingen melancholische Töne. "In dieser Zeit" gilt für heute wie für damals: "Wir haben keine andere Zeit als diese, die uns betrübt mit halb gefüllter Scham. Wir wurden alt, bevor wir jung gewesen. Unser Leben ist ein Nochnichtsterben".

    Zurücklehnen und genießen, einen Abend voller Poesie beim Nachsommer in Schweinfurt.
    Zurücklehnen und genießen, einen Abend voller Poesie beim Nachsommer in Schweinfurt. Foto: Heiko Becker

    Zwischen den Liedern erzählt Dota aus dem Leben Mascha Kalékos, die als Kind mit ihrer Familie aus Galizien nach Deutschland kam. Nach ihrer Schulzeit arbeitete sie als Sekretärin und verarbeitete ihre Erlebnisse in ihren frühen Gedichten, die sogleich wegen ihrer Mischung aus Witz, Ironie und Wehmut veröffentlicht wurden. Als Songs wurden sie von ihr selbst, aber auch von Claire Waldoff im Radio vorgetragen. 1938 emigrierte Kaléko mit ihrer Familie nach New York. Nach ihrer Rückkehr nach Europa wurde die Dichterin bei ihren Lesereisen begeistert gefeiert.

    Einsamkeit der Liebenden

    In "Für Chemjo zu Pessach 1944" beschwört Kaléko wehmütig den Wunsch nach der Leichtigkeit der Jugend – die gestopfte Posaune und die Bassklarinette singen dazu ein "Vergeblich". "Kein Kinderlied" erzählt von Vertreibung, von Rückkehr in die zerstörte Heimat und von Verzweiflung. "Und als der fremde Vogel schrie, bin ich davongerannt. Wohin ich immer reise, ich komme nach Nirgendland". Ein wunderschönes Liebesgedicht voller Zärtlichkeit und verhaltener Traurigkeit ist der Song "Blatt im Wind", in dem es heißt "Ich bin ein Blatt, zu früh vom Baum gerissen. Ob alle Liebenden so einsam sind?"

    Eingerahmt werden die Kaléko-Songs von eigenen Kompositionen, in denen Dota poetisch, liebevoll, witzig und gesellschaftskritisch das Leben beschreibt und es feiert. "Drahtseil", "Warten auf Wind" oder "Sommer für Sommer" sind kleine Kostbarkeiten. Zu Beginn des Abends gehörte die Bühne für drei Lieder der Songwriterin Wencke Wollny, Frontfrau der Leipziger Band "Karl die Große", die bei Dota für Saxofon, Klarinette und Gesang zuständig ist. Die übrigen Musiker sind Jan Rohrbach (Gitarre, Bass), Janis Görlich (Schlagzeug), Jörg Buchler (Posaune) und Patrick Reising (Keyboard).

    Stürmischer Schlussapplaus, Begeisterungspfiffe, stehende Ovationen. Und viele Zugaben. Das Publikum mag sich nicht trennen. Dota und ihre Musiker strahlen: Das heutige Konzert in Schweinfurt war ihr Tournee-Auftakt. Alles hat geklappt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden