Wegen mutmaßlicher Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole musste sich jüngst eine 45-jährige Landkreisbewohnerin vor dem Amtsgericht Schweinfurt verantworten. Laut Anklageschrift soll die Angeklagte, die regelmäßig im Rahmen der sogenannten "Sonntagsdemonstrationen" in Schweinfurt aktiv ist, Anfang November 2022 an einer Versammlung unter dem Titel "Friede, Freiheit, Wahrheit" auf dem Schweinfurter Marktplatz teilgenommen und dabei einen selbstverfassten Text auf die Melodie der deutschen Nationalhymne gesungen haben.
"Bestes Deutschland aller Zeiten, Ausverkauf für Chinatown, beste Pharmatechgiganten und der Michel glaubt es kaum", soll sie laut Anklageschrift mindestens zweimal über ein Mikrophon zum Besten gegeben haben. Die Staatsanwaltschaft sah darin eine Verunglimpfung des deutschen Staates und seiner Zeichen und erhob Anklage.
Gegen den Strafbefehl legte die 45-Jährige jedoch Einspruch ein. Vor Gericht zeigte sie sich von den Vorwürfen überrascht. "Sehen Sie das wirklich als Verunglimpfung an?", fragte sie den Vorsitzenden Richter. Dass sie die Zeilen auf der Versammlung gesungen habe, bestritt sie nicht – immerhin beweisen das auch Videoaufnahmen. Explizit auf die Melodie der deutschen Nationalhymne habe sie diese aber nicht gemünzt.
Lied sei als Warnung und Ausdruck der Sorge gedacht gewesen
Vielmehr sei die Kombination aus einem von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entlehnten Zitat und der Figur des "deutschen Michel" als Sinnbild eines "Deutschen, der nicht so viel nachdenkt" allgemein als Warnung gedacht gewesen, sagte die Angeklagte vor Gericht: "Im Endeffekt ist es eine Sorge, die ich damit zum Ausdruck gebracht habe."

Eine Sorge wovor? Vor dem Einfluss der "Großen", die hierzulande "die Kleinen" nach und nach aufkaufen, so die Angeklagte. Gemeint seien damit Investoren und Konzerne aus dem Ausland, vornehmlich aus China. "Man sieht ja hier in Schweinfurt, dass immer mehr Geschäfte schließen", sagte die 45-Jährige. Dass sie den Text an jenem Tag auf die Melodie der deutschen Nationalhymne gesungen habe, sei "reiner Zufall" und nicht geplant gewesen.
"Hätten Sie den Text auf 'Alle meine Entchen' gereimt, säßen wir jetzt nicht hier."
Auch habe sie den Text nach eigener Aussage nicht genau so gesungen, wie in der Anklageschrift zitiert. Strafrechtlich relevant sei laut dem Vorsitzenden Richter jedoch ohnehin weniger der Text an sich, als vielmehr dessen Kombination mit der deutschen Nationalhymne. "Hätten Sie den Text auf 'Alle meine Entchen' gereimt, wären wir jetzt nicht hier", erklärte er. Man bewege sich in diesem Fall in einem Spannungsfeld zwischen Kunstfreiheit und dem Schutz der Staatssymbole.
Letztlich entschied das Gericht, unter Einverständnis der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung, das Verfahren nach Paragraf 153a Strafprozessordnung einzustellen und erteilte der Angeklagten eine Geldauflage von 100 Euro. Das Geld soll die Schweinfurter Kindertafel erhalten. Die 45-Jährige bleibe damit weiterhin ohne Vorstrafen.