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Sulzheim: Region GEO: Naturschützer kritisieren "Giftdusche" für Wälder

Sulzheim

Region GEO: Naturschützer kritisieren "Giftdusche" für Wälder

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    Ein Hubschrauber bringt das Insektizid "Mimic" aus. Dies soll helfen, eine erneute Plage von Schwammspinner-Raupen wie voriges Jahr zu vermeiden. Die Aktion ist bei Umweltverbänden umstritten.
    Ein Hubschrauber bringt das Insektizid "Mimic" aus. Dies soll helfen, eine erneute Plage von Schwammspinner-Raupen wie voriges Jahr zu vermeiden. Die Aktion ist bei Umweltverbänden umstritten. Foto: Bodo Schackow

    Die Raupe des Schwammspinners frisst und frisst und frisst. Mitunter so viel, dass einige Eichen- und mittlerweile sogar Buchenwaldbestände in Gefahr sind. Davon geht zumindest das Amt für Landwirtschaft und Forsten in Schweinfurt aus, das im April angekündigt hatte, dass auf etwa fünf Prozent der Waldfläche im Landkreis Schweinfurt das Insektizid „Mimic“ aus der Luft ausgebracht werden soll.

    Das ist bereits geschehen, alle geplanten Hubschraubereinsätze sind seit vergangener Woche beendet. „Mimic“ löst eine frühzeitige Häutung der Raupen aus, was zu deren Tod führt. Die Hubschrauberpiloten fliegen dazu über die Waldflächen und werfen das Mittel ab, unter anderem haben sie das bei Sulzheim getan. „Die laufende Massenvermehrung des Schwammspinners geht 2020 im Landkreis Schweinfurt ins dritte Jahr“, teilt das Forstamt dazu mit. Der Gifteinsatz sei „zum Schutz hiesiger Laubwälder vor einem Kahlfraß durch Schwammspinnerraupen“ notwendig.

    Vorsichtsmaßnahmen in Sulzheimer Waldgebieten

    Bei Sulzheim sind die Waldgebiete Dürrfelder und Sulzheimer Wald sowie Heeg-Strecksee betroffen, wie die Gemeinde Sulzheim bekanntgibt. Der Hubschrauber ist dort laut Bürgermeister Jürgen Franz Schwab Anfang Mai im Einsatz gewesen. Die Aktion sei gut mit den Beteiligten abgestimmt worden. Ob er Bedenken habe, weil Gift gespritzt werde? In dieser Sache sei er kein Experte und könne das nicht beurteilen, er gehe aber davon aus, dass der Einsatz gut geplant und einwandfrei umgesetzt worden ist. „Ich verlasse mich da auf die Fachleute.“ Vorsichtsmaßnahmen gibt es dennoch in den betroffenen Sulzheimer Waldgebieten: „Pilze, Wildkräuter und wildwachsende Früchte dürfen in einem Zeitraum von drei Wochen ab dem Behandlungszeitpunkt nicht gesammelt und verzehrt werden“, warnt die Gemeinde. Entsprechende Hinweisschilder informieren Waldbesucher darüber.

    Schwammspinner haben hier ihr Gelege dicht an dicht an einem Buchenstamm angebracht. Nach dem Schlüpfen stürzen sich die gefräßigen Raupen auf das junge Blattwerk.
    Schwammspinner haben hier ihr Gelege dicht an dicht an einem Buchenstamm angebracht. Nach dem Schlüpfen stürzen sich die gefräßigen Raupen auf das junge Blattwerk. Foto: Herbert Ehehalt

    Der Schwammspinner hat sich laut Stephan Thierfelder vom Landwirtschaftsamt in Schweinfurt im Sommer 2019 weiter stark verbreitet, bereits 2018 war er massenhaft aufgetreten. Nun ist im dritten Jahr in Folge eine Bekämpfung der Nachtfalterart notwendig. „Etwa 40 Prozent der Behandlungsfläche liegt im Landkreis in neuen Gebieten, in denen der Schwammspinner in der Vergangenheit nie waldschädliche Dichten zeigte“, heißt es in einer Pressemitteilung des Amts. Waren früher hauptsächlich Eichenbestände gefährdet, drohen nun auch „Kahlfraß in buchenreicheren Wäldern, die bisher als zu kühl für den Schwammspinner angesehen wurden“. Beide Entwicklungen stünden „vermutlich im Zusammenhang mit den zurückliegenden heißen Jahren“.

    Schwammspinnerweibchen bei der Eiablage
    Schwammspinnerweibchen bei der Eiablage Foto: Amt für Landwirtschaft und Forsten

    Apell: "Giftdusche" in den Wäldern stoppen

    Kritik an dem Chemie-Einsatz kommt derweilen unter anderem von Naturschützern. „Wir kritisieren die Forstverwaltung, weil sie den Eindruck erweckt, den betroffenen Eichenwäldern drohe durch den Fraß der Schwammspinnerraupen eine bestandsbedrohende Gefahr, sozusagen der Exitus“, erklärt Ralf Straußberger, Waldreferent des Bund Naturschutzes (BN) Bayern, laut einer Pressemitteilung. „Auch wenn wir nachvollziehen können, dass sich Waldbesitzer um ihren Wald sorgen, bedauern wir deren Entscheidungen ihre Wälder vergiften zu lassen“, ergänzt Martin Geilhufe, Landesbeauftragter des BN. Der BN appelliert deswegen an Ministerpräsident Markus Söder, die Giftdusche in den Wäldern zu stoppen. Edo Günther, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Schweinfurt, wünscht sich, dass künftig Waldbesitzer und Kommunen im Raum Schweinfurt "einem flächigen Gifteinsatz in ihren Wäldern" nicht mehr zustimmen. „Die Versprechungen der Staatsregierung zur Bekämpfung des Insektensterbens und zur Umsetzung des Artenschutz-Volksbegehrens entpuppen sich als reine Lippenbekenntnisse, wenn hier die sehr artenreichen Eichenwälder flächig vergiftet werden.“ Das Pestizid "Mimic" trifft laut BN alle frei fressenden Insektenarten, die sich von Blättern der vorhandenen Bäume, Sträucher, Gräser und Kräuter ernähren, die mit dem Fraßgift benetzt werden. Damit wirke "Mimic" nicht selektiv nur auf Schwammspinnerraupen. 

    Knoblach: Reichlich Alternativen vorhanden

    Auch der Schweinfurter Landtagsabgeordnete Paul Knoblach (Grüne) ist mit dem Gifteinsatz nicht einverstanden. „Wer Mimic spritzt, muss sich darüber im Klaren sein, dass nicht nur der Schwammspinner verschwindet, sondern flächendeckend viele andere Insekten wie zum Beispiel Schmetterlings-, Tag und Nachtfalterraupen getötet werden“, sagt Knoblach. Die chemische Keule sei auch für den Menschen nicht ungefährlich und vor allem wegen der „reichlich vorhandenen Alternativen“ nicht zu verstehen, zumal laut Knoblach auch die natürlichen Feinde des Schwammspinners gleich mit vernichtet werden.

    Als Beispiele für schon erfolgreich praktizierte sanfte Bekämpfung nennt der Landtagsabgeordnete Baculoviren, „die ausschließlich die Raupen des Schwammspinners töten“, und die Burlap-Methode. Bei Letzterer mache man sich zunutze, dass der Schwammspinner seine Gelege in Spalten platziert, teilt Knoblach mit. Um die Bäume gebundene Kartoffelsäcke imitieren diesen Umstand, „die Gelege lassen sich unter den Säcken dann einfach absammeln“.

    "Mimic" wird gezielt eingesetzt

    Wie Stephan Thierfelder vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt auf Anfrage erklärt, ist das Insektizid Mimic tatsächlich auch für andere Falter schädlich. „Es ist so, die anderen Schmetterlingsraupen werden davon auch getroffen“, erklärt er. Allerdings wird das Gift nicht auf riesigen Flächen ausgebracht, sondern dort, wo der Schwammspinner massenhaft auftrete. Zum Ablauf: Nachdem Hubschrauber das Gift über den Wäldern abgeworfen haben, bleibt es auf den Blättern der Bäume haften. „Die Raupen fressen diese Blätter“, erklärt Thierfelder. Haben sie eine gewisse Menge verspeist, beginnt Mimic zu wirken. Es löst die frühzeitige Häutung aus, die Raupen sterben. Adulte Tiere seien davon nicht betroffen. Auch gilt Mimic nicht als bienenschädigend. Nach einigen Wochen lasse die Wirkung des Mittels wieder nach.

    Schwammspinner-Gelege mit frisch geschlüpften Raupen an einer Buche. Links im Bild: Larvenhäute aus dem Vorjahr.
    Schwammspinner-Gelege mit frisch geschlüpften Raupen an einer Buche. Links im Bild: Larvenhäute aus dem Vorjahr. Foto: Antje Roscoe

    Zu den etwa von Knoblach vorgeschlagenen alternativen Bekämpfungsmethoden sagt Thierfelder, dass sich bislang keine davon bewährt habe. Allerdings müsse das nicht so bleiben: „Ich denke, jeder Waldbesitzer wird offen dafür sein, wenn es bessere Methoden gibt.“ Jede diskutierte Maßnahme müsse zwei Voraussetzungen erfüllen: wirksam sein und in der Praxis realisierbar.

    Einsammeln? Auf größeren Flächen kaum umzusetzen

    Die Bekämpfung mit Baculoviren etwa sei Thierfelder bekannt und sie funktioniere auch. Allerdings: „Baculoviren sind bislang nicht zugelassen“, sagt er. Sie sind noch nicht im Pflanzenschutzmittelverzeichnis eingetragen, was Voraussetzung sei, um sie flächendeckend einsetzen zu dürfen. Die Methode mit den Kartoffelsäcken, mit deren Hilfe man die Gelege der Falter einsammeln könne, sei dagegen auf größeren Flächen kaum umzusetzen, bei einem kritischen Befall wäre das ein „sehr hoher Aufwand“, sagt Thierfelder. Allein auf einem Hektar Wald stünden ja mehrere 100 Bäume und es sind weitaus größere Flächen zu behandeln. Es gehe nicht um einzelne Bäume sondern um „hunderttausende auf mehreren tausend Hektar“ in ganz Franken. Die Eigelege befänden sich zudem nicht nur am bodennahen Stamm sondern auch unerreichbar in der Krone. Die alle mit Kartoffelsäcken zu präparieren, dürfte sich nicht ohne weiteres bewerkstelligen lassen.

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