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Nemo auf Sommerfrische

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Nemo auf Sommerfrische

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    Tierischer Fernsehstar in Gerolzhofen: Kurzkrallenotter Nemo begleitete seinen Ziehvater Dr. Wolfgang Gettmann auf den Spuren dessen Kindheit im Steigerwald und drückte im Schulmuseum im Alten Rathaus auch mal die Schulbank.
    Tierischer Fernsehstar in Gerolzhofen: Kurzkrallenotter Nemo begleitete seinen Ziehvater Dr. Wolfgang Gettmann auf den Spuren dessen Kindheit im Steigerwald und drückte im Schulmuseum im Alten Rathaus auch mal die Schulbank. Foto: Fotos: Matthias Endriss

    Wer mit Nemo unterwegs ist, fällt auf. Garantiert. Denn einen solchen Begleiter hat nicht jeder an der Leine. Wenn Dr. Wolfgang Gettmann mit seinem Kurzkrallenotter spazieren geht, ist er Fragen gewohnt. Vor allem von Frauen. Gettmann kennt seine Pappenheimer mittlerweile. „Die Frauen fragen, die Männer schauen erstaunt“, schmunzelt er: „Die Männer informieren sich dann zuhause am Internet, die Frauen wollen es sofort wissen.“

    Meist lässt Gettmann die Frager zunächst raten. „Also, ein Hund ist es nicht“, stellt eine Passantin schon mal ganz richtig fest. „So etwas habe ich gestern erst in Haßfurt gesehen. Die Frau hatte sogar zwei Stück davon“, behauptet ein anderer Mann selbstbewusst. Doch da irrt er gewaltig, denkt er doch, ein Frettchen vor sich zu haben. Der erste, der genau ins Schwarze trifft, ist ein kleiner Junge, dem Nemo in Gerolzhofen an der Volkach begegnet. „Ein Fischotter“, ist er sich gleich sicher. Gettmann bejaht.

    Kritische Fragen – wie etwa „Darf man das denn überhaupt?“ – sind selten, erzählt Gettmann. Was wohl auch daran liegt, dass er stets im Gespräch betont, es sei keinesfalls die natürlichste Sache der Welt, mit einem Otter an der Leine spazieren zu gehen. Selbst für einen Zoodirektor wie ihn nicht. Doch als Nemos Mutter 2005 im Düsseldorfer Aquazoo sieben Junge – viel zu viele für eine Kurzkrallenotterdame – zur Welt brachte, entschied sich Gettmann, eines der kleinen Raubtiere von Hand aufzuziehen. Zum einen, wie er sagt, um die Mutter zu entlasten, zum anderen, um mehr Erkenntnisse zur Verhaltensbiologie der Otter zu gewinnen. Seitdem lebt Nemo in der Familie des Zoologen.

    Und das kleine Fellbündel hat das Familienleben kräftig umgekrempelt. Gettmann erinnert sich an das von einem New Yorker Zoologen in den 50er Jahren geschriebene Vorwort zu einem Buch, in dem es sinngemäß heißt: „Keeping an otter is madness of a special kind.“ Auf gut deutsch: Einen Otter zu halten ist eine besondere Form des Wahnsinns. Das kann Gettmann bestätigen. Schließlich will Nemo fünf Mal am Tag sein Futter, hat bestimmte Ruhe- und Wachzeiten, nach denen man den eigenen Rhythmus ausrichten muss. Auch im Urlaub. Dabei ist Nemo sonst ein recht umgänglicher Hausgenosse. Er nagt keine Leitungen an, er reißt keine Tapeten von der Wand, er macht keine Polster kaputt. „Und“, so ergänzt Gettmann, „er geht hundertprozentig aufs Katzenklo.“

    Nemo ist zudem noch ein richtiger Charmebolzen mit seinen dunklen Knopfäuglein. Längst hat er sich zu einem Botschafter der Otter entwickelt, begleitet seinen Ziehvater zu Fachvorträgen und zu Talkshows. Johannes B. Kerner, Frank Elstner, Ranga Yogeshwar, Bernd Stelter – Nemo kennt sie alle, und alle kennen Nemo. Das WDR-Fernsehen drehte eine Dokuserie über ihn, in Facebook hat er seine eigene Fanseite. Eine Dame aus der Nähe von Düsseldorf, so erzählt Gettmann, hat sich Nemo sogar als Tattoo auf die Wade stechen lassen. Tierliebe, die unter die Haut geht. Im wahrsten Sinne des Wortes.

    Doch was verschlägt einen weit gereisten, tierischen Star wie Nemo nach Gerolzhofen? Die Gründe hierfür sind in der Familiengeschichte Gettmanns zu finden. Seine Mutter ist in Gerolzhofen geboren, heiratete nach dem Krieg ins Saarland. In Saarbrücken kam Sohn Wolfgang zur Welt, verlebte seine Jugend in der zerbombten Stadt. „Natur war, was aus Trümmern wuchs“, erinnert er sich.

    Kein Wunder, dass für ihn und seine Geschwister Ferien bei Oma Juliane Friedrich in Gerolzhofen hoch im Kurs standen: „Es gab fast keinen Straßenverkehr, wir waren bei den Bauern auf dem Hof gesessen. Das war für uns das Paradies.“ Mit seiner Tante Beate Tröster unternahm der Junge Streifzüge in den Steigerwald und in die Hörnau. „Als sie mir den ersten Laubfrosch gezeigt hat, war es für mich der Froschkönig“, erzählt Gettmann lachend.

    Schon da reifte der Wunsch, Zoologe zu werden. Und heute, da der 62-Jährige langsam auf die Rente zugeht, ist er vom Laubfrosch auf den Otter gekommen. Dieser begleitet ihn, seine Frau Edeltraud und Schäferhündin Laika natürlich auch bei dieser Reise in die Vergangenheit, wandert tapfer hoch zur Stollburg, planscht in der Volkach. Nemo – ein Otter auf Sommerfrische.

    Kurzkrallenotter

    Nemo ist ein Kurzkrallenotter (Amblonyx cinereus). Die auch Zwergotter genannten Tiere sind die kleinste der 13 weltweit bekannten Otterarten und werden etwa so groß wie eine kleine Katze. Kurzkrallenotter sind in Südostasien beheimatet und dort weit verbreitet, wenn auch bereits im Bestand gefährdet. Sie leben an Seen, Flüssen, an Reisfeldern und an der Meeresküste. Dieser Lebensraum deckt Nemos „wilder“ Verwandtschaft den Tisch mit Süßwasser- und Meeresfischen, Krebsen (Krabben, Garnelen), Insekten (Heuschrecken, Grillen), aber auch mit Fröschen und Eidechsen. Ein Kurzkrallenotter kann bis zu 16 Jahren alt werden. Nemos auch in Deutschland in freier Wildbahn vorkommender Verwandter ist der Europäische Fischotter, der rund doppelt so groß ist.

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