Schweinfurt (chr) Die Integration der ausländischen Mitbürger ist nach dem Hilferuf der Lehrer an der Rüttli-Schule wieder brandaktuell. In Schweinfurt gibt es vergleichbare Missstände nicht, zumindest noch nicht. Die Zahl türkischer Jugendlicher, die in der Region im vergangenen Jahr einen Ausbildungsplatz fanden, ist jedoch alarmierend. Nur acht türkische Jugendliche hatten bis zum September einen Ausbildungsplatz, sieben davon in der Stadt Schweinfurt.
Auch die Anzahl ausländischer Jugendlicher, die eine Lehrstelle suchten, sank 2005 um 29 Prozent. Diese Zahlen präsentierte Roland Maul, Ausbildungsberater der Handwerkskammer, im Rahmen einer Veranstaltung des Projekts "STARegio" vom Berufsförderungszentrum (bfz) Schweinfurt, das Betriebe und Jugendliche zusammenführen soll. Gefragt bei den türkischen Jungs waren besonders die Bereiche KFZ- und Anlagenmechaniker sowie Maler und Lackierer; bei den Mädchen Friseurin, Bäckereifachangestellte und Bürokauffrau.
Nur zehn Prozent der Unternehmen, die von türkischen Mitbürgern geführt werden, bilden aus, bedauerte Maul. Da stecke viel Potential drin, sagte er den 50 Teilnehmern, darunter viele Fachleute und Behördenvertreter, kaum Jugendliche und Geschäftsleute.
"Was machbar ist, das machen wir. Ich bitte aber um Verständnis, das wir hart sind und nicht jeden Betrieb als Ausbildungsbetrieb zulassen können", betonte Heinz Kos, der Ausbildungsleiter der Industrie- und Handelskammer. Auch wenn der Meisterbrief für viele Berufe abgeschafft sei, müssten doch die entsprechenden persönlichen, fachlichen und pädagogischen Kenntnisse vorhanden sein, auch wenn in Ausnahmefällen Befreiungen möglich seien. "Wegen der schlechten Ausbildungssituation sind wir in die Ecke getrieben", räumte Kos ein. An den türkischen Jugendlichen läge es aber nicht, dass sie keinen Ausbildungsplatz finden, sagte Maria Albert-Wirsching von der Stadt Schweinfurt, denn diese hätten die gleichen Positiv- und Negativeinstellungen wie die deutschen Jugendlichen.
Hauptredner war Ahmet Fuat Boztepe, der Attaché für Arbeit und Soziales am türkischen Generalkonsulat. "Auch die Haltung der Arbeitgeber gegenüber türkischen Jugendlichen macht es unseren jungen Leuten schwer", beklagte Boztepe. Den deutschen Unternehmen empfahl der Attaché, verstärkt in die Ausbildung zu investieren, damit das Gütesiegel "Made in Germany" Garant für den Exportboom bleibe. Anschließend sprach Hoca Hasan Tanrikulu,, der Vorbeter der islamischen Gemeinde in Schweinfurt. In Gottes großem Plan erfüllten die Arbeitgeber eine wichtige Funktion, sagte der Hoca.
Die anschließende Diskussion drehte sich um bekannte Themen, wie die Schwierigkeit einen Ausbildungsplatz ohne ausreichende Deutschkenntnisse zu bekommen, die Problematik der Anerkennung ausländischer Zertifikate durch deutsche Behörden und die Bedeutung des Elternhauses. "Wenn es um das wahre Leben geht, dann fehlt vielen türkischen Jugendlichen das Selbstbewusstsein", meinte beispielsweise Murat Agirdag (24), der als Einwandererkind mit Fleiß als Außenhandelskaufmann und Vermögensberater Karriere machte. Für die jungen Leute seien bessere Lehrmethoden und mehr Förderung nötig. Im Anschluss an die Mittagspause mit Döner und türkischen Spezialitäten spielte die Band Bico feat.
Stichwort: STARegio
STARegio ist ein Modellprojekt des bfz Schweinfurt für ausbildungs- interessierte Betriebe und ausbil- dungssuchende Jugendliche in der Region. STARegio ist auch eine Bil- dungseinrichtung der Bayerischen Wirtschaft und arbeitet eng mit der Agentur für Arbeit und ver- schiedenen Verbänden zusammen. Ansprechpartner sind Pasqualina Leone (Tel. 172420) und Heike Bracker (Tel. 172430).