Der Klimaschutz spielt natürlich auch in der Schweinfurter Kommunalpolitik eine immer größere Rolle. Ein Faktor dabei ist der Verkehr und hier die Frage, wie man möglichst viele Menschen dazu bringen kann, lieber den Bus, die Bahn oder das Fahrrad zu nehmen, statt des Autos. Der neue Nahverkehrsplan legt nun ganz konkrete Ziele fest und gibt Empfehlungen, wie es gelingen kann mehr Bürger für den ÖPNV zu begeistern.
Worum geht es im Nahverkehrsplan der Stadt?
Er ist der Rahmen für die Entwicklung des ÖPNV in Stadt und Landkreis und setzt Ziele. Zum Beispiel verpflichtet sich die Stadt, "die Angebotsqualität kundenorientiert zu verbessern" und sieht einen gut ausgebauten ÖPNV als wesentliches Ziel "zur Erfüllung umwelt- und klimapolitischer Zielsetzungen." Der Leitgedanke des Nahverkehrsplans ist: "Eine Region, ein Fahrplan, ein Tarif, ein Ticket".

Was ist der Verkehrsverbund und welche Vorteile bringt er den Kunden?
Derzeit arbeitet der gemeinsame Nahverkehrsbeauftragte von Stadt und Landkreis, Michael Graber, daran, dass der Verkehrsverbund Mainfranken Wirklichkeit wird. Als Kunde hätte man den Vorteil, mit einem Ticket zu einem Preis zum Beispiel von Stadtlauringen aus nach Würzburg fahren zu können, unabhängig davon, welches Verkehrsmittel man nutzt (Bus, Bahn, etc.). In der Region 3 schließen sich zunächst Stadt und Landkreis Schweinfurt sowie die Landkreise Rhön-Grabfeld, Bad Kissingen und Haßberge zusammen. Die bisherigen Verkehrsverbünde Mainfranken (Stadt und Kreis Würzburg) und Landkreise Main-Spessart und Kitzingen sollen im neuen Großkonstrukt gemeinsam mit Main-Rhön mit dann einer Million Menschen und 7000 Quadratkilometern aufgehen. Es wäre der drittgrößte Verbund in Bayern. Allerdings gibt es wegen der Corona-Pandemie Verzögerungen. Mit der Einführung der neuen Fahrkarten und Tarife ist frühestens 2024 zu rechnen.

Ist der Roßmarkt als Busbahnhof mitten in der Stadt geeignet?
Er ist historisch gewachsen und natürlich auch ein Standortvorteil. In wenigen anderen Städten liegt ein Busbahnhof so zentral in der Innenstadt. Wer einkaufen möchte, ins Theater gehen oder in der Stadt etwas essen möchte, kann dies bequem mit dem Bus tun, denn die Haltestellen am Roßmarkt oder am Marktplatz sind mittendrin. Die radiale Ausrichtung der Stadtbuslinien zum Roßmarkt hin sei grundsätzlich eine Stärke, so Gutachter Mathias Schmechtig. Es gibt aber auch Kritik: Zu viele Linien für eine Stadt dieser Größe, keine einheitliche Taktung, ungünstiges Umsteigen am Roßmarkt selbst. Die SPD hat schon mehrfach einen zweiten Busbahnhof am Hauptbahnhof und eine bessere Vernetzung des Fernverkehrs mit dem Stadtbus gefordert. Dieses Thema steht aber erst an, wenn der Verkehrsverbund verwirklicht ist.

Warum gibt es in Schweinfurt keine Ringlinien?
Dass es bisher keine Ringlinien gibt, liegt vor allem am Busbahnhof Roßmarkt als zentralem Dreh- und Angelpunkt. Der Nahverkehrsplan hinterfragt das, auch die CSU-Stadträtin Stefanie Stockinger-von Lackum hat schon mehrfach in Haushaltsberatungen Ringlinien beantragt. "Für Außenstehende ist es schwer zu verstehen, warum alle Linien über den Roßmarkt fahren und man nicht von einem Stadtteil zum anderen kommt, wenn diese nahe beieinander liegen", befand sie. Wichtig ist ihr auch, die neuen Stadtteile Bellevue oder Yorktown entsprechend in das Busnetz einzubinden, was bisher noch nicht geschehen ist.

Warum tun sich Bürger, die nicht hier wohnen, mit dem Bussystem schwer?
Aus Sicht des Gutachters ist die Antwort klar. Die Fahrpläne sind viel zu kompliziert, das Umsteigen am Roßmarkt ebenso, außerdem gibt es keine einheitliche Taktung. "Das Netz ist im Prinzip nur von Insidern beherrschbar und es gibt hier wesentliches Verbesserungspotenzial", so Mathias Schmechtig. Wer nicht in der Stadt wohne und seit Jahren die Busse nutze, habe es schwer, sich auf Anhieb zurecht zu finden – das betreffe sowohl Neubürger als auch Touristen oder Geschäftsreisende. Ein weiterer Punkt: "Viele ältere Mitbürger haben seit Jahrzehnten dem ÖPNV den Rücken gekehrt und fahren mit dem Auto."
Warum sollen Linien im Schweinfurter Bussystem gestrichen werden?
Das ist eine Option, aber noch lange nicht beschlossen. Aus Sicht des Gutachters ist es besser, sich auf Hauptbuslinien zu konzentrieren und dafür nicht gut ausgelastete Linien nicht mehr zu bedienen. "Man muss die Ressourcen dort einsetzen, wo die Potenziale sind", betont Schmechtig. Es gebe zwei Wege: Mehr Geld investieren und so mehr Busse fahren lassen oder durch ein neues Liniennetz das bestehende Geld so investieren, dass durch eine Konzentration auf gut genutzte Linien mehr Fahrgäste in den Bussen sind: "Eine Linie im 10-Minuten-Takt ist besser als sechs Linien im Stundentakt", betont Schmechtig.
Wie kann man das Image des ÖPNV in der Stadt verbessern?
Durch eine groß angelegte Kampagne, sowohl in Print als auch sozialen Medien. Laut Gutachter ist die Gruppe der 20 bis 40-Jährigen dem ÖPNV deutlich aufgeschlossener gegenüber als die der über 60-Jährigen, "die vom ÖPNV entwöhnt sind." Es sei ungewöhnlich, dass es in Schweinfurt kaum andere Angebote wie Taxibusse oder Anruf-Sammeltaxis gebe. Um das Image zu verbessern, seien maßgeschneiderte Angebote für den Kunden wichtig, vor allem per App auf dem Smartphone. Der Weg, den der Landkreis zur Anbindung an den ÖPNV für entlegene Gebiete gehe, sei auch für die Stadt interessant.
Wird es in absehbarer Zeit in Schweinfurt auch Elektrobusse der Stadtwerke geben?
Nein, zumindest nicht wenn die Kosten für elektrisch betriebene Busse und die Förderbedingungen so bleiben. Grundsätzlich aber betont Stadtwerke-Chef Thomas Kästner, sei man Elektrobussen offen gegenüber, wenn sie für die Stadtwerke wirtschaftlich seien. "Wir müssen Wirtschaftlichkeit und Ökologie in Balance bringen", so Kästner in einer Stadtratssitzung im Juni vergangenen Jahres. Im vergangenen Jahr wurden Busse von verschiedenen Herstellern ausführlich auf Alltagstauglichkeit geprüft
In welchem Zeitraum will man die sehr guten Fahrgastzahlen von 2016 wieder erreichen?
Rund acht Millionen Fahrgäste nutzten 2016 in Schweinfurt den Bus, ein Rekordwert bisher. Seither sanken die Zahlen kontinuierlich, auch nach Einführung des eTickets zum 1. August 2017 und erst Recht während der Corona-Pandemie, wo 2020 nur noch 5,5 Millionen Fahrgäste verzeichnet wurden. Laut Gutachter Schmechtig liegt der Fahrgastrückgang wegen Corona im Durchschnitt vergleichbarer Städte. Unklar ist, ob die den Bus nutzenden Schülerinnen und Schüler in Schweinfurt extra gezählt werden. Die entsprechende Anfrage von Oliver Schulte (CSU) will die Verwaltung noch beantworten.
Gutachter Schmechtig schlägt vor, bis 2028 die Zahlen von 2016 wieder zu erreichen. Das sei "ambitioniert", aber möglich. Linken-Fraktionsvorsitzender Frank Firsching könnte sich auch deutlich höhere Ziele für die Fahrgastzahlen vorstellen, "das ist jedenfalls nicht überambitioniert", so seine Sicht.
Welche Kritik gibt es von den Stadträten zu den Plänen?
Keine fundamentale, aber in Details schon. Frank Firsching (Linke) konnte nicht nachvollziehen, wie man mit weniger Haltestellen und weniger Linien mehr Fahrgäste bekommen möchte: "Wie geht eine bessere Auslastung mit einem verknappten Angebot?", fragte er. Firsching forderte außerdem, ausdrücklich eine "Stärkung" des ÖPNV in Schweinfurt als Ziel festzuhalten und ein "politisches Signal" zu senden, in dem man auch bereit ist, viel mehr Geld als bisher zu investieren. Diesen Weg wollte weder die Verwaltung noch die Mehrheit des Hauptausschusses mitgehen.

Wie realistisch ist die von den Grünen im Wahlkampf 2020 geforderte Straßenbahn?
Im Grunde ist das Thema tot, auch wenn es im Wahlkampf eines der wichtigsten für den grünen OB-Kandidaten Holger Laschka war. Der forderte eine Ringlinie rund um die Stadt, bei der nicht nur die Innenstadt, sondern auch die Fachhochschule und das Schulzentrum West angebunden gewesen wären. Im Idealfall hätte es eine Verbindung mit einer wiederbelebten Steigerwaldbahn sowie in Richtung Bad Kissingen gegeben. Der Verkehrsplaner Robert Wittek-Brix hatte ein entsprechendes Konzept einmal vorgelegt, weiter verfolgt von Seiten der Stadtverwaltung wurde es nie, zumal es Millionen Euro kosten würde.

Welche Rolle spielt eine Wiederbelebung der Steigerwaldbahn für Schweinfurt?
Keine große, jedenfalls im Moment. Die Stadt hat das Gutachten zum Fahrgastpotenzial zur Kenntnis genommen und wartet nun die Entscheidung der Regierung von Mittelfranken zu den Entwidmungsanträgen der Bahnstrecke zwischen Schweinfurt und Gerolzhofen ab. Bisher hat sich der Stadtrat nicht erneut mit der Steigerwaldbahn befasst, zuletzt wurde im April 2020 die Erstellung des Gutachtens mit knapper Mehrheit befürwortet. Die Frage, wie die Steigerwaldbahn in das bestehende System eingebunden werden kann, stellt sich ohnehin erst im Fall der Fälle in einigen Jahren und wird dann auch innerhalb des Verkehrsverbundes beantwortet werden.