Der Einzelhandel steht im Fokus. So auch in Schweinfurt, wo die stark gebeutelte Branche unter den harten Einschränkungen des Lockdowns leidet. Doch nicht nur aufgrund der Corona-Pandemie macht sich Stadträtin Ulrike Schneider von der Initiative Zukunft sorgen um den Handel. Seit längerem beobachte sie den Kampf zwischen stationärem Handel und dem Online-Geschäft, welches gerade in dieser Zeit noch stärker werde und drohe, "den Innenstadthandel ausbluten zu lassen". Deshalb lud sich Schneider Vertreter des Handelsverbandes ein, um mit ihnen über die prekäre Situation zu sprechen. Und dabei wurde abermals die Schweinfurter Stadtverwaltung hart ins Gericht genommen.

"In Schweinfurt macht neben dem Online-Handel zusätzlich noch die überflüssige Einzelhandelsfläche im ECE, 23 000 Quadratmeter, zu schaffen, was die Lage verschärft", erklärt Schneider. Es drohe über kurz oder lang die Schließung zahlreicher Geschäfte in der Innenstadt. Schneider fordert von der Stadt, dem viel stärker als bisher entgegenzuwirken. "Es reicht nicht, in regelmäßigen Abständen neue City-Manager einzustellen und sich darauf auszuruhen." Da der Online-Handel partout nicht höher besteuert werde und die Politik auf Bundesebene schlafe, müsse eben unten angefangen werden – "mit einem Appell an die Bevölkerung, den Online-Handel zu boykottieren und die Innenstadt-Geschäfte zu unterstützen", fordert die Stadträtin. Dabei nannte sie etwa die Möglichkeit von Flyern, mit denen man die Haushalte über die Missstände informieren könne.
Bezirksgeschäftsführer Wedde: "Innenstadt hat gesellschaftlichen Wert"
Ein gewichtiges Argument dabei könne etwa "der immense ökologische Schaden sein, den der Online-Handel anrichtet, indem ein Großteil der Retouren verbrannt statt erneut versandt wird", so Schneider. Sie selbst nehme keine Pakete mehr für andere an, "um nicht Teil des Systems zu sein". Dass der Online-Handel gerade während der Pandemie deutlich gestiegen ist, bestätigt auch Volker Wedde, Geschäftsführer des Handelsverbandes Unterfranken. "Durch den Lockdown wurden die Menschen regelrecht zum Online-Handel gezwungen." Nun sei es besonders schwer, die Menschen nach der Pandemie wieder zurück, zum stationären Handel, zu holen. Deshalb würde Wedde einen Appell der Stadt begrüßen.
"Durch den Lockdown wurden die Menschen regelrecht zum Online-Handel gezwungen."
Volker Wedde, Geschäftsführer des Handelsverbandes Unterfranken
Denn laut Wedde hat der Lockdown eines deutlich gemacht: "Die Innenstadt hat vor allem auch einen gesellschaftlichen Wert." Ohne ihre Geschäfte, Gastromomen und Betriebe sei diese nicht mehr lebens- und liebenswert. Wedde unterstützt Schneiders Vorschlag, den stationären Einzelhandel zu stärken, glaubt jedoch nicht, dass man den Kampf gegen den Online-Handel gewinnen könne. Deshalb müsse man auch neue Wege gehen und beispielsweise über eine "städtische Einzelhandelsplattform" nachdenken, auf der lokale Händler ihre Produkte übers Internet anbieten können. Denn in Zeiten von Amazon seien viele Menschen durchaus bereit, online auch regionale Produkte zu kaufen. Für eine solche Plattform gebe es beispielsweise Kooperationsmöglichkeiten mit eBay, um eine große Reichweite zu erlangen.

Schöll fordert sofortige Ladenöffnung
Für Ulrike Schneider geht es allerdings nicht darum, den Onlinehandel mit solchen Angeboten noch weiter auszubauen. Sie vermisst das klassische Einkaufen, das Schlendern durch die Passagen. "Ohne Online-Handel wird es aber auf Dauer nicht gehen", sagt Axel Schöll, Kreisvorsitzender des Handelsverbandes in Schweinfurt. Er nutzte das von Schneider einberufene Handelstreffen auf dem Schweinfurter Marktplatz, um sich über den "Dauerschlaf und die Lethargie des Rathauses" auszulassen.
"Scheinheilig und heuchlerisch" nannte er die Eilanträge von CSU und SPD, sich als Modellstadt nach dem Vorbild Tübingens zu bewerben. Denn aus Angst vor den Parteispitzen habe man sich ein ganzes Jahr zuvor gedrückt, irgendetwas für den Handel zu tun. Die Stadt hätte schon viel früher proaktiv werden können und den Handel wieder öffnen müssen. Schöll fordert jetzt ein schnelles Handeln des Oberbürgermeisters. Die nötigen Schnellteststationen dafür einzurichten, sollte laut Schöll zu schaffen sein. "Wir – der stationäre Handel – sind dabei und könnten, mit oder ohne Modell, gleich morgen unsere Läden aufsperren."
Auch FDP sorgt sich um Zukunft des Einzelhandels
Ulrike Schneider zeigte Verständnis für den verärgerten Handel. Sie sehe jedoch eine Gefahr darin, viele Kunden an Amazon verloren zu haben, sollten die Geschäfte in Schweinfurt wieder öffnen. Deshalb müsse man "mittel- und langfristige" Maßnahmen ergreifen, um die Menschen wieder in die Innenstadt zu locken.
"Wenn wir handlungsfähig bleiben wollen, müssen wir uns auf die Kernstadt, das heißt Spitalstraße, Keßlergasse, Zehntstraße, Lange Zehntstraße und Marktplatz konzentrieren."
FDP-Stadtrat Georg Wiederer
Gedanken zur Zukunft des stationären Handels macht sich auch FDP-Stadtrat Georg Wiederer, der sich mit einem Antrag an die Stadtverwaltung wendet und mehr Hilfe einfordert. Wiederer fürchtet trotz staatlicher Unterstützung eine ungeahnte Pleitewelle für Handel und Gastronomie. Weite Teile der Bevölkerung hätten sich an Online-Shopping gewöhnt, was sie auch bei Öffnung der Läden nicht mehr vollständig ablegen würde. "Die Abwärtsspirale lässt sich weiter fortsetzen: Pleiten und sinkende Umsatzzahlen drücken auf das Mietniveau, was schon jetzt deutlich zu erkennen ist, wenn überhaupt noch Mieten gezahlt werden", so Wiederer.
Kernstadt-Analyse soll helfen
Um dieser Abwärtsspirale entgegenzuwirken, fordert der FDP-Stadtrat eine Kernstadt-Analyse, aus der der Gefährdungsgrad einzelner Immobilien und deren Nutzer hervorgeht. Diese Informationen solle das Schweinfurter City-Management vorab einholen und in einer Stadtratssitzung dem Gremium präsentieren. "Wenn wir handlungsfähig bleiben wollen, müssen wir uns auf die Kernstadt, das heißt Spitalstraße, Keßlergasse, Zehntstraße, Lange Zehntstraße und Marktplatz konzentrieren", so Wiederer.
Auf Basis dieser Erkenntnisse soll dann ein Workshop organisiert werden, bei dem Maßnahmen im Sinne eines "Quartiersmanagements" geplant werden sollen. Dazu zählten Investitionen privater und öffentlicher Art oder ein aktives Vermietungsmanagement. "Und nicht zuletzt auch Maßnahmen mit Eventcharakter, die die Aufenthaltsqualität in der Kernstadt nachhaltig erhöhen", fordert Wiederer.