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Schweinfurt: Paradox aber nötig: Um die Schwäbisch-Hällischen Hausschweine zu erhalten, müssen sie auch geschlachtet werden

Schweinfurt

Paradox aber nötig: Um die Schwäbisch-Hällischen Hausschweine zu erhalten, müssen sie auch geschlachtet werden

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    Neben zwei kastrierten Ebern lebt auch eine "belegte Muttersau" auf dem Wildpark-Bauernhof. Der Wildpark züchtet nicht selbst, die Sau kam schon "besamt" nach Schweinfurt. Im August wird Nachwuchs erwartet.   
    Neben zwei kastrierten Ebern lebt auch eine "belegte Muttersau" auf dem Wildpark-Bauernhof. Der Wildpark züchtet nicht selbst, die Sau kam schon "besamt" nach Schweinfurt. Im August wird Nachwuchs erwartet.    Foto: Anand Anders

    Ein Jahr den Himmel auf Erden, im Wildpark-Bauernhof, dann kommen sie in den Schweinehimmel." Thomas Leier, Leiter des Schweinfurter Wildparks, beschreibt so das Leben der drei Schwäbisch-Hällischen Hausschweine, die im Wildpark leben und, wenn schlachtreif geworden, eben auch geschlachtet werden. Im Schweinehimmel, wenn es ihn denn gibt, dürfte philosophisch betrachtet, auch nur der geistige Teil der Schweine ankommen.

    Doch das ist eine Glaubensfrage, genau wie die, ob es richtig ist, Schweine, die in einem Wildpark leben, in Schinken, Presssack, Blutwurst und Lyoner zu verwursten. Ja, sagt Thomas Leier, denn es sei wichtig, die Haltung von Nutztieren auf einem Bauernhof auch ungeschönt in ihrem ursprünglichen Kontext abzubilden. Seit 2016 unterstützt der Schweinfurter Wildpark die "Züchtervereinigung Schwäbisch-Hällisches Schwein e.V.", die seit 1986 bemüht ist, diese heute wirtschaftlich nicht mehr attraktive und einst fast ausgestorbene alte Hausschwein-Rasse wieder mehr ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.

    Schützen durch Nutzen

    Den Bestand sichern, das geht für die Züchtervereinigung und für Thomas Leier nur über die Nutzung. So werden immer im Frühjahr zwei "Schwäbisch-Hällische" zur Schlachtbank geführt. "Schützen durch Nutzen", nennt dies Thomas Leier, und dazu gehört auch Essen. Eine Aussage, die Tierschutz-Aktivisten nicht schmeckt, weshalb es auch schon "Mahnwachen gegen die Schlachtung von Hausschweinen" am Wildpark gegeben hat.  

    Typisch für die Schwäbisch-Hällischen Landschweine sind der dunkle Kopf und der dunkle Sattel.
    Typisch für die Schwäbisch-Hällischen Landschweine sind der dunkle Kopf und der dunkle Sattel. Foto: Anand Anders

    Das ist nichts, was einen Wildparkleiter freut, der Kurs "Bewahrung durch Nutzung" ist für Leier dennoch der richtige. Man dürfe nicht vergessen, dass es sich beim Schwäbisch-Hällischen Landschwein um eine vom Menschen gezüchtete Hausschwein-Rasse handele, die es ohne den Menschen nicht gebe. Die Schweinerasse war einst über die ostindische Kompanie von China zunächst nach England verschifft worden. 1821 holte Wilhelm I., der "Landwirt auf dem Königsthron", die "Chinesenschweine", wie sie damals genannt wurden, von England in sein Königreich Württemberg und verschenkte sie an Bauern.

    Das Schwein gilt als zäh und stressresistent und liefert eine ordentliche Speckschicht

    Die Bauern kreuzten die Importe mit eigenen Zuchtschweinen, das Resultat war das Schwäbisch-Hällische Schwein, wegen seiner Färbung auch gerne "Mohrenköpfle" genannt. Dieser "Kosename" ist heute genauso von gestern, wie die Schweinerasse selbst. Noch in den 1950er-Jahren standen im Raum Schwäbisch-Hall gut 90 Prozent "Schwäbisch-Hällische" in den Ställen, bundesweit waren es immerhin sechs Prozent. Die Rasse mit dunklem Kopf und Sattel gilt als zäh und stressresistent und liefert das, was früher in der Pfanne begehrt war – eine ordentliche Speckschicht. 

    Große helle Ställe, viel Platz und einen eigenen "Pool" haben die Schwäbisch-Hällischen Schweine im Schweinfurter Wildpark. Damit haben sie ein besseres und längeres Leben als Mastschweine. Während letztere nach etwa sechs Monaten schlachtreif sind, braucht die alte Rasse ein Jahr.
    Große helle Ställe, viel Platz und einen eigenen "Pool" haben die Schwäbisch-Hällischen Schweine im Schweinfurter Wildpark. Damit haben sie ein besseres und längeres Leben als Mastschweine. Während letztere nach etwa sechs Monaten schlachtreif sind, braucht die alte Rasse ein Jahr. Foto: Anand Anders

    Doch schon in den 1960er-Jahren begann der Niedergang der alten Rasse. Mager sollten sie sein und schnell wachsen, die nun geforderten "Industrieschweine" im nach immer mehr Fleisch gierenden Nachkriegsdeutschland. Mit beidem konnte und kann das Schwein aus Schwäbisch-Hall nicht dienen. Zu fett und zu langsam wachsend ist die Sau sozusagen aus der Zeit gefallen. Der Fall war hart. 1969 wurde die Zuchtbuchführung aufgelöst, 1984 war der Bestand auf sieben Sauen und einen Eber zusammengeschrumpft.

    Zu drei Sorten Dosenwurst und Schinken werden die Schweine von einer Hausmetzgerei verarbeitet und am Wildpark-Kiosk verkauft. Das Fleisch gilt, weil langsamer gereift, als hochwertiges Produkt. 
    Zu drei Sorten Dosenwurst und Schinken werden die Schweine von einer Hausmetzgerei verarbeitet und am Wildpark-Kiosk verkauft. Das Fleisch gilt, weil langsamer gereift, als hochwertiges Produkt.  Foto: Anand Anders

    Die damals noch junge Züchtervereinigung "Schwäbisch-Hällisches Schwein" nahm die letzten Tiere unter ihre Fittiche. Heute bilden mehr als 350 Herdbuchsauen eine gute Basis. Die EU-Kommission hat "Schwäbisch-Hällisches Qualitätsschweinefleisch" schon 1998 in sein geschütztes Register der geografischen Bezeichnungen mit besonderer Qualität aufgenommen.    

    Und warum nicht einfach die Schweine halten und darauf warten, bis die Natur die Pforte zum "Schweinehimmel" aufstößt? "Wenn niemand mehr die Produkte von Nutztieren kauft, werden sie auch nicht mehr gehalten und gehen verloren", so Thomas Leier. Genau deshalb wäre diese Nutztierrasse vor etwa 40 Jahren beinahe schon einmal ausgestorben. Leier nennt den Begriff des "Schlachthaus Paradoxons", was bedeute, dass zwar viele Menschen gern ein Schnitzel essen, das Töten der Tiere aber verdrängt wird und unsichtbar sein soll. Solche Naturentfremdung mache sich auch auf anderen Gebieten breit. "Die Leute wollen Naturholzmöbel, aber bitte, ohne, dass dafür ein Baum gefällt wird."

    "Fleisch wächst nicht in Styroporschachteln im Supermarkt", so Thomas Leier. Im Sinne der Umweltbildung, auch ein Auftrag des Wildparks, sei es wichtig, dieser Entfremdung der Menschen im Hinblick auf die Haltung von Nutztierarten die Realität gegenüber zu stellen. Mehr als 100 einheimische Tiere stehen auf der Roten Liste gefährdeter Nutztierrassen – das Schwäbisch-Hällische Schwein ist eine davon. "Deswegen haben wir uns für diese Rasse entschieden." Schweinehaltung auf einem Wildpark-Bauernhof ginge natürlich auch mit "normalen Schweinen", dem Ziel, den Bestand einer gefährdeten Rasse zu erhalten, wäre damit aber nicht gedient. "Mit jeder ausgestorbenen Nutztierrasse gehen uns genetische Ressourcen verloren, die uns vielleicht irgendwann weiterhelfen könnten".      

    Erholung, (Umwelt-)Bildung, Arterhaltung, Artenschutz, die Forschung unterstützen, nennt Leier die Aufgaben eines Wildparks, die weiter gestreut sind, als nur Tiere zu zeigen. Mit dem Schwäbisch-Hällischen Schwein könne man den Menschen zeigen, dass es nicht nur Industrieschweine gibt, dass Schweinehaltung auch anders geht. "Es geht in keinster Weise darum, dass wir über den Wurstverkauf ein paar Euro generieren", betont Leier. Viel wichtiger sei, dieses Thema der Umweltbildung zu besetzen, auch wenn es provokativ ist. "Durch die Haltung der Schweine und deren Schlachtung, möchten wir den Tieren wieder einen Teil ihres ursprünglichen Markt-und Kulturwerts geben."

    "Die allermeisten Menschen verstehen aber, was wir hier tun und warum wir es tun." Thomas Leier macht aber auch klar, dass er wieder Kritik wird einstecken müssen, wenn im kommenden Frühjahr sich die Schweinehimmelspforten für zwei/drei Schwäbisch-Hällische öffnen. Die Realität abbilden, der Naturentfremdung der Menschen entgegentreten, ist keine einfache Aufgabe, die Natur und das Leben sind eben "kein Ponyhof".      

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