Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Stadt Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

SCHWEINFURT: Penthouse-Pläne: Wohnen im Atombunker

SCHWEINFURT

Penthouse-Pläne: Wohnen im Atombunker

    • |
    • |
    Penthouse-Pläne: Wohnen im Atombunker
    Penthouse-Pläne: Wohnen im Atombunker

    Nils Brennecke ist kein Mann der leisen Töne, Zurückhaltung ist nicht seine Art. Brennecke will für sich und seine Frau Petra nicht nur die „spektakulärste Wohnung Schweinfurts“ bauen, und zwar in einem der „schönsten Bunker Deutschlands“, wie es der Geschäftsführer einer Werbeagentur in einer Hochglanzbroschüre formuliert – er hat sein künftiges Heim auch gleich zum „1. Schweinfurter Bunker-Museum“ erklärt. Zugegeben, der Hochbunker A8 an der Ernst-Sachs-Straße, im Volksmund Fichtel- und Sachs-Bunker genannt, ist ein Traumobjekt für Menschen, die an Geschichte interessiert sind und exklusiv wohnen wollen – genügend finanzielle Mittel vorausgesetzt. Aber der Begriff „Museum“ ist schon sehr hoch gegriffen, auch wenn Führungen durch Bunker – wie sie Brennecke anbietet – immer spannend sind. Vor genau einem Jahr hat das Ehepaar das beeindruckende Gebäude von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) erworben. Über den Kaufpreis hüllt sich der neue Eigentümer in Schweigen, aber über seine Penthouse-Pläne und die Geschichte seines ungewöhnlichen künftigen Zuhauses erzählt er sehr ausführlich bei einem Besuch in A8.

    Der fast 20 Meter hohe verklinkerte Kubus war nicht, wie manche Schweinfurter glauben, einer der drei Schutzräume der Großindustrie, sondern einer von zehn, die ab 1941 im Auftrag der Reichsführung im Rahmen des so genannten „LS-Führerprogramms“ in Schweinfurt gebaut wurden. Drei sind, wie kürzlich berichtet, in städtischer Hand, einer beherbergt schon länger eine Pizzeria. Ein weiterer Bunker ist noch im Besitz des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, wird aber wohl auch – wie die übrigen fünf – an die BImA abgegeben. Drei dieser Relikte aus Kriegszeiten hat die Bundesanstalt bereits verkauft.

    Schweinfurt liegt damit im Trend. In vielen Städten hat der Immobilienmarkt die lange übersehenen Gebäude entdeckt und lässt sie in meist exklusive Wohnungen um- oder ausbauen. Das war auch der Grund, warum sich Kulturamtsleiter Erich Schneider dafür eingesetzt hat, dass zumindest einer der drei städtischen Schutzbauten – der Goethe-Bunker – nicht verkauft, sondern als Denkmal für die Nachwelt erhalten bleibt.

    Nils Brennecke geht sehr offensiv mit seiner Erwerbung um und er hat große Pläne. Keller und Erdgeschoss nennt er „Museum“, in dem er der Öffentlichkeit bei Führungen ein Stück Geschichte zugänglich machen will. Die zwei Stockwerke darüber wären ideale Räume, um sensible Geräte oder Akten sicher zu lagern, sagt er. Erste Anfragen gebe es bereits, aber vor einer Vermietung müsse noch viel geklärt werden. Die Pläne für den vierten Stock und das Dach sind dagegen schon weit gediehen: Hier soll eine großzügige Wohnung für die neuen Eigentümer entstehen.

    Weil die Bauvorschriften nur ein relativ kleines Penthouse erlauben, wollen Brenneckes zusätzlich den vierten Stock ausbauen. In Vorgesprächen habe sich die Stadt positiv geäußert, Brennecke rechnet fest mit einer Genehmigung. Dann müsse nur noch die Villa in Gaibach verkauft werden und die Bagger könnten anrücken.

    Der Bauherr wartet mit beeindruckenden Zahlen auf: Da der gesamte Dachstuhl aus Beton ist, müssen rund 250 Tonnen abgetragen werden. Jeder Meter, den eine Diamantseilsäge in die zwei Meter dicken Betonwände schneidet, kostet 1000 Euro. Eine Fensteröffnung kommt da leicht auf mehrere tausend Euro. Drittes Problem: Im vierten Stock lagern hinter einer Betonwand rund 250 Tonnen Sand – im so genannten Sandfilter für die Lüftungsanlage – , die das Ehepaar ja auch nicht in ihrem Wohnzimmer haben will. Der Bau der spektakulärsten Wohnung wird also seinen Preis haben. „Insgesamt etwa der Gegenwert von zwei Einfamilienhäusern“, sagt Brennecke.

    Beim Stichwort Lüftungsanlage sind wir beim nächsten Thema. Der Zustand, in dem sich A8 und die anderen Schweinfurter Bunker heute präsentieren, ist nicht der originale von 1941. In Zeiten des Kalten Krieges, 1983, hat die Bundesregierung sehr viel Geld investiert, um bundesweit 300 Bunker auf den neuesten Stand zu bringen. Das erklärt den erstaunlich guten Zustand der Schweinfurter Hochbauten. Auch in A8 wurde groß saniert: Eine Lüftungsanlage wurde eingebaut, die aussieht, als könne man sie jederzeit einschalten; auf jedem Stockwerk gibt es Toiletten und Waschbecken. „Funktioniert alles“, sagt Brennecke. Das ganze Haus ist elektrifiziert und in der Herrentoilette im Keller hat er sogar einen Telefonanschluss gefunden. Auch der weiße Verputz an den Wänden stammt von 1983. „Absoluter Unfug“, sagt Brennecke, der sich in den vergangenen zwei Jahren intensiv mit dem Thema Luftschutz befasst hat. Die Staubbelastung bei einem Angriff wäre dramatisch hoch gewesen.

    Absurd findet er auch die Ausweisung von A8 als „sicherer Atombunker“ – übrigens dem einzigen in der Region. Denn 1983 habe man zwar alle denkbaren Öffnungen mit Beton zugegossen, um die Räume luftdicht abzuriegeln, aber die Abwasserkanäle blieben offen. Mit Beton verschlossen wurde auch der Zugang zum Dachgeschoss. Deswegen müssen die neuen Eigentümer einen Hubwagen mieten und über eine Luke einsteigen, wenn sie unters Dach wollen. Heute scheint es auch sehr abwegig, dass selbst der Fluchtweg unter der Karl-Schemmrich-Straße mit Beton aufgefüllt wurde. Nur die Gänge unter der gegenüberliegenden Wiese und der Ausgang sind noch erhalten.

    Alle Exponate, die das Ehepaar bei seinen Führungen zeigt, hat es auf Ebay erworben. In einer Vitrine liegen Originalzeugnisse aus dem Zweiten Weltkrieg: Luftschutz-Stahlhelm, Volksgasmaske, Verdienstorden, eine Mitgliedsbescheinigung beim Reichsluftschutzbund und zwei Ausgaben des Magazins „Die Sirene“, das Tipps fürs Verhalten beim Angriff gab. Das habe aber nichts mit Nazi-Nostalgie zu tun, betont Brennecke. Er wolle vermitteln, wie vielen Menschen die Bunker das Leben gerettet hätten.

    Zwei Konstruktionen stammen aus dem Jahr 1983, sie waren typisch für alle Atombunker: eine sogenannte Bunker-Sitzeinrichtung mit Kopfschutz, Kofferablage und Brotzeitbrettchen und eine „Liegeeinrichtung“ mit sechs Pritschen für ältere Menschen. Da alle Bunker entrümpelt und besenrein verkauft wurden, mussten Brenneckes diese Einrichtungsgegenstände teuer auf Ebay erwerben. Nur ein Gegenstand war ein Geschenk: Peter Hofmann, der auf seiner Website www.schweinfurtfuehrer.de viel Wissenswertes und Bildmaterial über die Bunker veröffentlicht, hat dem Ehepaar einen Luftschutz-Verbandskasten mitgebracht, der jetzt im ehemaligen Lazarettraum steht.

    Für Petra Brennecke ist A8 ein besonderes Gebäude. Sie ist in der Nähe aufgewachsen und fuhr oft mit dem Fahrrad am Bunker vorbei. Sie und ihre Schwester fanden den Bau immer so unheimlich, dass sie meistens die Straßenseite gewechselt haben. Aber jetzt, sagt sie, freue sie sich schon sehr auf ihre spektakuläre Wohnung.

    Hochbunker A8

    Der Schutzraum wurde 1941 von der Firma Riedel gebaut und war mit seinen 2000 Quadratmetern Fläche für 1100 Menschen konzipiert. Es gibt Erkenntnisse, dass bis zu 1800 Bürger Schutz suchten. Da es keine Lüftungsanlage gab, reichte die Luft nur für etwa zwölf Stunden. Zugangsberechtigt waren die Oberndorfer und Mitarbeiter der Sachs-Werke. Den Familien waren bestimmte Räume, genannt Zellen, zugeteilt. Auf der Website www.fichtelundsachsbunker.de und im Magazin hat der neue Eigentümer Nils Brennecke Informationen und Fotos veröffentlicht. Hier gibt es auch einen Link zu einem Film, in dem Brennecke ältere Schweinfurter interviewt, die die Angriffe erlebt haben. Auch die Anmeldung zu Führungen läuft über diese Seite.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden