Er sei schon "sehr erstaunt" gewesen, als er Anfang vergangener Woche aus einer Bäcker-Tüte neben dem vorbestellten Brot einen doppelseitig bedruckten Flyer gefischt hat, sagt ein Gerolzhöfer im Gespräch mit dieser Redaktion. Denn beim Inhalt des Zettels im DIN-A4-Format handelte es sich nicht etwa um Werbung der Bäckerei Oppel aus Untersteinbach, von der die Tüte stammt. Der Flyer enthielt neben Solidaradressen an die protestierenden Bäuerinnen und Bauern im Land auch den unmissverständlichen Wunsch nach einer Änderung der politischen Verhältnisse in Deutschland.
So etwas hat der in diesem Fall negativ überraschte Kunde der Bäckerei Oppel zuvor noch nicht erlebt, weder in der im Jahr 2017 eröffneten Filiale in Gerolzhofen, noch anderswo. Und ganz allgemein gesprochen handelt es sich dabei um ein ungewöhnliches Vorgehen eines Handwerksbetriebs.
Es sei tatsächlich das erste Mal gewesen, dass er seine Ansichten auf diese Weise unter seine Kundinnen und Kunden gestreut hat, sagt Michael Oppel, Inhaber der Bäckerei mit Sitz im Steigerwald, im Gespräch mit dieser Redaktion. Der Aktion vorausgegangen sei ein Gespräch mit dem Landwirt, bei dem er das Urgetreide einkauft. Dieser habe ihm seine prekäre Lage geschildert und mitgeteilt, dass er ans Aufhören denkt, sagt Bäcker Oppel.
Tüten-Aktion war so nicht geplant
Er sei stolz auf die Bauern, die sich trauten, das öffentlich anzusprechen, was ihrer Meinung nach nicht passt im Land. Deshalb habe er den Flyer verfasst und an seine sechs Filialen und 13 Verkaufsstellen verteilt. Dort sollten sie pünktlich zum Start der Bauernproteste am 8. Januar zum Mitnehmen ausliegen. Dass Flyer in Backwaren-Tüten landeten, ohne Rücksprache mit Kundinnen und Kunden, habe er nicht geplant, sagt der Bäckermeister. Eigenen Angaben nach habe er dafür viel positiven Zuspruch erhalten und nur eine negative Rückmeldung.

Ein Blick auf den Inhalt des Flyers zeigt: Oppel zollt darin nicht nur den protestierenden Bauern seinen Respekt und macht sich für regional erzeugte landwirtschaftliche Produkte stark. Er verbreitet auch politische Parolen und Thesen. Zu lesen stehen dort Behauptungen wie die, dass die Bundesregierung Milliardensummen ins Ausland überweise, etwa um Klimaschutzprojekte oder Radwege in Peru zu finanzieren. "Kleine deutsche Unternehmen" dagegen müssten schließen, schreibt Oppel. Es ist die Rede von einem "Missmanagement der Regierung", das den Menschen und Unternehmen im Land hohe Mehrkosten verursache.
Bäcker sieht Tendenz zur Revolution
Oppel behauptet weiter, dass in Deutschland Politikerinnen und Politiker regierten, die "keinen Bezug mehr zum normalen Leben haben" und "in Saus und Braus" lebten. Er erkennt sogar Vorzeichen eines bevorstehenden gewaltsamen Umsturzes: "Im Moment haben wir Zeiten, ähnlich wie vor der französischen Revolution, wo eine gewisse Obrigkeit das Volk ausgepresst hat." In Deutschland müsse sich schnell etwas ändern, fordert Oppel und meint: "Wir haben Besseres in Deutschland verdient." An anderer Stelle steht die Parole: "Wir sind das Volk!".

Manche der Aussagen ähneln solchen, wie sie während der Bauernproteste immer wieder zu hören waren. Sie erinnern inhaltlich auch an rechtsgerichtete Parteien und Gruppierungen. Eine entsprechende Gesinnung weist Oppel unmissverständlich von sich: "Von der AfD bin ich ganz weit weg." Er habe mit seinem Flyer nur ausdrücken wollen, dass etwas verkehrt laufe im Land und er hoffe, dass die Regierung die Forderungen im Zusammenhang mit den jüngsten Protesten aufnimmt.
Zentralverband der Bäcker ruft zur Mäßigung auf
Der Untersteinbacher Bäcker sieht sich dabei mit seiner Meinung nicht allein, und auch auf einer Linie mit dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Dieser hat sich tatsächlich in einer Anfang Januar verbreiteten Meldung mit den Landwirten und deren Anliegen solidarisiert. Doch zugleich empfahl der Verband den Bäckern im Land, an den Protestkundgebungen der Landwirte "in angemessener Weise" teilzunehmen.

Der Verband macht klar: Es gehe bei den Protesten nicht um die Forderungen der Bäckerinnen und Bäcker. Protestkundgebungen seien Sache der Bauernverbände. Und Vertreterinnen und Vertreter der Bäckereien müssten aufpassen, "dass durch unüberlegte ,Aktionen‘ (...) nicht am Ende Unmut und Unverständnis bei der Bevölkerung und damit das Gegenteil von dem erzeugt wird, was wir eigentlich wollen". Weiter heißt es in der Meldung: "Der Zentralverband distanziert sich ausdrücklich von jeglichen Umsturzfantasien und der Vereinnahmung der Bauernproteste durch Extreme und Randgruppen."
Gerhard Götz, der Obermeister der Bäcker-Innung Schweinfurt-Haßberge, stellt auf Nachfrage dieser Redaktion klar, dass Bäckereibetriebe sich durchaus zu den Bauern-Protesten positionieren und Probleme, wie die sich seit Jahren verteuernden Rohstoffe und Lebensmittel, ansprechen sollten. Aber Flyer-Aktionen wie die von Michael Oppel seien nicht die passende Art und Weise hierfür. So etwas habe er auch noch nie von anderen Betrieben gehört. Auch dass in Bäckereien Flyer mit politischen Inhalten auslägen, sei ihm fremd.