Vor dem Landgericht Schweinfurt wird am kommenden Montag, 18. März, der Prozess gegen den Kopf der Gemeinschaft "Go&Change" fortgesetzt. Dem 42-jährigen Kai K. wird vorgeworfen, eine 30-Jährige in dem ehemaligen Kloster in Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt) mehrfach vergewaltigt, geschlagen und dreimal bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt zu haben.

Zuletzt hatten die Verteidiger von Kai K. beklagt, dass ihr Mandant "wie Hannibal Lecter" vor Gericht vorgeführt werde: an Händen und Füßen gefesselt, "verschnürt wie ein Paket". Die Anwälte forderten von der Vorsitzenden Richterin Erleichterungen für den Angeklagten.
"Die Bewachung und falls nötig Fesselung von Gefangenen spielen eine zentrale Rolle für die Sicherheit in den Gerichtsgebäuden", erklärt dazu das Bayerische Justizministerium auf Anfrage der Redaktion. Es gelten jedoch bestimmte Regeln.
Wie ist der Angeklagte Kai K. gefesselt?
Der Angeklagte wird an den Verhandlungstagen an Händen und Füßen gefesselt von zwei Polizisten ins Gericht gebracht. Erst wenn die Beamten der Richterin bestätigt haben, dass es während der Fahrt von der forensischen Psychiatrie, in der K. untergebracht ist, ins Gericht keine Probleme gab, werden ihm die Handschellen abgenommen. Die Fußfesseln muss er während der ganzen Verhandlung tragen. Zusätzlich sichern mehrere Polizei- und Justizbeamte den Saal.

Wer bestimmt, ob ein Angeklagter gefesselt seinen Prozess verfolgen muss?
Die Fesselung eines Angeklagten ist laut Justizministerium von der Strafprozessordnung und dem Gerichtsverfassungsgesetz gedeckt. Letztlich entscheide der Richter oder die Richterin darüber. Eine Fesselung komme jedoch "nur dann in Betracht, wenn es konkrete Anhaltspunkte für Flucht oder für Gewalttätigkeit gibt", so ein Ministeriumssprecher.

Welche Rolle spielt die Unterbringung in einer JVA oder in einer Forensik?
Spielt es bei der Frage, ob ein Angeklagter gefesselt wird, eine Rolle, ob er aus einer JVA oder einer Forensik ins Gericht gebracht wird? Nein, heißt es aus dem Ministerium. Maßgeblich sind die genannten Hinweise auf eine Fluchtgefahr oder Gewalttätigkeit, so der Sprecher. "Solche Hinweise können sich beispielsweise aus dem Verhalten im bisherigen Haftvollzug oder der Unterbringung in der Maßregelvollzugseinrichtung ergeben." Entscheidend sei "das individuelle Verhalten der vorzuführenden Person".
Welche konkreten Anhaltspunkte für Fluchtgefahr oder Gewalttätigkeit gibt es bei Kai K.?
Das ist offen. Auf Nachfrage der Redaktion erklärte ein Sprecher des Landgerichts Schweinfurt, dass hierzu "keine verfahrensbezogenen Auskünfte erfolgen" könnten, "da es sich um sicherheitsrelevante Fragestellungen handelt".
Was haben die Verteidiger von Kai K. konkret vom Schweinfurter Gericht gefordert?
Die Anwälte schlugen vor, dass Kai K. schon vor Verhandlungsbeginn - also noch im Polizeifahrzeug - die Handfesseln abgenommen werden. Das lehnte die Vorsitzende Richterin jedoch ab und verwies dabei auch auf die beiden Angeklagten, denen Anfang 2023 die Flucht aus Gerichtsgebäuden in Regensburg beziehungsweise Coburg gelungen war.

Hat sich die Praxis an bayerischen Gerichten nach der Flucht der zwei Angeklagten verschärft?
Eine konkrete Antwort darauf gibt das Justizministerium nicht. Nur so viel: Die "Ereignisse" seien "von Justiz und Polizei gründlich aufgearbeitet" worden. So sei "ein umfassender Sicherheitscheck" für alle Gerichte im Freistaat angeordnet worden, "der jeweils vor Ort in Abstimmung mit der Polizei" bis Ende März 2023 durchgeführt wurde. Außerdem hatten die Oberlandesgerichte umgehend "Taskforces mit Sicherheitsexperten aus Justiz und Polizei" eingerichtet, "die bei jedem Gericht die baulichen Gegebenheiten und organisatorischen Abläufe unter Sicherheitsaspekten geprüft haben".