Wenn es nach dem psychiatrischen Gutachter geht, dann gab es eine Art "Cut" im Ablauf der mutmaßlichen Taten, die die Staatsanwaltschaft Schweinfurt Kai K. vorwirft. Einen Zeitpunkt in einer Wohnung in Gerolzhofen am 16. Mai 2023, ab dem der Kopf der Gemeinschaft "Go&Change" laut dem Sachverständigen "die Überzeugung hatte, dass Dämonen oder Satanisten akut ihn und seinen Sohn bedrohten". Und ab dem der Angeklagte im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt haben soll.
Ab dann, so der Gutachter, habe Kai K. unter einem "Wahn" gelitten, ausgelöst durch starken Drogenkonsum. Der Sachverständige hat dem 42-Jährigen, der sich seit Februar vor dem Landgericht Schweinfurt wegen Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung verantworten muss, die Diagnosen drogeninduzierte Psychose und Substanz-Konsum-Störung, also eine Form der Drogensucht, gestellt.
Gutachter berichtet von Todesangst des Angeklagten
Wann genau am 16. Mai 2023 der "Wahn" begonnen haben soll, kann der Gutachter nicht angeben. Er habe sich bei seiner Einschätzung in erster Linie auf die Aussagen von Kai K. ihm gegenüber berufen, sagte der Sachverständige an diesem Dienstag vor Gericht. Der Angeklagte habe ihm berichtet, dass er mit der 30-jährigen Frau, die ihn später anzeigte und nun Nebenklägerin in dem Verfahren ist, eine andere Ex-Partnerin in die Wohnung in Gerolzhofen bestellt habe. Er habe geglaubt, die beiden Frauen würden einem satanischen Kreis zugehören und hätten beabsichtigt, ihn und seinen Sohn zu töten. "Da habe er Todesangst gespürt", berichtete der Sachverständige aus seiner Begutachtung des 42-Jährigen.

Im "Wahn" sei Kai K. dann auch am Folgetag gewesen: Während der Angeklagte selbst immer nur von einvernehmlichem Sex sprach, berichtete die 30-Jährige, sie sei an jenem Tag regelrecht gefoltert worden. Sie habe den Sex nur über sich ergehen lassen, um weiteren Schlägen zu entkommen. Nach der mutmaßlichen Tat habe sie unter anderem der Polizei gegenüber gesagt, Kai K. leide unter einer Psychose und brauche Hilfe.
Gutachter: Angeklagter wirkte in dem Zeitraum "stark verändert"
Diese und weitere Zeugenaussagen legte der Sachverständige seinem Gutachten zugrunde. So hatten mehrere Personen vor Gericht berichtet, dass K. im Zeitraum rund um die angeklagten Taten stark verändert gewirkt habe. Das spreche dafür, dass der 42-Jährige, "ab einem gewissen Zeitpunkt, die subjektive Gewissheit hatte", seine ehemaligen Partnerinnen planten tatsächlich, ihm und seinem Sohn etwas anzutun, sagt der Gutachter.
Entsprechend habe K. sich dann auch verhalten, erklärte der Gutachter vor Gericht: K. habe einen Mitbewohner beauftragt, "auf die Kinder aufzupassen" und sei am Morgen seiner Festnahme losgefahren, um "nach Satanisten zu suchen". Er habe dem Sachverständigen gegenüber von "panischer Angst um seinen Sohn" gesprochen. Erst später habe Kai K. dann gemerkt, dass das nicht stimme.

Zurückzuführen sei der "Wahn" auf einen andauernden Drogenkonsum. Der Sachverständige sprach sogar von einer Abhängigkeit bestimmter Substanzen. Als Maßregel im Falle einer Verurteilung regte er eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, als Behandlungsmaßnahme eine Entwöhnungstherapie.
Angeklagt sind Vergewaltigung in vier Fällen, gefährliche Körperverletzung in drei Fällen und vorsätzliche Körperverletzung in 33 Fällen – einige der mutmaßlichen Taten sollen vor jenem 16. Mai stattgefunden haben. Diese hätte K. laut Gutachter im Zustand der Schuldfähigkeit begangen.
Viele Nachfragen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung
Entsprechend ausgiebig bohrten am Dienstag sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung bei dem Sachverständigen nach. Hat K. möglicherweise schon vor dem 16. Mai 2023 wahnhafte Vorstellungen gehabt, wollte die Staatsanwältin wissen. Schließlich sei vor Gericht berichtet worden, man habe in der Gemeinschaft schon deutlich früher über Satanismus geredet. Der Gutachter erklärte: "Es ist etwas anderes, wenn ich mich ins Auto setze und nach Satanisten suche, als wenn ich im Internet dazu recherchiere."
Ein heftiges Wortgefecht gab es mit einem der Verteidiger von Kai K., der die Professionalität des psychiatrischen Sachverständigen infrage stellte. Der Gutachter sprach - zwischenzeitlich hörbar aufgebracht - von Unterstellungen.
Der Prozess wird an diesem Donnerstag, 23. Mai, fortgesetzt.