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Schweinfurt: Psychisch krank – und nun? Wie eine Frau mit ihrer Depression bei der Caritas Schweinfurt Hilfe fand

Schweinfurt

Psychisch krank – und nun? Wie eine Frau mit ihrer Depression bei der Caritas Schweinfurt Hilfe fand

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    Sylvia Tengler, Fachbereichsleitung Beratungsstelle, mit ihrer Klientin Sophia B., die sie seit zweieinhalb Jahren beim Sozialpsychiatrischen Dienst des Caritasverbands Schweinfurt betreut. 
    Sylvia Tengler, Fachbereichsleitung Beratungsstelle, mit ihrer Klientin Sophia B., die sie seit zweieinhalb Jahren beim Sozialpsychiatrischen Dienst des Caritasverbands Schweinfurt betreut.  Foto: René Ruprecht

    An jenem Freitag vor zweieinhalb Jahren geht bei Sophia B. (Name geändert) gar nichts mehr. Zu viel prasselt damals auf sie ein; heute beschreibt sie es als "Konglomerat aus vielen Dingen, denen ich nicht mehr Herr geworden bin". Nicht nur familiäre Probleme plagen sie, auch ihre vor Jahren diagnostizierte Depression und Suizidgedanken. 

    Bei Sophia B. geht es in diesem Moment um die Frage: Kriegt sie das Wochenende herum, oder muss sie sich in eine psychiatrische Klinik einweisen?

    Die 59-Jährige hat damals schon Erfahrungen mit der Psychiatrie, war Jahre zuvor schon mehrmals dort. Zurückgehen will sie nicht. Ihr letzter Ausweg: Eine Notfallnummer von einer Liste zu wählen, die ihr Hausarzt ihr gegeben hat. Sie landet beim Sozialpsychiatrischen Dienst (SpDi) des Caritasverbands in Schweinfurt, in der Beratungsstelle. 

    Alleine, dass jemand da war, hilft Sophia B. damals

    Sylvia Tengler, Fachbereichsleitung Beratungsstelle, erinnert sich noch gut an jenen Freitag im Oktober 2021, als Sophia B. bei ihr anruft. Damals hilft sie B., das Wochenende zu überstehen, sie über Wasser zu halten. Etwa mit dem Angebot, gemeinsam Möglichkeiten zur Versorgung ihres Hundes zu suchen. Oder der Überlegung, wer über das Wochenende nach ihr schauen kann. Am darauffolgenden Dienstag sitzt die Frau mit den langen, gräulichen Haaren Sylvia Tengler das erste Mal in deren Büro in Schweinfurt gegenüber.

    Im Gebäude der St.-Anton-Kirche ist auch die Beratungsstelle des Caritasverbands. Der Sozialpsychiatrische Dienst bietet neben der Beratungsstelle auch Selbsthilfegruppen, Betreutes Wohnen und ein Tageszentrum an.
    Im Gebäude der St.-Anton-Kirche ist auch die Beratungsstelle des Caritasverbands. Der Sozialpsychiatrische Dienst bietet neben der Beratungsstelle auch Selbsthilfegruppen, Betreutes Wohnen und ein Tageszentrum an. Foto: René Ruprecht

    "Mir ging's schlecht", sagt B. heute, wieder auf dem Stuhl in Tenglers Büro im Pfarrzentrum St. Anton sitzend, auf dem sie immer sitzt, wenn sie da ist. "Nein, mir ging's sehr schlecht." Doch alleine das Wissen, dass "da jemand ist, dass ich nicht alleine bin, das war sehr wichtig", erklärt sie. Mit Sylvia Tengler habe die Chemie für sie sofort gestimmt.

    Entstanden sei der SpDi, der für die Stadt und den Landkreis Schweinfurt zuständig ist und vom Bezirk Unterfranken getragen wird, in den 1980er-Jahren, sagt Abteilungsleiterin Doris Weißenseel. Der Grund: Menschen, die aus der Klinik entlassen worden waren, brauchten einen Ort zur ambulanten Nachsorge. Die Beratungsstelle ist ein Teil des Angebots der Abteilung Sozialpsychiatrie, mit dem Ziel, Menschen mit psychischen Erkrankungen oder in Krisen zu stabilisieren und zu begleiten. Auch Angehörige können sich melden. 

    "Auch wenn ich vielleicht noch gar nicht so richtig weiß, was das ist. Ich darf mir Hilfe suchen."

    Doris Weißenseel

    "Wir haben Menschen, die haben ihre psychischen Diagnosen", sagt Sylvia Tengler. "Und dann gibt es Menschen, die kommen, weil sie gerade in einer Krise sind und gefühlt alles über ihnen zusammenfällt. Die haben nicht unbedingt psychische Diagnose, bestimmte Symptomatiken weisen aber auf eine sehr belastete Seele hin."

    Es sei wichtig, den Betroffenen Mut zu machen. "Auch wenn ich vielleicht noch gar nicht so richtig weiß, was das ist, oder ich das Gefühl habe, mit mir stimmt etwas nicht: Ich darf mir Hilfe suchen", sagt Doris Weißenseel. 2023 waren 566 Betroffene und Angehörige in der Beratungsstelle.

    Themen wie Einsamkeit, Angst, Suizid werden behandelt

    Überwiegend in Einzelgesprächen, aber auch in Paar-, Familien- oder Gruppengesprächen unterstützen die Beratungskräfte, bestehend aus sozialpädagogischen und psychologischen Fachkräften, die Betroffenen dann. Das Themenspektrum ist groß: Es geht um die eigene psychische Erkrankung und deren Folgeprobleme, um Angst, Suizidgedanken, Probleme in der Familie und mit anderen, um Unterstützung im Alltag, am Arbeitsplatz oder bei sozialrechtlichen Angelegenheiten.

    Sylvia Tenglers erste Schritte mit Sophia B. vor mehr als zwei Jahren: viel zuhören, stabilisieren. Eine intensive Krisenbegleitung. Sie und ihre Klientin erstellen einen Notfallkoffer, der der 59-Jährigen in schwierigen Phasen helfen soll. Darin enthalten: Dinge, die eine positive Bedeutung für die Frau haben. Fotos wichtiger Menschen, Andenken, ein Smiley-Stein. Und eine Mayonnaise-Ketchup-Tube. Zu der habe ihr ihre Nichte geschrieben: "I'll catch you up, when you're down (deutsch: Ich fange dich auf, wenn du am Boden liegst)." Alleine darüber zu sprechen, bringt die Frau zum Lächeln.

    Der Notfallkoffer ist ein Hilfsmittel, das sie heute noch nutzt, und dessen Zusammenstellung damals Wochen dauert. Mal funktioniert der Blick in die Kiste, mal nicht. B. sagt: "Man erstellt nicht eine Kiste, und dann läuft es. Wenn Sie depressiv sind, wissen Sie zum Teil genau, was Ihnen guttut. Sie schaffen es aber nicht, es in die Tat umzusetzen." Und so kommt es vor, dass Sylvia Tengler sie auch mal daran erinnert, in die Kiste zu schauen. 

    Sophia B. muss lernen, dass Menschen sie mögen

    In Sophia B.s Fall geht es viel um Menschen in ihrem Umfeld, von denen sie sich nicht gesehen fühlt. Sie kämpft mit dem Gefühl, nicht gemocht zu werden, "verkehrt" zu sein. In den Gesprächen bei der Caritas lernt sie, dass es Menschen gibt, denen sie wichtig ist. "Und wenn einem sowas entgegenschlägt, dann ist das erstmal nicht so glaubhaft", sagt die 59-Jährige. "Dieses Feststellen, die mag mich ja wirklich. Der Kopf weiß das lange, aber von da bis da dauert es lange." Während B. das sagt, zeigt sie vom Kopf auf ihre Brust.

    Doris Weißenseel, Abteilungsleitung Sozialpsychiatrie des Caritasbands Schweinfurt. 
    Doris Weißenseel, Abteilungsleitung Sozialpsychiatrie des Caritasbands Schweinfurt.  Foto: René Ruprecht

    Sophia B. ist jemand, die sich gerne zurückzieht, Zeit alleine verbringt. Dass das in Ordnung ist, lernt sie in den Gesprächen mit Sylvia Tengler. "Das ist ein Stück meiner Persönlichkeit und das brauche ich tatsächlich." Mittlerweile könne sie das einfordern, und "nicht vor lauter schlechtem Gewissen" eine Situation aushalten, nur damit andere nicht beleidigt seien. "Und wenn alleine sein so aussieht, dass ich auf der Couch liege, Bücher lese und in den Himmel schaue, dann ist das so." 

    Menschen mit psychischer Erkrankung haben immer wieder mit Krisen zu kämpfen, weisen eine erhöhte Verwundbarkeit auf, befinden sich in Ausnahmesituationen, reagieren sehr sensibel, sagt Doris Weißenseel. "Mitunter erzählen sie nicht nachvollziehbare Dinge, das Familienleben ist angespannt oder die Belastbarkeit für den Beruf reduziert."

    In einem Erstgespräch schauen die Fachkräfte der Beratungsstelle auf die individuelle Situation. Dann muss weitergesehen werden: Gibt es existenzielle Fragen, welche sozialrechtlichen Belange müssen geklärt werden, braucht es die Vermittlung zu einer anderen Fachstelle, zu einer psychiatrischen Klinik etwa?

    Keine Krankenversicherung oder Überweisung nötig

    Um das Angebot des SpDi in Anspruch zu nehmen, brauchen Betroffene keine Krankenversichertenkarte oder Überweisung und müssen auch nichts zahlen. "In der Regel werden die Termine per Telefon oder direkt mit den Beraterinnen vereinbart und finden in der Beratungsstelle statt", sagt Weißenseel. "Auch Hausbesuche können notwendig und sinnvoll sein." Für viele ist es auch wichtig, dass niemand davon erfährt, dass sie dort hingehen.

    "Es zeugt von Stärke, überhaupt hierherzukommen", will Sylvia Tengler Betroffene ermutigen. "Manchen sage ich im Erstgespräch: 'Hey, Sie haben den ersten und wichtigsten Schritt schon gemacht, Sie sind hier.'" Auch nach Beendigung der Beratung stehe die Tür des SpDi für die Betroffenen weiter offen. "Wenn jemand geht, sage ich, er kann jederzeit wiederkommen. Das heißt in einem Monat, in einem Jahr, in zehn Jahren." 

    Wie es Sophia B. heute geht? "Gut, heute gut", sagt die 57-Jährige. "Morgen? Weiß ich noch nicht." Grundsätzlich aber, sagt sie dann, gehe es ihr gut. Es gebe heute noch Punkte, immer die gleichen, an denen es schwierig sei. Was ihr dann helfe: "Ich habe gelernt, im Gegensatz zu früher: Wenn es nicht geht, leg' ich halt mal einen Schlendrian ein."

    Über den Sozialpsychiatrischen Dienst des Caritasverbands SchweinfurtNeben der Beratungsstelle umfasst der Sozialpsychiatrische Dienst der Caritas in Schweinfurt auch ein Ambulant Betreutes Wohnen, ein Tageszentrum, das "Zuverdienst-Café" und den "Gutshof", eine Übergangseinrichtung für Frauen. Weitere Informationen unter: www.caritas-sw.de/hilfe-beratung/sozialpsychiatrischer-dienst/Zudem gibt es eine Notfallnummer des Krisennetzwerks Unterfranken, die in seelischen Notfällen rund um die Uhr erreichbar ist unter Tel.: (0800) 6553000.Quelle: lmw

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