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SCHWEINFURT: Pubertieren im Pfötchenparadies

SCHWEINFURT

Pubertieren im Pfötchenparadies

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    Kommt jetzt in ein schwieriges Alter: Der Spätpubertierende Jockel Tschiersch in der Disharmonie.
    Kommt jetzt in ein schwieriges Alter: Der Spätpubertierende Jockel Tschiersch in der Disharmonie. Foto: Foto: Uwe Eichler

    In Polens Adelsparlament gab's mal, wegen dem Zwang zur Einstimmigkeit, das „Liberum Veto“: Ein einziger Abgeordneter konnte jeden Beschluss platzen lassen. Ging selten gut aus, war aber cool: So viel Bockigkeit hat fast was Pubertäres. Irgendwoher muss er's ja haben, Schauspieler Jockel Tschiersch, der in der Kulturwerkstatt Disharmonie zu Gast war.

    Vater „Polacke“, wie er selber derb raunzt, Mutter aus Franken, aufgewachsen im Allgäu, jetzt Berlin. Ein Autoritätsungläubiger, der sich die Freiheit nimmt, zur mehrheitlichen Party-Schickimicki-Event-Stimmung um sich herum Nein zu sagen.

    „Pubertät mit 50“ nennt sich sein saftiger, kerniger Bühnenkraftakt, voller Sturm und Drang, der Humor oft (schw)einigelnd, manche Pointe picklig, dazu kommt ein heutzutage schon sehr unreif wirkender Hang zu Moral und sozialem Weltgewissen. Wie die Zeit wilder, wirrer Selbstfindung halt so ist, im Teenageralter, und später wieder so ab 50.

    Tschiersch ist vor allem aus Krimiserien bekannt, wie „Doppelter Einsatz“, „Rosenheim-Cops“, „Der Bulle von Tölz“. Der Wahl-Berliner gibt den fuchtelnden, weit abschweifenden Großstadtneurotiker, ein geschiedener Loser aus der Boheme, der wegen nächtlichen Dauerpinkelns zum Urologen geschickt wird: Der entpuppt sich als toughe Frau der neuen Generation, die einem (nicht nur) blasenschwachen Geschlecht zeigt, wer die Hosen anhat. Im Wartezimmer liegt eine Frauenzeitschrift, Thema Pubertät – ihr verstörter Leser merkt bald, dass seine eigene Altersgruppe gemeint ist.

    Der Rest ist ruheloses Typenkabarett: Der schwerreiche Bekannte Tilman etwa, Paradebeispiel eines Spätpubertierenden, mit gelangweilter Ehefrau, fettem Einzelkind, Jugendwahn und Penthouse, der für alles einen eigenen Coach hat. Unter anderem einen indianischen Steinerhitzer in der Männer-Schwitzhütte.

    Außerdem Griselhild und Giselher, neurotisch hechelnde, sabbernde Retriever im Gegenwert von 17 000 Euro: Tschierschs alter Ego darf sie im „Spritzi“, dem Luxusflitzer, zum „Pfötchenparadies“ nach Beelitz fahren, wo die durchgeknallten Köter kynologisch kuriert werden. Es steht zu befürchten, dass der verlesene Bericht über den Physiotherapiefortschritt zwischen Warmwasserbad und Leckerlitube auf realem Vorbild beruht.

    Der Charakterkopf rumort, parodiert mal im schwäbischen, mal Allgäuer Dialekt, oder gleich als hilflos maskuliner „Neger“-Kumpel. Er selbst, der ewig Halbstarke, endet im Berliner Nobelswinger-Club: Ähnlichkeiten seines „Therapieberichts“ mit dem von Griselhild und Giselher sind rein zufällig. Uwe Eichler

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