Die Wahrnehmung ist eine andere, als die Zahlen der Stadt besagen: Eltern telefonieren sich die Finger wund, um einen Kindergartenplatz zu finden. Sogar für Kinder im Vorschulalter werden mitunter noch Plätze gesucht.
"Mich würde mal interessieren, wieviel Kinder tatsächlich keinen Platz haben, aber einen Rechtsanspruch darauf besitzen?" Diese Frage stellte die Leiterin des Kindergartens Kreuzkirche in Oberndorf, Stefanie Parsons, bei der Bürgerversammlung in der Rathausdiele.
Deren zentrales Thema war diesmal die Situation in den Kindertagesstätten in Schweinfurt. Und den einleitenden Worten von Oberbürgermeister Sebastian Remelé zufolge, ist diese im Vergleich zu Großstädten "noch relativ komfortabel".

Diese Aussage deckt sich nicht mit den Erfahrungen eines anwesenden Vaters. "Als Eltern hat man den Eindruck, dass man froh sein muss, überhaupt irgendwo unterzukommen", sagt Frank Seger. Eine Wahl, Einrichtungen zu vergleichen, habe man nicht.
Das bestätigt auch Kitaleiterin Parsons. "Es geht nur darum, gibt es einen Platz oder nicht." Nach dem pädagogischen Konzept oder einem Besichtigungstermin werde gar nicht gefragt. Sie würde sich wünschen, die Eltern hätten hier eine Wahlmöglichkeit. Aktuell müsse sie viele Eltern abweisen. "Wir sind rappelvoll."
30 Minuten Anfahrtszeit mit dem ÖPNV zur Kita gelten als zumutbar
Bis Juni habe es noch freie Kitaplätze in Schweinfurt gegeben, entgegnet Thorsten Schubert, Leiter des Stadtjugendamtes, das die Platzvergabe koordiniert. Er räumt aber ein, dass nicht alle Eltern einen Platz in dem von ihnen gewünschten Hort bekommen. "Es braucht schon eine gewisse Flexibilität." 30 Minuten Anfahrtszeit mit dem ÖPNV zur Kita hält Schubert für zumutbar. In den allermeisten Fällen sei das in Schweinfurt möglich. Trotzdem würden manche Mütter und Väter ihr Kind dann lieber zurückstellen.
"Es gibt nicht den Fall, dass ein Kind keinen Platz bekommt."
Sozialreferent Jürgen Montag
Bislang sei die Stadt dem Rechtsanspruch auf Betreuung immer gerecht geworden, betont Sozialreferent Jürgen Montag. Seine Antwort auf die Frage der Erzieherin: "Es gibt nicht den Fall, dass ein Kind keinen Platz bekommt."
In der Regel wenden sich Eltern direkt an die Einrichtung. Hat sie keinen Platz frei, vermittelt das Stadtjugendamt eine andere Kita. Frank Seger würde sich für die Anmeldung eine digitale trägerübergreifende Plattform wünschen. "In Würzburg gibt es das." In Schweinfurt habe sich das nicht bewährt, meint Karola Rumpel, zuständig für die Kitabetreuung beim Stadtjugendamt. Die Träger wünschten den persönlichen Kontakt zu den Eltern und diese auch zum Kindergarten.

Stadt rechnet mit weiter steigenden Bedarf an Kitaplätzen
31 Kindertagesstätten gibt es in Schweinfurt, inklusive vier Schülerhorte an vier Grundschulen. Sie sind über das gesamte Stadtgebiet verteilt und stellen 1842 Kita-, 389 Krippen- sowie 225 Hortplätze bereit. Belegung: 100 Prozent.
In den zurückliegenden zehn Jahren ist die Bevölkerung enorm gewachsen, von 53.000 auf inzwischen fast 56.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Kinder bis sechs Jahren von 2600 auf über 3000. "Das ist enorm", sagt Sozialreferent Jürgen Montag.
Die Stadt rechnet mit einem weiter steigenden Bedarf an Kitaplätzen, besonders im U3-Bereich und bei Kindern mit höherem Betreuungsbedarf. Nicht nur weil die Geburtenzahlen steigen, sondern auch aufgrund von Zuwanderung und steigenden Flüchtlingszahlen.
Über drei Millionen Euro hat die Stadt 2022 in die Kindergärten investiert, zwei Millionen Euro flossen als staatliche Förderung wieder in die Haushaltskasse zurück. Schweinfurt hat noch die komfortable Situation, dass alle Kitas sich in freier Trägerschaft befinden. Das spart Geld. Ob das in Zukunft so bleiben wird, bezweifelt Montag. Vor allem die kirchlichen Träger seien auf dem Rückzug. Dann muss die Stadt entweder neue Kita-Betreiber finden oder selbst die Trägerschaft übernehmen.

Drei Kindergarten-Neubauprojekte am Start
Schon jetzt muss die Stadt teilweise als Bauherr auftreten, weil den Trägern das Geld fehlt. So zum Beispiel beim Ersatz- und Neubau der Kita Maria Hilf, der mit 5,8 Millionen Euro veranschlagt ist und im Frühjahr 2024 mit 51 Kita- und 24 Krippenplätzen eröffnet wird. Auch beim Neubau der Kita Bellevue ist die Stadt Bauherr und Träger die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde. Investiert werden 5,27 Millionen Euro für 52 Kita, 24 Krippen- und 25 Hortplätzen. Eröffnung soll im Sommer 2025 sein. Drittes Neubauprojekt ist die Kita Gartenstraße der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Schweinfurt mit 75 Kita- und 24 Krippenplätzen (Eröffnung Sommer 2024).
Auch wenn mit den Neubauprojekten die Zahl der Kitaplätze von 389 auf 449 steigt, wird das nicht reichen. Angedacht sind daher die Erweiterung der Kita Gartenstadtstraße, der AWO-Kita am Bergl und der Kreuzkirche-Kita in Oberndorf. Auch ein mobiler Waldkindergartenwagen soll angeschafft werden, um weitere Naturgruppen gründen zu können.
"Kindertagesstätten sind wichtig für die Betreuung und Erziehung"
Oberbürgermeister Sebastian Remelé
"Kindertagesstätten sind wichtig für die Betreuung und Erziehung", sagt OB Remelé. Deshalb beteiligt sich die Stadt auch mit 80 Prozent an den Baumaßnahmen der Träger. Pro neu geschaffenem Platz wird zudem eine Ausstattungspauschale von 800 Euro gezahlt. Die Betriebskosten teilen sich Freistaat und Kommune zu je 40 Prozent sowie der Träger mit 20 Prozent. Im Schnitt fallen für die Stadt hier jährlich sieben Millionen Euro an.

Darüber hinaus zahlt die Stadt bei Modernisierungen einen Zuschuss von 66 Prozent. "In den vergangenen Jahren war das immer ein deutlich sechsstelliger Betrag", sagt Sozialreferent Montag. Einen weiteren Zuschuss gibt es für Einrichtungen mit einem Migrationsanteil von mindestens 25 Prozent. Das haben bis auf zwei alle. 2022 fielen dafür 104.500 Euro an.

Die Stadt übernimmt auch Elternbeiträge, wenn das Einkommen zu gering ist. "2022 waren das mehr als eine halbe Million Euro", rechnet Montag vor. Hinzu kommt die Geschwisterermäßigung. Beim zweiten Kind zahlt die Stadt die Hälfte, beim dritten Kind die gesamte Gebühr. 2022 fielen dafür 320.000 Euro an.
Angesichts dieser Ausgaben für die Kinderbetreuung gilt der Grundsatz, "Schweinfurt ist für Schweinfurter Kinder da und nicht für Kinder aus dem Landkreis". Früher sei das mal anders gewesen, weiß Montag. "Aber da gab es auch noch freie Kitaplätze."