Feine Sägespäne landen auf Steaks, Holzstaub ruiniert den frisch gestrichenen Handlauf an der Wohnungstür und sobald das Küchenfenster zu lange gekippt bleibt, ist auch die Herdplatte voller Holzstaub. Herr K. und seine Frau sind mit dem Sägewerk Gleitsmann gegenüber ihres Grundstücks in Unterspiesheim nicht gerade glücklich. Man könnte auch sagen: Ihre Geduld ist seit Jahren am Ende. Denn neben dem Staub und Dreck, der bei vorherrschendem Westwind vom Betrieb regelmäßig herüberweht, fühlt sich das Rentnerpaar auch vom dortigen Betriebslärm massiv gestört. Mitunter, so schildern sie es, sei es kaum auszuhalten. Tonaufnahmen, die sie gemacht haben, hören sich tatsächlich an wie eine grausige Mischung aus Güterzug und Pfeifkonzert.

Familie K., die ihren Namen nicht öffentlich machen möchte, hat das Grundstück in der Schillerstraße Ende der 70er Jahre gekauft. Seit gut zehn Jahren ist er in Rente, zuvor lebten beide beruflich jahrelang viel im Ausland. Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass ihnen das Sägewerk in der Nachbarschaft vor allem in den vergangenen Jahren immer negativer auffällt – wenngleich die angeblichen Missstände, die sie dort erkennen, nicht erst seit drei, vier Jahren auftreten.
Sägewerk besteht seit Jahrzehnten am Standort
Das Sägewerk Gleitsmann ist seit gut 60 Jahren in Unterspiesheim und hat sich seitdem auf dem rund 14 Hektar großen Werksgelände deutlich vergrößert. Als K. sein Anwesen gekauft hat, lagen die eigentlichen Betriebsanlagen nicht nur gefühlt weit weg. Heute reichen die Stapel mit gesägten Brettern bis an die Grundstücksgrenze des Betriebs entlang der Grettstadter Straße und des Hirtenwegs; auf der anderen Straßenseite stehen die ersten Wohnhäuser. Auf der südlichen Seite, am Hirtenweg, entsteht gerade ein Komplex für mehrere Dutzend altersgerechte Wohnungen – alles in Wurfweite des Sägewerk-Betriebs.

Für Kolitzheims Bürgermeister Horst Herbert ist dieses Aufeinandertreffen von Gewerbe- und Wohngebiet unter heutigen Maßstäben "nicht mehr machbar". Doch vor 30, 40 Jahren, als die für diesen Bereich noch immer gültigen Bebauungspläne entstanden, gab es darüber offenbar wenig Bedenken. Dem Bürgermeister ist das Konfliktpotenzial solcher Konstellationen bewusst. Der Betreiber des Sägewerks hält sich aus seiner Sicht an geltende Vorgaben – ruft damit aber dennoch bei Nachbarn immer wieder Ärger hervor. Herbert erkennt aber auch, dass Menschen heutzutage allgemein sensibler als früher auf Störungen, wie sie in diesem Fall auf Lärm und Staub, reagieren.
Unternehmen versetzt Häcksler ans andere Ende
Beim Sägewerk, das 43 Menschen beschäftigt, sieht man die Problematik ebenfalls. Sie seien dabei, "endgültige Lösungen zu finden", wie Markus Schott auf Nachfrage dieser Redaktion erklärt. Der 39-Jährige ist seit zwei Jahren Geschäftsführer und möchte, wie er sagt, die Zukunft des Betriebs sichern. Deshalb habe man etwa eine mobile Anlage, die Baumstämme entrindet, nur noch zeitlich begrenzt im Einsatz. Ein Restholz-Häckslers sei Mitte 2020 auf dem Gelände so versetzt worden, dass er jetzt möglichst weit von den nächsten Wohnhäusern entfernt steht. Sein Unternehmen betreibe also durchaus erhöhten Aufwand, um mit den Nachbarn in Frieden zu leben, findet Schott.

Für den Betrieb, der als einer der größten Laubholz-Sägewerke Bayerns eigenen Angaben nach jährlich bis zu 25 000 Festmeter Stammholz, vor allem Buchen, Eichen und Eschen, verarbeitet, gebe es aber auch Grenzen des Machbaren, sagt er: "Wir können kein Netz über das komplette Betriebsgelände spannen, um jedes aufgewirbelte Rindenteil abzufangen." Auch der öffentliche Weg, der das Betriebsgelände durchquert, verursache zusätzlichen Staub.
Es haben sich mehrere Nachbarn beschwert
Das Landratsamt Schweinfurt hat als Aufsichtsbehörde das Sägewerk ebenfalls auf dem Bildschirm, schon allein deshalb, weil sich dort nach Auskunft von Pressesprecher Andreas Lösch in den zurückliegenden Jahren neben K. weitere Nachbarn über den Betrieb beschwert haben, insbesondere wegen Lärm und Staub. Nach Beschwerden über den Betrieb eines Häckslers hätten Mitarbeiter seit August 2015 und in den folgenden Jahren die Lage vor Ort mehrfach in Augenschein genommen – jeweils noch am Tag der Beschwerde.

Festgestellt wurde laut Landratsamt, dass die Rindenmühle Staub verursacht, welchen der Betreiber durch veranlasste technische Veränderungen vermindern konnte. Zudem sei die Behörde seit August 2018 im Austausch mit dem Unternehmen, um Wege zu finden, die von mehreren Nachbarn beanstandeten Emissionen (Lärm, Staub) zu mindern. Ergebnis sei etwa der beschriebene Standort-Wechsel des Häckslers gewesen.
Für Heizkraftwerk besteht Überwachungspflicht
Grundsätzlich jedoch, das lässt sich den Antworten des Landratsamtes entnehmen, spricht aus Sicht der Aufsichtsbehörde nichts gegen den Betrieb des Sägewerks. Laut Pressesprecher Lösch sei zu unterscheiden, dass Gleitsmann vor Ort Anlagen betreibt, die aus Sicht des Immissionsschutzes genehmigungs- und überwachungspflichtig sind, wie das Biomasse-Heizkraftwerk. Für dieses gelten Grenzwerte für Staub und Abgase, die laut Messungen aber eingehalten werden.

Daneben gebe es Anlagen, die immissionsschutzrechtlich keine Genehmigung benötigen, beispielsweise Häcksler oder Entrinder. Hierfür gelten zwar genauso ebenso Grenzwerte, die allerdings erst bei konkreten Beschwerden überprüft würden. Je nachdem, wie massiv die Emissionen sind und wie stark diese andere betreffen, seien dann technische Maßnahmen vorzuschreiben, um diese zu reduzieren – jedoch immer unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

Letztlich wird es im konkreten Konflikt in Unterspiesheim immer darauf ankommen, gegenseitig Rücksicht auf die Interessen beider Seiten, des Sägewerks und der Nachbarn, zu nehmen. Darauf verweist das Landratsamt und auch Bürgermeister Herbert sieht darin die zentrale Anforderung für die Zukunft.
Geschäftsführer spricht von Einhausungen
Ein Lösungsansatz könnten da ausgerechnet Pläne des Unternehmens sein, den Betrieb in Unterspiesheim nochmals zu erweitern. Geschäftsführer Schott bestätigt den erfolgten Kauf eines Grundstücks nördlich des bestehenden Betriebsgeländes. Dieser Bereich ist seit Anfang der 90er Jahre als beschränktes Industriegebiet ausgewiesen. Dort könnten laut Schott auch Einhausungen für besonders lärm- und/oder staubträchtige Anlagen entstehen. Zudem würde er sich wünschen, dass von der angrenzenden Staatsstraße Richtung Schwebheim eine Zufahrt zum Werksgelände möglich ist. Dies würde den bisherigen Schwerlastverkehr des Sägewerks von 20 bis 30 Lastwagen pro Tag über den Hirtenweg, also durch die Siedlung, vermeiden. Ein Wall an der Grundstücksgrenze, der Lärm und Staub zurückhält, kann Schott sich ebenfalls vorstellen – "lieber heute als morgen". Doch die Verhandlungen mit Behörden zögen sich hin.

Der Bürgermeister berichtet ebenfalls von Gesprächen über eine mögliche Erweiterung des Sägewerk-Geländes. Die als beschränktes Industriegebiet ausgewiesene Fläche nördlich des Unternehmens umfasse vier Äcker. Die Voraussetzungen, um den Betrieb zu erweitern und umzustrukturieren, seien also vorhanden.