Da sind sie! Tief im Wald ragen sie auf. Große und kleine Hügel, zehn bis 15 Meter im Durchmesser. Eingehüllt in Laub, bewachsen mit großen und kleinen Bäumen. Manche wölben sich drei bis vier Meter in die Höhe. "Latha math! Cead mile failte!" - Mit dem gälischen "Guten Tag" heißt Jutta Göbel ihre Gäste "Tausendfach Willkommen" an den Hügelgräbern im Tal der Kelten bei Obbach.
Früher glaubte man, unter den großen Erdhügeln würden Riesen liegen. Deshalb nennt der Volksmund die keltischen Hügelgräber auch Hünengräber. Riesen waren die Kelten nicht, mitunter haben sie mit ihren Toten aber Riesiges bestattet. Zum Beispiel komplette Pferdegespanne. Je bedeutender der Tote, desto wertvoller und größer die Grabbeigaben und desto höher der Hügel. "Fürstengräber können bis zu zehn Meter hoch sein", sagt Jutta Göbel. Diese Dimension erreichen die Obbacher Hügelgräber im Landkreis Schweinfurt nicht. Die Nekropole ist mit einer Fläche von gut zweieinhalb Hektar aber beeindruckend groß.
In ganz Europa haben die Kelten ihre Spuren hinterlassen
Jutta Göbel ist passionierte Keltenforscherin. Ihre Urlaube verbringt die Obbacherin gerne dort, wo die Kelten ihre Spuren hinterlassen haben. Und das ist in ganz Europa. Auch bei Ausgrabungen war sie schon dabei. Dass man gar nicht weit reisen muss, um in die Welt der Kelten einzutauchen, belegt das Obbacher Reichsthal, früher Richthal, Tal der Macht. Seit 2010 bietet Jutta Göbel als zertifizierte Gästeführerin Wanderungen ins Tal der Kelten an. Dabei erfährt man viel Wissenswertes über keltische Bräuche und hört mystische Geschichten über die Menschen, die vor 2500 Jahren den Landstrich bewohnt haben.

Startpunkt der etwa zwei Kilometer langen Wanderung ist an der Reichsthalscheune auf der Anhöhe oberhalb von Obbach, Teilort der Gemeinde Euerbach. Das landwirtschaftliche Anwesen gehört zum Schloss unten im Dorf, das im ausgehenden 17. Jahrhundert für die Freiherrn von Bobenhausen gebaut wurde und heute ein landwirtschaftlicher Gutsbetrieb mit ökologischem Landbau ist. Von hier aus reicht der Blick weit in die Rhön, in die Haßberge und den Steigerwald – zu anderen historisch belegten keltischen Siedlungen.
"Die Kelten siedelten sich immer auf einem Berg mit weiter Aussicht an", erklärt Jutta Göbel. Zum einen um feindliche Heere schnell ausmachen zu können, zum anderen um den Göttern näher zu sein. Und um sich mit Rauch- und Feuerzeichen verständigen zu können.

Die Kelten selbst hatten keine Schriftkultur. Die römischen und griechischen Geschichtsschreiber aber berichteten von den "furchterregenden keltischen Kämpfern", die sich nackt, wild bemalt und mit lautem Geschrei in die Schlacht gestürzt hätten. Blutrünstige Barbaren sollen es gewesen sein, die grausame Opferriten pflegten und die Köpfe der gefallenen Feinde als Ehrenzeichen auf Pfähle gesteckt haben, sagt Göbel.

Da stellt man sich wilde Horden vor, die in Höhlen hausen. Weit gefehlt. Jutta Göbel zeigt ein Foto eines nachgebauten keltischen Wohnhauses mit Schlafstatt und Wohnraum. "Die Kelten waren ganz zivilisiert." Sie trugen Kleidung mit fein gewebten Bordüren und Gewänder, die mit kunstvollen Fibeln zusammengehalten wurden. Die Obbacherin hat eine solche Gewandnadel mit einem Vogelkopf dabei. Eine Nachbildung, wie es sie auf Keltenfesten zu kaufen gibt.
"Keiner weiß, wo der Schatz geblieben ist. Er ist für immer verloren."
Jutta Göbel, Gästeführerin aus Obbach
Auch der keltische Schmuck ist eine Zierde, wenngleich den Kelten die spirituelle Bedeutung wichtiger war. Frauen wie Männer schmückten sich deshalb mit Halsketten, Armreifen und Ohrringen, trugen sie als Amulett oder Talisman. Jutta Göbel holt eine bunte Glasperlenkette aus ihrem Schatzkästchen. Auch ein Imitat. Sie hat die Kette bei einem Keltenmarkt selbst aufgefädelt. Die auf den Perlen gemalten Augen sollen vor bösen Blicken schützen.
Die Gästeführerin besitzt auch original keltische Fundstücken, ein großer Wäschekorb mit Tonscherben steht bei ihr zu Hause auf dem Dachboden. Ein Dachs hat sie aus einem der Hügelgräber ausgebuddelt, erzählt sie. Es sind Reste von Tonkrügen und Schalen, teils mit Graphitmustern bemalt. Die Denkmalbehörde hat jedes Stück dokumentiert. Haben will die Scherben aber niemand.

Auch auf dem Feld zwischen der Obbacher Reichsthalscheune und dem Kützberger Wartturm, einem alten Beobachtungsturm, hat man Tonscherben gefunden. Hin und wieder kommt das eine oder andere auch heute noch zum Vorschein. Der große Schatz aber ist längst gehoben. Ein Landwirt soll hier vor 100 Jahren eine Ansammlung von Regenbogenschüsselchen gefunden haben, erzählt die Gästeführerin. Das sind kleine kunstvoll verzierte Goldmünzen. Der Name beruht auf der Schüsselform und der Sage, dass die Goldstücke von einem Regenbogen herabtropften und auf der Erde zurückgeblieben sind.
Mit diesen Goldstücken wurden vornehmlich Staatsgeschäfte getätigt, sagt Göbel, der Alltagshandel habe weitgehend in Tauschgeschäften bestanden. Durch den Schatzfund im Jahr 1939 lässt sich belegen, dass hier eine bedeutende Siedlung mit hoher kultureller Entwicklung existiert hat.

"Keiner weiß, wo der Schatz geblieben ist", sagt Jutta Göbel. Der Bauer soll ihn bei einem Schweinfurter Juwelier zu Geld gemacht haben, heißt es. "Er ist für immer verloren."
Der Nagelsee entstand, weil die Kelten hier die Erde für ihre Hügelgräber aushoben
Auf dem Weg zu den Hügelgräbern macht die Gästeführerin einen Abstecher zum Nagelesee, eine Bodensenke ohne Quelle, aus der die Kelten wohl die Erde für ihre Hügelgräber geholt haben. Normalerweise kann man an diesem idyllischen Örtchen einem Froschkonzert lauschen. Doch die erwartete Ruhe wird von einer Party-Gesellschaft gestört, die hier eine regelrechte Festmeile mit Bratwurstgrill und Biertischgarnituren aufgebaut hat. "Verbotenerweise", wie die Gästeführerin feststellt.

Schnell geht es fort, hinein in den Wald, wo ehrfürchtige Stille die Totenstadt der Kelten umhüllt. Mehr als 50 Grabmonumente befinden sich hier zwischen den hohen Bäumen. Sie stammen aus der Hallstatt- und Bronzezeit, wurden also vor mindestens 2200 Jahren angelegt.
Die Kelten haben ihre Toten in einer hölzernen Grabstelle bestattet. Auf den Weg in die Anderswelt bekamen sie Essen und Trinken mit. Bei Fürsten seien sogar Familienmitglieder mit auf die Reise geschickt worden, sagt Göbel. Über die Grabstelle sind Steine geschichtet und darum herum ein Steinring als Schwelle zur Anderswelt erbaut worden. Die Grabfläche selbst wurde mit Erde abgedeckt. So entstanden die riesigen Hügel.
Schweigend läuft die Gruppe durch die Nekropole. Es gibt keinen Weg, es geht mitten durch, mal vorbei an den Grabhügeln, mal oben drüber, bis man auf der anderen Seite des Waldes wieder aus dem Tal der Toten ins Licht der Sonne tritt. Über weiche, grasige Wege geht's zurück zur Reichsthalscheune. Hier kann man den Blick noch einmal in die Ferne schweifen lassen über das Land, das einst mächtige Keltenstämme bewohnt haben.

Tal der Kelten bei ObbachTermine: Die nächste Führung ins Tal der Kelten bietet Jutta Göbel zur Sommersonnenwende am 18. Juni an. Weitere Führungen gibt es am 24. Juli, 6. November und 18. Dezember. Kinder sind zu einer Mitmach-Tour in den Sommerferien am 5. August eingeladen. Anmeldungen unter info@kelten-fuehrung-obbach.de oder tourismus@schweinfurt360.deRund um Obbach: Wer auf eigene Faust das Tal der Kelten erkunden möchte, kann dies mit einer ausgedehnten Wanderung auf dem Premium-Wanderweg "Rund um Obbach" tun. Die Strecke ist 12,6 Kilometer lang und wird mit einer Gehzeit von 3,5 Stunden angegeben.Start- und Endpunkt ist in der Obbacher Dorfmitte. Die Strecke führt zuerst Richtung Sömmersdorf, wo sich ein Abstecher zum Passionsgelände mit Freilichtbühne, Passionsgarten und Passionsgalerie im ehemaligen Rathaus lohnt. Über die Höhenzüge wandert man dann nach Norden zur Reichsthalscheune und von dort hinüber in den Wald hinein zu den historisch bedeutsamen Hügelgräbern. Vorbei am Nagelesee und der Kützberger Warte geht es wieder zurück nach Obbach. Für den Hunger zwischendurch wird Rucksackverpflegung empfohlen.is