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Schweinfurt: Samstagsbrief: Ab Montag sind Lehrer noch näher am Virus, Herr Neckov!

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Samstagsbrief: Ab Montag sind Lehrer noch näher am Virus, Herr Neckov!

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    In Berlin werden Schüler von Medizinstudenten in Schutzkleidung angeleitet, einen Corona-Selbsttest durchzuführen. In Bayern bleibt das Lehrern ohne Schutzkleidung überlassen.  
    In Berlin werden Schüler von Medizinstudenten in Schutzkleidung angeleitet, einen Corona-Selbsttest durchzuführen. In Bayern bleibt das Lehrern ohne Schutzkleidung überlassen.   Foto: Annette Riedl, dpa

    Sehr geehrter Herr Neckov,

    Sie haben am Freitag bestimmt auch Piazolo geschaut, oder? Die virtuelle Pressekonferenz; genau die. Vermutlich haben Sie als altgedienter Lehrer beim Zuschauen aufgelacht – an der Stelle nämlich, als der Kultusminister die Selbsttests für Schüler anpries und deren Durchführung in der Schule als "ganz leicht" bezeichnete. Schüler, auch kleine, könnten die Tests alleine durchführen, weil das Teststäbchen ja nur zwei Zentimeter weit in die Nase eingeführt werde und deshalb "schmerzfrei" sei, sagte der Minister fröhlich. Und betonte, dass die Lehrer keineswegs den Schülern beim Test helfen müssten. Die Pädagogen müssten einfach nur "die Aufsicht führen". Ich stelle mir vor, dass Sie, Herr Neckov, in dem Moment, als Piazolo das Bild von der lässig zurückgelehnten Lehrer-Aufsicht beschwor, sich die Lachtränen aus den Augen wischen mussten. Vielleicht haben Sie auch nicht gelacht, sondern dem Minister mit einem harten Druck auf den Aus-Knopf das Wort abgeschnitten. Wundern täte es mich nicht.

    "Impfung vor Schulöffnung" haben Mitglieder des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands in einem Brandbrief an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gefordert. Auch Tomi Neckov, Schulleiter der Frieden-Mittelschule in Schweinfurt und BLLV-Vize, steht hinter dieser Forderung.
    "Impfung vor Schulöffnung" haben Mitglieder des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands in einem Brandbrief an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gefordert. Auch Tomi Neckov, Schulleiter der Frieden-Mittelschule in Schweinfurt und BLLV-Vize, steht hinter dieser Forderung. Foto: Uwe Eichler

    Warum fragt Michael Piazolo nicht mal die Praktiker? Warum erkundigt er sich, bevor er neue kultusministerielle Weisungen durch den Freistaat jagt, nicht bei Routiniers wie Ihnen, ob Schülertests im Schulgebäude sinnvollerweise von jetzt auf gleich verpflichtend angeordnet werden sollten. Sie, Herr Neckov, haben als erfahrener Schweinfurter Schulleiter und als Bayerischer Lehrerverbands-Vize gefordert, dass Bayerns Lehrer dringend geimpft werden und ohne Impfung nach den Osterferien nicht in den Präsenzunterricht zurückkehren sollten. Wie recht Sie damit hatten, wird deutlich, wenn man das Selbsttest-Szenario noch mal abspielt, diesmal aber etwas lebensechter.

    Da sieht man vorm geistigen Auge die armen Lehrer, viele von ihnen im 50-Plus-Alter, viele noch ungeimpft, wie sie zweimal pro Woche einer Virenlast ausgesetzt werden: dann nämlich, wenn alle Schüler gleichzeitig ihre Masken abnehmen, um mit den "schmerzfreien" Teststäbchen in ihren Nasen herumzustochern. Respektive – in ihren Näschen. Wenn ich zurückdenke an meine Tochter im Grundschulalter, dann weiß ich, dass in ihr winziges Näschen niemals ein Teststab zwei Zentimeter weit hineingepasst hätte. Das nebenbei.

    Offenbar werden in Bayern Schüler-Selbsttests verschiedener Hersteller verwendet. Während hier bei einem Ministerbesuch in München die Kinder nur eine Speichelprobe abgeben müssen, werden etwa im Kreis Kitzingen in Unterfranken Nasenstäbchen für den Test verwendet.
    Offenbar werden in Bayern Schüler-Selbsttests verschiedener Hersteller verwendet. Während hier bei einem Ministerbesuch in München die Kinder nur eine Speichelprobe abgeben müssen, werden etwa im Kreis Kitzingen in Unterfranken Nasenstäbchen für den Test verwendet. Foto: Matthias Balk, dpa

    In lebensechten Szenarios hört man Sätze wie "Herr Müller, meine Nase blutet!"

    In einem lebensechten Szenario hört man Schüler Sätze rufen wie "Frau Meier, mein Stäbchen ist runtergefallen" oder "Herr Müller, meine Nase blutet!" Man sieht maskenfreie Kids, die sich anatmen und gegenseitig helfen wollen; Kids, die ihre Testflüssigkeitsbehälter nicht aufkriegen oder verschütten. Vor allem aber versteht man, dass die Lehrkraft im ein oder anderen Fall sich übers Kind beugen, ihm assistieren muss, sodass Ansteckung wahrscheinlicher wird. Und was sollen die Lehrer mit positiv getesteten Schülern machen? Ins Kämmerchen packen, bis die Eltern endlich kommen können? Und wer desinfiziert die Schulzimmer, wenn die Putzfrauen erst abends anrücken?

    Herr Neckov, hätte man Praktiker wie Sie vorab gefragt, wären solche Szenarios geschildert worden. Wäre es nach Ihnen gegangen, hätte man die Ferien hergenommen, um Bayerns Lehrer flächendeckend zu impfen, um dann langsam und mit genügend Vorlauf und Planung in die Selbsttestphase überzugehen. Bei genügend Vorlauf hätte man sich möglicherweise bei den Tests sogar die Unterstützung von Medizinstudenten sichern können, so wie es Bundesländer wie Berlin auch tun. Und das wäre eine von mehreren möglichen besseren Lösungen gewesen; die andere hätte darin bestanden, Tests an die Eltern zu delegieren. Aber was macht ein Herr Piazolo, wenn Kritik an seinem Testkonzept kommt? Dann wünscht er sich, so hat er es am Freitag wörtlich gesagt, von Kritikern einfach "mehr positive Power".

    Wie lange werden Schulleiter noch die Nerven haben, dem Chaos zu trotzen?

    An diesem Wochenende werden wohl Eltern die Apotheken stürmen, um Selbsttests zu kaufen; entweder, um mit ihren Kindern die Testung zu üben oder um sie durch Vorlage eines Negativ-Tests vorm Selbsttest zu schützen. Manche Eltern werden ihre Kinder gleich daheim behalten, andere werden die Einverständniserklärung für den Test verweigern. Regulären Unterricht kann man für den Montag jedenfalls vergessen – möglicherweise auch in Ihrer Schule, Herr Neckov.

    Lassen Sie mich an dieser Stelle Dank dafür aussprechen, dass Sie den Schulleiter-Job noch nicht an den Nagel gehängt haben. Unter Lehrern erzählt man sich nämlich gerade, dass immer mehr Schulleiter ihre Leitungsfunktion abgeben – weil sie keine Nerven mehr haben für das Chaos, das teils Corona und teils Bayerns Kultusministerium geschuldet ist.

    Mit freundlichen Grüßen

    Gisela Rauch, Redakteurin

    Einer bekommt Post: Der "Samstagsbrief"Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur.Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir vom Adressaten Post zurück. Die Antwort und den Gegenbrief, den Briefwechsel also, finden Sie dann auf jeden Fall bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet die Antwort desjenigen, der den "Samstagsbrief" zugestellt bekommt, ja auch Anlass für weitere Berichterstattung – an jedem Tag der Woche.Quelle:

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