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Grafenrheinfeld: Samstagsbrief: Setzen Sie endlich auf den Klimaschutz und nicht auf die Atomkraft, Ministerpräsident Söder!

Grafenrheinfeld

Samstagsbrief: Setzen Sie endlich auf den Klimaschutz und nicht auf die Atomkraft, Ministerpräsident Söder!

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    Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im April 2023 am Kernkraftwerk Isar 2 in Niederbayern, kurz bevor es abgeschaltet wurde.
    Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im April 2023 am Kernkraftwerk Isar 2 in Niederbayern, kurz bevor es abgeschaltet wurde. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Söder,

    in weniger als einer Woche ist es so weit: Die beiden 143 Meter hohen Kühltürme am seit 2015 stillgelegten Kernkraftwerk Grafenrheinfeld werden gesprengt. Sie sind sicher darüber informiert. Es werden Tausende Menschen erwartet, die sich dieses weniger als eine Minute dauernde Spektakel nicht entgehen lassen werden. Die Kühltürme waren mehr als 40 Jahre lang ein Stück heimatliche Orientierung für viele Menschen aus der Region Schweinfurt.

    Sind die Kühltürme weg, ist das auch das sichtbare Zeichen für all diejenigen, die noch an eine Zukunft der Atomkraft glauben: Es ist mit Atomkraft vorbei. Und das zurecht.

    Das Atomkraftwerk Isar 2 in bayerische Eigenregie betreiben?

    Es war im April 2023, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, als Sie zuletzt als großer Befürworter der Atomenergie aufgetreten sind. Das Pressebild zeigt Sie mit ernstem Blick vor dem Kernkraftwerk Isar 2 in der Nähe von Landshut, das damals abgeschaltet wurde.

    Schon damals habe ich mich gefragt, was Sie mit diesem Auftritt und Ihren Forderungen, notfalls Isar 2 in bayerischer Eigenregie entgegen geltendem Bundesrecht zu betreiben, bezweckt haben.

    Wollten Sie die Abschaltung verhindern und den letzten Funken für eine Renaissance der Atomkraft am Lodern halten? Und das, obwohl es nach der Katastrophe in Fukushima am 11. März 2011 einen breiten gesellschaftlichen Konsens in Deutschland gibt, aus der Atomkraft auszusteigen. Sie sprachen im vergangenen Jahr von möglichen "ernsthaften Problemen" im kommenden Winter.

    Die Stromversorgung in Deutschland läuft ohne AKW störungsfrei

    Probleme, die nie aufgetreten sind. Die Stromversorgung in Deutschland war auch nach dem endgültigen Abschalten der letzten Atomkraftwerke wie von vielen Experten vorhergesagt störungsfrei. Viele Studien, unter anderem der Beratungsgesellschaft Enervis im Auftrag von Greenpeace, haben nachgewiesen, dass der Wegfall des Atomstroms das System weder vor Probleme noch Herausforderungen gestellt hat.

    Am 16. August 2024 werden die Kühltürme des seit 2015 stillgelegten Kernkraftwerks Grafenrheinfeld gesprengt.
    Am 16. August 2024 werden die Kühltürme des seit 2015 stillgelegten Kernkraftwerks Grafenrheinfeld gesprengt. Foto: Anand Anders

    Und ja, es wurde auch Atomstrom aus Frankreich importiert, das ist richtig. Allerdings auf die gesamte importierte Strommenge gerechnet nur ein Viertel, die Hälfte des für unseren Markt gekauften Stroms aus dem Ausland stammte im Winter 2023/24 aus erneuerbaren Energien.

    Es gibt einen schönen Satz in Bezug auf die US-amerikanische Sängerin Taylor Swift, derzeit die wohl bedeutendste Musikerin in der westlichen Welt. Er stammt von einer Klimaschutzaktivistin, die sich fragte, was man in der Welt alles erreichen könnte, wenn Taylor Swift nicht einen American-Football-Profi namens Travis Kelce lieben würde - sondern einen Klimaschutz-Forscher.

    Auf Sie übertragen, lieber Herr Söder: Was könnte Bayern nicht alles erreichen, wenn Sie und Ihr Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger endlich konsequent auf erneuerbare Energien setzen würden? 

    Folgen bedenken: Atomstrom ist nicht billiger als Strom aus erneuerbaren Energiequellen

    Es ist eine Mär, dass Atomstrom billiger als Strom aus erneuerbaren Energiequellen ist. Denn bei einer solchen Behauptung wird die Rechnung ohne die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gemacht. Die tatsächlichen Kosten sind deutlich höher, weil die massive Förderung der Kernkraft meist verschwiegen wird. In Deutschland waren das zwischen 1950 und 2010 zum Beispiel 200 Milliarden Euro.

    Und zum Thema Klimaneutralität von Atomstrom sei die Einschätzung des Bundesumweltministeriums zitiert: "Atomkraft ist weder CO₂-frei, noch ist sie die CO₂-ärmste Art der Energieerzeugung. Denn gerade die energieintensive Brennstofferzeugung ist klimaschädlich." Atomkraft, heißt es weiter, "ist keine Option zur Klimarettung, denn sie ist zu teuer, zu langsam, zu gefährlich und nicht robust gegen den Klimawandel".

    Die Zukunft Bayerns, Deutschlands, Europas und der Welt sind die erneuerbaren Energien. Ich bin mir sicher, diese Einschätzung teilen Sie. Umso dringender der Appell, dem angekündigten Ausbau der Windkraft in Bayern nach Jahren der Verzögerung endlich Nachdruck zu verleihen. Umso dringender der Appell, den Bau der notwendigen Leitungen wie SuedLink für den Transport des in der Nordsee offshore erzeugten Windstroms nach Süden, zu beschleunigen.

    Appell in Sachen Atommüll: Endlich um Endlager-Lösung kümmern!

    Und umso dringender, lieber Herr Söder, der Appell, sich endlich um eine Lösung für das Thema Endlager für den Atommüll in Deutschland zu kümmern und dabei auch nicht auszuschließen, dass das auch in Bayern sein könnte.

    Denn auch wenn im Landkreis Schweinfurt die Kühltürme nach dem 16. August nicht mehr zu sehen sein werden: Das 2006 eröffnete Zwischenlager zur Aufbewahrung von Brennelementen bleibt bis 2046 vor Ort.

    Beste Grüße aus Schweinfurt,

    Oliver Schikora, Redakteur

    Persönliche Post: der SamstagsbriefJedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur.Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.MP

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